8. April 2002

Bundespräsident Rau in Hermannstadt

"Rumänien gehört zu Zentraleuropa und hat dort seinen festen Platz", stellte Bundespräsident Johannes Rau bei seinem zweitätigen Besuch vom 19.-20. März in Rumänien fest. Er sei er gekommen, "um die ausgezeichneten deutsch-rumänischen Beziehungen zu vertiefen." In Hermannstadt kamen dem hohen Gast und seiner Begleitung vieles vertraut vor: "Alles hier hat einen deutschen Urgrund".
Es war mittlerweile der vierte Bundespräsident Deutschlands - nach Gustav Heinemann, Karl Carstens und Roman Herzog - der nach Rumänien kam, aber doch der Einzige, der öffentlich nicht von einem offiziellen oder Freundschaftsbesuch, sondern immer wieder von einem "Nachbarschaftsbesuch" sprach.
Rumänien, als "fester Bestandteil Europas", hat schließlich vor genau 35 Jahren als erstes Land des sozialistischen Ostblocks 1967 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland und federführend unter dem damaligen Außenminister Willy Brandt aufgenommen. Vor zehn Jahren, im April 1992, unterzeichneten der Chef der damals noch Bonner Diplomatie, Hans-Dietrich Genscher, und sein Bukarester Amtskollege, Adrian Nastase, den deutsch-rumänischen Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa. Darüber hinaus meinte nun Johannes Rau bei Gesprächen in der Landeshauptstadt mit Staatspräsident Ion Iliescu und dem derzeitigen Premier Adrian Nastase, "dass unsere Völker insgesamt näher zusammenrücken müssen." Deshalb unterstütze Deutschland weiterhin den Weg Rumäniens in die europäischen und nordatlantischen Strukturen. Konditionen und Termine, die nicht seines Amtes seien, nannte Rau allerdings nicht.
Bundespräsident Rau wurde vom rumänischen Ministerpräsidenten Adrian Nastase zu Gesprächen in dessen Amtssitz im Victoria-Palais zu Bukarest empfangen. Foto: Bundespräsidialamt.
Bundespräsident Rau wurde vom rumänischen Ministerpräsidenten Adrian Nastase zu Gesprächen in dessen Amtssitz im Victoria-Palais zu Bukarest empfangen. Foto: Bundespräsidialamt.

Staatspräsident Ion Iliescu dankte dem Gast für die entscheidende Rolle Deutschlands bei den europaweiten Verhandlungen zur Aufhebung der Visapflicht für die rumänischen Bürger, die in den Schengener Raum reisen wollen, und stellte sich ganz unvorhergesehen auch zum Richtfest des neuen BRD-Botschaftsgebäudes in Bukarest ein. Wie in dieser Zeitung berichtet und von Johannes Rau lobend erwähnt, wurde diese diplomatische Vertretung schon vom Entwurf her ohne eine Visa-Abteilung konzipiert.
Bereits in Bukarest freute sich der Bundespräsident, dass er tags darauf die deutsche Minderheit vor Ort in Siebenbürgen besuchen werde. In Hermannstadt sicherte er ihnen dann zu: "Sie sind bei uns nicht vergessen, wir fühlen uns Ihnen sehr verbunden." Das klang den geladenen und Zaungästen rund um das Bischofspalais vertraut, denn Rau muss man als dritten Bundespräsidenten nach Carstens und Herzog "im Zentrum des ältesten Siedlungsgebietes der Deutschen in Rumänien unsere Kirche und die Siebenbürger Sachsen nicht weiter vorstellen", sagte beim Empfang der evangelische Landesbischof D. Dr. Christoph Klein. Rau nehme seit vielen Jahren Anteil am Schicksal der Siebenbürger Sachsen, sein Wissen und Engagement reiche gar bis in seine Jugendzeit zurück, als er sich an einer Spendenaktion für eine neue Glocke in Siebenbürgen beteiligt habe.
Noch mehr: Schon als etwa Sechsjähriger, fügte Johannes Rau ergänzend an, habe er von seinem Konfirmator mit siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln etwas über die Stadt am Zibin erfahren. Aus Büchern, Briefen, Begegnungen und Erzählungen konnte er sich danach ein abgerundetes Bild von Hermannstadt und Siebenbürgen machen. Allerdings vor seinem ersten Besuch rund um den Großen Ring blätterte der Bundespräsident dann doch nochmals in Sebastian Münsters erster deutschen Weltchronik von 1489 und stieß unter dem Stichwort Siebenbürgen eben auch auf "Cibinium". Drei Jahre also vor der Entdeckung Amerikas wird Hermannstadt darin als eine "große Stadt" genannt, "umgeben von großen Weihern und daher schwer zugänglich."
Schülerinnen und Schüler in siebenbürgisch-sächsischer Tracht begrüßen den Bundespräsidenten Johannes Rau und Frau Rau beim Besuch des Samuel-von-Brukenthal-Gymnasiums in Hermannstadt. Foto: Bundespräsidialamt
Schülerinnen und Schüler in siebenbürgisch-sächsischer Tracht begrüßen den Bundespräsidenten Johannes Rau und Frau Rau beim Besuch des Samuel-von-Brukenthal-Gymnasiums in Hermannstadt. Foto: Bundespräsidialamt

Mittlerweile sei diese Stadt jedoch kleiner als Wien, Weiher gäbe es rundum auch keine mehr, aber schwer erreichbar ist sie offensichtlich immer noch. Auf dem Flug von Bukarest hierher nämlich wurde die rund 80köpfige Delegation der Bundesrepublik Deutschland "so richtig durchgeschüttelt". Von Hermannstadt selbst indes war man nicht enttäuscht, Rau jedenfalls hatte nicht den Eindruck, "dass man in eine fremde Stadt komme", vor der deutschen Pressedelegation verglich er das Stadtbild sogar mit jenem von Dinkelsbühl oder Rothenburg ob der Tauber, kurz: "Vieles kam uns vertraut vor."
Mitunter auch das freundschaftliche Händeschütteln überall, wo man präsent war: Beim deutschen Bürgermeister, im evangelischen Bischofspalais mit Vertretern auch anderer Glaubensgemeinschaften, ferner in der sächsischen Stadtpfarrkirche oder in der über 600 Jahre alten Brukenthalschule, sodann beim Rundgang durch die Altstadt und schließlich im "Römischen Kaiser", wohin, ebenso unvorhergesehen, gleich die Forumsspitzen aus allen Regionen des Landes hinzustießen. Selbst der ehemalige Bürgermeister von Rode, Adolf Hedrich, ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und überreichte dem hohen Gast beim Kircheingang neben dem Teutsch-Denkmal einen Brief u.a. mit dem Vorschlag, auch den Deutschen hierzulande ähnlich den Ungarn einen bundesdeutschen Ausweis künftighin auszustellen.
Das war nicht der einzig konkrete Wunsch, der an den Bundespräsidenten herangetragen wurde. Bürgermeister Johannis bat um Lobby für die Stadt bei künftigen Investoren aus Deutschland, und die Forumsvertreter forderten nachhaltige Unterstützung insgesamt für unsere Minderheit. Die Zeiten der Perspektivlosigkeit seien zwar vorbei, hieß es in vieler Munde, aber ohne Hilfe aus dem "Mutterland" können die Rumäniendeutschen die anstehenden Probleme alleine nicht lösen, und: "Hilfe ist eine gute Investition, sie fördert den deutsch-rumänischen Dialog und ist ein Baustein für Europa", sagte der scheidende DFDR-Vorsitzende Wolfgang Wittstock. Die Rückgabe von enteignetem Gemeinschaftsgut wurde beim Treffen mit den Forumsspitzen ebenso angesprochen wie der Erhalt des wertvollen sächsischen Kulturerbes.
Und wie wertvoll das ist, davon konnte sich Bundespräsident Rau einmal mehr nun überzeugen: in der Stadtpfarrkirche, auf der Lügenbrücke, im Haller-Haus und nicht zuletzt im Bukenthalgymnasium, wo ihn die "Lebendigkeit" der Schüler- und Lehrerschaft besonders beeindruckte. Nach dem Empfang mit Kammerchor und Volkstanz ließ sich das Präsidentenehepaar in der Aula denn auch in eine lebhafte Gesprächsrunde mit den "Brukenthalern" ein. Und auf die Frage, wer von den Eleven noch nicht in Deutschland war, kamen genauso wenige Handzeichen wie auf die Frage, wer nach Schul- oder Hochschulabschluss nicht nach Deutschland kommen wolle.
Bundespräsident Johannes Rau und Gattin Christina zeigten sich davon aber weniger überrascht. Schließlich war der gebürtige Wuppertaler Rau von 1978 bis 1988 Ministerpräsident jenes Bundeslandes (Nordrhein-Westfalen), das 1957 die Patenschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland übernommen hatte. In dieser Eigenschaft hat er unsere Landsleute in der neuen Heimat stets begleitet und trat 1997 selbst als Festredner beim Dinkelsbühler Heimattag auf.
Zu seiner Delegation mit Chefs sowie Ressortleitern aus dem eigenen wie dem Auswärtigen Amt zählten übrigens als Sondergäste Susanne Kastner, Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Heiner Gutberlet, Kuratoriumsvorsitzender der Robert-Bosch-Stiftung, und nicht zuletzt der Richter und Professor für Rechtswissenschaften, Ortwin Schuster. Letzterer, ein gebürtiger Siebenbürger Sache, war stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft und ist zurzeit Vorstandsmitglied der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung (München). Schuster machte sich nur jüngst für die Städtepartnerschaft zwischen Landshut und Hermannstadt stark. Dafür und für das Engagement an Hermannstädter Hochschulen wurde ihm von Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz im letzten Februar zuerkannt, im April soll er die Ehrung feierlich in Empfang nehmen.
So also schloss sich das Netzwerk von Verbindungen rund um diesen "deutschen Urgrund", dem Johannes Rau mit seinem "Nachbarschaftsbesuch" zum Abschluss seiner Rumänien-Visite bei den sächsischen Nachbarn die Krone aufsetzte.
Jedenfalls: "Für uns ist dies ein sehr, sehr wichtiger Besuch, er ist ein Zeichen, dass auch wir in Hermannstadt noch wichtig sind", sagte beim Mittagstisch Bürgermeister Klaus Johannis und versprach, "nicht nur hier viel zu bewegen, sondern auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien weiter aufbauen zu helfen."
Mit auf den Heimflug nahm Johannes Rau neben zahlreichen Präsents u.a. die wunderschöne Dokumentation "Siebenbürgen im Flug" und zudem erklärtermaßen "ein farbiges wie erinnerungsträchtiges Bild" samt dem Eindruck, dass diese Leute hier "wieder zuversichtlich sind,", wünschte sich aber gleichzeitig, dass viele ausgesiedelte Landsleute zurück kämen, "als Besucher, nicht für immer, aber dann doch als Partner für die hier noch Wohnenden." Und sein abschließendes Resümee: "Die Reise hat sich gelohnt wie auch für meinen Vorgänger Roman Herzog."

Martin Ohnweiler

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