23. März 2002

Erfreulich rege Kultur- und Jugendarbeit

Der erfreuliche Aufschwung der Jugendarbeit, die vielseitigen kulturellen Aktivitäten, die auf vielen Ebenen der landsmannschaftlichen Arbeit trotz ausbleibender Förderung durch die Bundesregierung stattfinden, und vor allem die Sorge um die mögliche Zerschlagung des Kulturzentrums in Gundelsheim standen im Mittelpunkt der jüngsten Bundesvorstandssitzung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen am 9. März in München. Erörtert wurden zudem organisatorische Fragen rund um den Heimattag sowie Rechtsfragen und eine Satzungsänderung, die es den Kreisgruppen ermöglicht, sich als eingetragene Vereine zu konstituieren.
Zur Tagung waren in die Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Vorstandsmitglieder sowie aus Siebenbürgen, als ständiger Vertreter der Heimatkirche im Gremium, der Dechant des Kronstädter Kirchenbezirks und Pfarrer in Wolkendorf, Klaus Daniel, und Martin Bottesch vom Siebenbürgenforum gekommen. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft und Vorsitzende der Föderation, Volker Dürr, ging einleitend auf die verbandspolitische Situation und Entwicklungen in der Föderation der Siebenbürger Sachsen ein. Er freute sich, dass die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend (SJD) eine Plakette beim letztjährigen Integrationswettbewerb der Bundesregierung gewonnen hat, und forderte die Kreisgruppen auf, sich mit ihren Eingliederungsinitiativen für den Zuwanderungswettbewerb von Bundespräsident Johannes Rau zu bewerben (siehe Siebenbürgische Zeitung-Online vom 21. Februar 2002).
Das Thema Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg solle nach Meinung des Bundesvorsitzenden angesichts des Dracula-Parks "in Ruhe" angegangen werden. Eine "Triebfeder" für die angestrebte Partnerschaft könnte dabei Johann Schuller, Organisationsreferent der Landsmannschaft, sein, der Anfang dieses Monats zum Stadtrat in Dinkelsbühl gewählt worden war.
Der Bundesvorsitzende rief die Mitglieder der SJD auf, sich im kommenden Sommer am Föderationsjugendlager in Siebenbürgen zu beteiligen. Im Rahmen des Kulturaustausches auf Föderationsebene besuchen die Blaskapelle und Jugendtanzgruppe aus Kitchener (Kanada) in der ersten Julihälfte Österreich und Deutschland. Erfreulich sei auch die Initiative der siebenbürgischen Frauenreferentinnen in Deutschland, die Ende August Siebenbürgen besuchen und dabei gezielt den Dialog mit den dortigen Vertreterinnen der Frauenarbeit suchen. Ebenfalls in diesem Sommer werde der Zentralverband der Siebenbürger Sachsen in Amerika (Alliance of Transylvanian Saxons) sein 100-jähriges Jubiläum begehen, und Mitte September 2002 wolle man am Sachsentreffen in Birthälm teilnehmen, sagte Dürr. Die Tagung der landsmannschaftlichen Kreisgruppenvorsitzenden in Otzenhausen im letzten Herbst sei "sinnvoll" gewesen und habe viele Themen zur Sprache gebracht, die die Basis berührten.

Sorge wegen staatsdirigistischer Tendenzen

Sorge bereiten nach wie vor die staatsdirigistischen Tendenzen und die Pläne des Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM), das Siebenbürgische Museum nach Ulm zu verlegen. Dürr berichtete über die Gespräche mit Staatsminister Julian Nida-Rümelin am 20. Februar in Berlin und die Fragestunde im Deutschen Bundestag bezüglich der Sicherung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes. Als positiv wurde die Bereitschaft des Ministers vermerkt, das Siebenbürgische Museums nicht gegen den Willen des Trägervereins nach Ulm zu verlagern und den Zusammenhalt des traditionsreichen Kulturzentrums in Gundelsheim zu respektieren. Dürr legte Vorschläge für eine neue Trägerschaftsstruktur des Kulturzentrums in Gundelsheim vor, die den Gründungs- und Fördermitgliedern gerecht wird. Der Bundesvorstand beschloss, die Bemühungen um den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturzentrums auf Schloss Horneck entschieden fortzusetzen.
Unterschiedliche Entwicklungen sprachen die Vorsitzenden der Landesgruppen in ihren Lageberichten an. Harald Janesch, Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, betonte, es sei immer schwerer, Führungspositionen in den Kreisgruppen zu besetzen, und das sei mit ein Grund, weshalb einige nordrhein-westfälische Kreisgruppen in letzter Zeit aufgelöst worden seien. Helmut Beer klagte über die Überalterung in der Landesgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein, und in Hessen seien die "Führungsetagen auch ausgedünnt" (Folberth). Als positive Erfahrung stellte Hans Heider Zsivanovits das beeindruckende Musikerfest siebenbürgischer Blaskapellen in Wolfsburg im letzten Sommer heraus, in Berlin und Bayern gab es Erfreuliches über die Wiederbelebung der Jugendarbeit zu berichten. Bernd B. Fabritius, Vorsitzender der Landesgruppe Bayern, regte zudem an, eine einheitliche Versicherung für die Veranstaltungen aller Kreisgruppen in Bayern und darüber hinaus abzuschließen und ein anwenderfreundliches Mitgliederverwaltungsprogramm für alle Kreisgruppen zu entwickeln.

Strukturen entwickeln, um positive Lage zu halten

Aufgrund statistischer Daten wies Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff nach, dass die leicht rückläufige Entwicklung der Mitgliederzahlen in der Landsmannschaft vorwiegend auf die drei größten Landesgruppen (Bayern, Baden-Württemberg und seit längerem Nordrhein-Westfalen) zurückzuführen sei. Er rief dazu auf, "etwas gegen diese Entwicklung" zu tun. Bundesvorsitzender Volker Dürr betonte, dass der Massenexodus unsere Zahl verdoppelt habe und uns nun vor die Frage stelle: "Wo kriegen wir Strukturen her, um die derzeit positive Lage zu halten?"
In Österreich habe sich das Verhältnis der Politik zu den Landsmannschaft "stark entkrampft", berichtete Volker Petri, Bundesobmann der siebenbürgischen Landsmannschaft in Österreich. Seine Landsleute in Deutschland ermutigte Pfarrer Petri: "Die dritte Generation hat wieder Interesse an siebenbürgischer Kultur."
Das Demokratische Forum bemühe sich, eine eigene politische Stimme zu bewahren und sich nicht von Parteien vereinnahmen zu lassen, erklärte Martin Bottesch, ständiger Vertreter des Siebenbürgenforums im Bundesvorstand. Das deutsche Forum versuche aber auch zu verhindern, dass die Hilfen des rumänischen Staates und des deutschen Bundesinnenministerium zurückgefahren werden. Dechant Klaus Daniel dankte für die Hilfen des Sozialwerks, der Heimatortsgemeinschaften, des Hilfskomitees und anderer Einrichtungen, die sich in Siebenbürgen engagieren. Pfarrer i.R. Kurt Franchy und Michael Konnerth berichteten über die vielseitigen Aktivitäten des Hilfskomitees bzw. des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften.

Jugendarbeit verzeichnet Aufschwung seit letztem Jahr

Die Jugendarbeit habe seit letztem Jahr einen erfreulichen Aufschwung verzeichnet, sagte Rainer Lehni, Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD). Heuer stelle sich die Jugend zwei großen Herausforderungen: Die SJD ist - neben den bewährten organisatorischen Strukturen der Landsmannschaft auf Bundesebene - Gestalter des Heimattages in Dinkelsbühl, und 150 siebenbürgisch-sächsischen Jugendlichen beteiligen sich am Oktoberfestumzug in München. Die Jugend sei allerdings mit finanziellen Problemen auf Bundesebene konfrontiert. In der Sitzung in München sprach der Bundesvorstand die Empfehlung aus, dass die Landesgruppen - in Abstimmung mit der SJD - Budgets für die Jugendarbeit bilden, um die Nachwuchsorganisation der Landsmannschaft auf Landesebene zu fördern.
Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster legte die Planung kultureller Breitenarbeit für das laufende Jahr vor. Abgesehen von drei vom Haus des Deutschen Ostens in München geförderten Aktivitäten, müssten die Veranstaltungen aus eigenen Mitteln bestritten werden. Dr. Swantje Volkmann sei zwar seit kurzem als Kulturreferentin beim Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm tätig und mit einem Drittel ihres Deputats für Siebenbürgen zuständig, heuer sei aber kaum mit einer Förderung durch die neu eingerichtete Stelle zu rechnen, sagte Schuster. Das könnte sich möglicherweise ab 2003 ändern: Maßnahmen für kulturelle Breitenarbeit würden über Ulm an den Bundesbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und Medien (BKM) beantragt.

Solidarisch mit Gundelsheim

Für dieses Jahr kündigte Schuster unter anderem eine Internettagung sowie je eine Tagung für Kultur- und Pressereferenten an. Mitte Mai gastiert das Barockensemble "Transylvania" aus Klausenburg in Deutschland. Die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage finden im Oktober/November in Gundelsheim statt und stehen im Zeichen der Solidarität mit dem dortigen Kulturzentrum. Vor wenigen Tagen hat das Bundeskulturreferat eine Neuauflage der Broschüre "Wer sind die Siebenbürger Sachsen" herausgegeben, als weitere publizistische Vorhaben sind für 2002 das Faltblatt "Die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen" sowie die Arbeitsmaterialien "Bastelbögen Kirchenburgen" und "Mensch, Kathi schau nach vorn" (Zweiakter von Doris Hutter) geplant. Mittelfristig erscheint unter der Mitwirkung des Ehrenvorsitzenden Dr. Wilhelm Bruckner ein Buch über die Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises und deren Leistungen.

Heimattag mit prominenten Politikern

Der diesjährige Heimattag in Dinkelsbühl steht unter dem Motto Mit der Jugend in die Zukunft. Als Festredner ist es gelungen, Bundesinnenminister Otto Schily und die bayerische Sozialministerin Christa Stewens zu gewinnen, die neben dem Bundesvorsitzenden Volker Dürr die Kundgebung vor der Schranne bestreiten werden. Zudem beschloss der Bundesvorstand organisatorische Einzelheiten, die zum Teil tags zuvor in der Sitzung des Heimattagausschusses erörtert worden waren und vom zuständigen Organisationsreferenten Johann Schuller vorgelegt wurden (Bericht folgt in der Siebenbürgischen Zeitung-Online). Der Abzeichenpreis wird von 10 DM auf 7 Euro erhöht, weil der Heimattag im letzten Jahr ein Defizit von 25 000 DM verursachte, teilweise wetterbedingt, aber auch wegen der ausbleibenden Förderung des Kulturprogramms durch die Bundesregierung und der nach wie vor hohen Kosten, die die Stadt Dinkelsbühl in Rechnung stellt. Auf Vorschlag von Pfarrer i.R. Kurt Franchy wurde ein Ausschuss gebildet, der alle Strophen des Siebenbürgen-Liedes untersuchen und aus heutiger Sicht definieren soll.
Über die jüngsten Initiativen der "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen" berichtete Bundesrechtsreferent Ernst Bruckner. Der bekannte Sozialrechtler Professor Dr. Ulrich Becker habe mittlerweile den Entwurf eines Gutachtens vorgelegt. Der Anwaltspool des Verbands soll nun das Gutachten mit argumentativen Hilfen aus siebenbürgischer Sicht ergänzen, damit es rechtzeitig in das anstehende Verfahren des Bundesverfassungsgericht eingebracht werden kann. Rechtliche Fragen waren zudem Gegenstand von Ausführungen des zuständigen Referenten Dr. Johann Schmidt, der über die aktuelle Lage bei der Aussiedleraufnahme berichtete.

Kreisgruppen können sich als e.V. konstituieren

Der Verbandstag 1999 hatte den Bundesvorstand beauftragt, eine Satzungsänderung zu erarbeiten, die es den landsmannschaftlichen Kreisgruppen ermöglicht, sich auf örtlicher Ebene als eingetragene Vereine zu konstituieren. Der Bundesvorstand nahm nun in München die Entwürfe einer Satzungsänderung und einer Mustersatzung für Zweigvereine (Kreisgruppen und andere Untergliederungen der Landsmannschaft) zustimmend zur Kenntnis, die von Rechtsanwalt Rolf-Dieter Happe erarbeitet und vorgestellt wurden. Die Mustersatzung erweist sich dabei als gute Handhabe, die Interessen des Verbandes zu sichern und den Kreisgruppen zugleich mehr Spielraum auf lokaler Ebene zu gewähren. Wer Mitglied in den Zweigvereinen wird, tritt automatisch der Landsmannschaft bei. Die Delegierten des Verbandstages 1999 werden demnächst in einem so genannten Umlaufverfahren schriftlich um ihre Zustimmung zur Satzungsänderung gebeten. Erst danach können die Untergliederungen der Landsmannschaft die Mustersatzung in die Praxis umsetzen, falls sie sich für eine Eintragung ins örtliche Vereinsregister entscheiden.
Um den knapp kalkulierten Haushaltsplan für dieses und vor allem für das nächste Jahr auszugleichen, wurde beschlossen, die Anzeigen der Siebenbürgischen Zeitung, die seit April 1996 unverändert sind, ab 1. Januar 2003 um etwa zehn Prozent zu erhöhen. Ferner erörterte der Bundesvorstand die weitere Vorgehensweise bei der Besetzung der Stelle des Chefredakteurs.
Die nächste Bundesvorstandssitzung ist für den 13. Oktober 2002 in Gundelsheim am Neckar geplant.

Siegbert Bruss


(Gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2002, Seite 1 und 4)

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