2. November 2000

Besorgnis über Naumanns Kulturkonzept

Große Sorgen machen sich die Mitglieder des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, die sich am 21. Oktober in Gundelsheim getroffen haben, um die Zukunft der gruppenspezifischen Erbebewahrung, nachdem das Bundeskabinett in Berlin die inzwischen dritte Fassung des vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister Michael Naumann, vorgelegten Neuordnungskonzepts zur Kulturarbeit nach Paragraph 96 BVFG verabschiedet hat.
Zwar wird in Naumanns "Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa" die Verlagerung des Siebenbürgischen Museums von Gundelsheim nach Ulm "zwecks Herstellung eines wirkungsvollen Verbundes mit dem Donauschwäbischen Zentralmuseum", wenn auch für geboten erachtet, so doch auf einen Zeitpunkt verlegt, an dem "geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen", und auch festgestellt, dass unabhängig davon "die Förderung des Siebenbürgischen Landesmuseums erhalten" bleibe und "über den Wirtschaftsplan des Donauschwäbischen Zentralmuseums als eigenständige (Hervorhebung der Redaktion) Titelgruppe abzuwickeln" sei, aber die übrigen Bestimmungen des Papiers, namentlich die zur kulturellen Breitenarbeit, sind kaum Anlass zu einem sorgenfreien Blick in die Zukunft.
Gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung äußerte der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. Dürr, der gemeinsam mit Dr. Christoph Machat, dem Kulturratsvorsitzenden, ein Gespräch mit Vertretern von Naumanns Kulturministerium (BKM) hatte, es komme nun im Gundelsheimer Kulturzentrum darauf an, die Arbeit dort so auszugestalten, dass für das Museum eine reale Perspektive am bisherigen Standort erhalten bleibe und gleichzeitig dessen noch engere Vernetzung mit der Siebenbürgischen Bibliothek sowie deren Archiv, auch in Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulinstituten, erfolge, damit die Einheit des Zentrums, das vom Patenland Nordrhein-Westfalen und auch von Baden-Württemberg erheblich unterstützt wird, selbst bei der vom BKM angestrebten mittel- bzw. längerfristigen Verlagerung auf Dauer gewährleistet wird.
Wenn diesbezüglich noch Aussichten bestehen, das Auseinanderreißen der Gundelsheimer siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen wenigstens teilweise zu verhindern, sind die Aussichten im Bereich der kulturellen Breitenarbeit um so düsterer. Die Neuordnungskonzeption des BKM sieht unter anderem ihre grundsätzliche Neuausrichtunge vor. Sie soll mit der Museumsarbeit verknüpft und von vier vom Bund geförderten Kulturreferenten wahrgenommen werden. Damit wird sie nicht nur ins Museale, d.h. aus ihrer aktiven Gegenwartsbezogenheit in eine möglicherweise nostalgische, lediglich konservierende Rückwärtsgewandheit abgedrängt, sondern der Landsmannschaft geht mit ihrem Bundeskulturreferenten auch eine vom Bund geförderte Planstelle und damit ein wichtiger Mann verloren, der bisher die gesamte Kulturarbeit des Verbands koordiniert hat und nun ersatzlos ans Ulmer Zentralmuseum abgegeben werden muss. Zudem praktiziert das BKM bereits jetzt bei Einzelprojekten der Landsmannschaft derart restriktive Förderungsverfahren, dass die kulturelle Breitenarbeit zunehmend zum Erliegen kommt und nur noch durch die Eigenleistungen und das erhöhte Engagement der Landsmannschaft und deren Untergliederungen irgendwie aufrecht erhalten werden kann.
In einer Stellungnahme dazu wies Bundesvorsitzender Dürr den Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien darauf hin, in wie hohem Maße gerade die Breitenarbeit identitätsstiftend und identitätserhaltend sei. Dürr erklärte unter anderem, Inhalt der landsmannschaftlichen Kulturarbeit sei neben der Bewahrung von Brauchtum, der Mundart oder sonstiger überlieferter Handlungen unterschiedlichster Art von jeher auch die Pflege geistiger, moralischer und sozialer Prägungen wie Gemeinsinn und Toleranz gewesen, die durchaus ihren Platz haben in der heutigen Zeit.
Alle diese Aktivitäten seien keineswegs nur selbstreferenziell orientiert gewesen und hätten auch nicht ausschließlich dem eigenen engen Kreis der Verbandsmitglieder gegolten. Vielmehr habe man sie wiederholt an "grenzüberschreitende Maßnahmen" gekoppelt, mit deren Notwendigkeit ja das BKM seine Neukonzeption unter anderem begründet. Stets habe man in Zusammenarbeit und engem Kontakt mit anderen Institutionen und Einrichtungen gehandelt und tue das nach wie vor, auch mit Rücksicht auf die Jugend, die in neue gesellschaftliche und politische Realitäten hineinwachse.
Für diese Jugend heiße Brauchtum pflegen nicht "Heimattümelei" betreiben, für sie seien derartige Akltivitäten "eines aus der Vielfalt von Identitätsangeboten", und "mit ihrem Wissen um die kulturelle Eigenart osteuropäischer Regionen" verstünden sich vor allem die Jugendlichen "als Mittler in einem zusammenwachsenden Europa". Dem "transnationalen Wirken" gerade auch von Brauchtum komme "im europäischen Zusammenwachsen eine hohe Wertstellung" zu. In diesem Sinne nehme auch die Landsmannschaft und die ihr zugehörigen Jungmitglieder durchaus ihre "Brückenfunktion" in den Beziehungen Deutschlands zu Rumänien wahr.
"Für die Siebenbürger Sachsen sinnstiftendes Brauchtum", so Dürr, "ist in der Bundesrepublik im Laufe der vergangenen rund 50 Jahre erhalten worden und wird mit den notwendigen Anpassungen an die veränderten Bedingungen auch weiterhin gepflegt. Ermöglicht wurde das bisher einerseits durch den stetigen Zuzug aus Siebenbürgen vor allem nach 1989 und die dadurch wachsende Zahl der Kulturträger, andererseits durch die positiven Rahmenbedingungen in Staat und Öffentlichkeit. Aufgrund der Tatsache, dass die Siebenbürger Sachsen heute in Deutschland weit verstreut siedeln, ist jedoch die Pflege ihres Brauchtums, das ja nicht individuell, sondern nur kollektiv ausgeübt werden kann, erschwert, und es wird wie bisher so auch in Zukunft auf die Förderung des Bundes angewiesen sein."
Wenn also siebenbürgisch-sächsische Kulturtradition und damit auch das Brauchtum erhalten werden soll, dann liegt das nach wie vor in der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland und nicht ausschließlich in derjenigen der Siebenbürger Sachsen. Oder aber Berlin entscheidet sich endgültig dafür, einen konstitutiven Teil der deutschen und damit auch der europäischen Kultur in Museen einzumotten und ihn damit dem Vergessen anheim zu geben.

Hannes Schuster

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