10. November 2000

Kommen die Altkommunisten wieder an die Macht?

Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 26. November in Rumänien werden mit großer Wahrscheinlichkeit einen Linksrutsch in der politischen Szene des Landes hervorrufen. Der 1996 abgewählte Präsident Ion Iliescu liegt derzeit mit großem Abstand an der Spitze der Wählersympathien. Diesen Trend bestätigte kürzlich eine Umfrage des rumänischen Meinungsforschungsinstituts CSOP in Zusammenarbeit mit dem internationalen Institut Gallup.
Einem Bericht des Wirtschaftsdienstes Rumänien aktuell zufolge, bekäme Iliescu als Präsidentenkandidat 48,5 Prozent und seine altkommunistische Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) 51 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Kraft sei die rechtsextreme Großrumänien-Partei PRM (11,7%), deren Präsidentschaftskandidat Corneliu Vadim Tudor bei 12,6% liegt, gefolgt von der Nationalliberalen Partei (PNL) mit 10,6%, deren Kandidat Teodor Stolojan 11,6% der Stimmen erhalten könnte. Weit abgeschlagen ist das christdemokratische Bündnis Demokratische Konvention 2000 (CDR 2000), das um den Einzug ins Parlament bangen muss. Laut Umfragen liegt es derzeit bei 6,1 Prozent, müsste aber als Wahlbündnis von vier Parteien mindestens 11 Prozent erreichen. Der unabhängige Präsidentschaftskandidat und derzeitige Ministerpräsident Mugur Isarescu, der von der CDR 2000 unterstützt wird, kommt in der gleichen Umfrage auf 11,1 Prozent. Allerdings sind die Zahlen mit großer Vorsicht zu gebrauchen, da zahlreiche von den einzelnen Parteien bestellte Umfragen in Umlauf gebracht werden, um die Wählerschaft zu beeinflussen. Andere Umfragen favorisieren Isarescu bzw. Stolojan als aussichtsreiche Präsidentschaftskandidaten, die bei einem eventuellen zweiten Urnengang am 10. Dezember gegen Iliescu antreten könnten.
Der Wahlkampf wurde erst am 12. Oktober offiziell begonnen, ist aber schon lange im Gange und durch heftige persönliche Attacken gekennzeichnet. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet, attackieren die Kandidaten für das Präsidentenamt einander gnadenlos, obwohl sie noch der gleichen Regierungskoalition angehören. Außenminister Petre Roman, Bewerber der Demokratischen Partei, beschuldigt beispielsweise seinen Ministerpräsidenten, Mugur Isarescu, dieser trage als ehemaliger Gouverneur der Nationalbank die Verantwortung für den Zusammenbruch einer Reihe von Geldinstituten. Und Justizminister Valeriu Stoica von der Nationalliberalen Partei geht sogar bis zur Anklage, Isarescu verfüge, da er sich am Wettkampf ums Präsidentenamt beteilige, nicht mehr über jene Unabhängigkeit und Objektivität, die er als Regierungschef benötigen würde.
Auch Ion Iliescu unterliegt naturgemäß ebenso harten Attacken, namentlich von seiten Romans und Stolojans, schreibt die Neue Zürcher Zeitung weiter. "So holte Roman unlängst alte offene Rechnungen wieder hervor: Iliescu habe den 1990 und 1991 unternommenen Saubannerzug von Bergleuten nach Bukarest auf dem Gewissen. Der ehemalige Präsident hafte sodann für die Degradierung der Justiz und die verbreitete Korruption. Roman spricht Iliescu unter Anspielung auf dessen kommunistische Herkunft in der Wirtschaft die ordnungspolitische Kompetenz ab, und sein Urteil endet mit der Feststellung, dass die Rückkehr Iliescus und seiner Partei an die Macht für das Land einen Schritt zurück in die Vergangenheit bedeuten würde. Zugleich allerdings rechnen in Bukarest nicht wenige Kommentatoren damit, dass im Falle eines Wahlerfolgs von Iliescus PDSR sowohl die Nationalliberalen wie auch Romans Demokratische Partei sich gleich auf die Seite des Siegers schlagen könnten."
Auch wenn seine Partei die absolute Mehrheit erreichen werde, erklärte Ion Iliescu, wolle er nicht allein regieren. Als Koalitionspartner kommt die Großrumänien-Partei, mit der die PDSR von 1992 bis 1996 gemeinsam regiert hatte, diesmal nicht in Frage, da sie der europäischen Integration des Landes schaden könnte. Aus europapolitischen Erwägungen bevorzugt Iliescu deshalb neuerdings eine Koalition mit den Nationalliberalen und dem Ungarnverband UDMR.

Siegbert Bruss

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