20. April 2002

Deutsche in Rumänien: Identitätsprobleme offen angesprochen

Die Identitäts- und anderen Probleme des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) hat der neue Vorsitzende Klaus Johannis offen beim Namen genannt. Auf der Vertreterversammlung am 6. April sprach sich der Hermannstädter Bürgermeister für einen engeren Kontakt des Landesforums zur Basis, eine Fortsetzung der Förderung für die Bereiche Schule und Kultur sowie eine weltweite Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen aus.
"Der Neue, den der Vorstand auf den Schild gehoben hat, ist für uns alle ein Hoffnungsträger auf lange Sicht. Jung und schon auf schwierigem Terrain bewährt. Meine Bitte: Sorgen wir uns auch auf ihn! Verheizen wir ihn nicht dadurch, dass wir den Landesvorsitzenden mit mehr befassen als seines Amtes ist", hieß es - allerdings ohne einen Namen zu nennen - im Grußwort von Paul Philippi an die DFDR-Vertreterversammlung am 6. April in der Stadt am Zibin. Allein der Ehrenvorsitzende dieses Gremiums der Deutschen in Rumänien fehlte bei der Zusammenkunft, denn das Wort der Ärzte habe ihn, wie er ferner anführte, nach einer in Hermannstadt erfolgten Notoperation zur Nachbehandlung in den Westen verbannt.
Doch damit war vor Ort eigentlich gleich mit dem ersten Tagesordnungspunkt der Vollversammlung für alle klar, was nach Punkt 11 und der angesagten Wahl feststehen sollte: Klaus Johannis werde der neue DFDR-Vorsitzende sein. Nicht in seiner Funktion als Hermannstädter Bürgermeister wurde Johannis hierfür vom DFDR-Vorstand auserkoren, auch nicht als Vertreter des Siebenbürgenforums, sondern als Kandidat der Forumslandesspitze mit Unterstützung und im Einvernehmen sämtlicher Vertreter der Regionalforen, sagte dazu Klaus Fabritius, um so den Diskussionen im Vorfeld der Wahl Paroli zu bieten. "Schließlich hat er ein schönes Alter und zählt auch nicht zu den Greisen des Forums", bekräftigte zusätzlich der ehemalige Staatssekretär und derzeitige Forumsvorsitzende im Altreich diese Entscheidung.
Lediglich Klaus Johannis betrachtete seine Wahl nicht gerade als "Ideal-", sondern eher als "eine Kompromisslösung", die Funktion des Hermannstädter Bürgermeisters und jene des DFDR-Vorsitzenden seien dennoch kompatibel. Von daher baue er auf jeden Fall auf die Unterstützung der Mitglieder des Landesvorstands, „um die Aufgaben akzeptabel wahrnehmen zu können“.

Kontakt zur Basis suchen

Und Probleme gibt es offenbar genug. Jedenfalls nannte der neue Landesvorsitzende in seiner "programmatischen Antrittsrede" (so Wittstock) beachtliche Themen und vielschichtige Fragen beim Namen, "denen wir uns stellen müssen."
Das (Forums)Kind mit all seinen Mucken nannte Johannis bei vollem Namen. Vornan: Das Demokratische Forum müsse wieder an die Basis herangeführt werden. Der Landesvorstand werde „gewählt von gewählten Leuten“, was eine „sehr indirekte Repräsentationsform“ sei, und sollte daher einen möglichst engen Kontakt zu den einfachen Mitgliedern suchen. Denn in den Forums-Vollversammlungssälen sehe man nur sehr wenige Mitglieder, "die sich mit uns identifizieren", wusste Johannis zu berichten, der bis letzten Donnerstag (18. April) noch den Vorsitz im Hermannstädter Forum (DFDH) innehatte.
Überhaupt habe die deutsche Gemeinschaft in Rumänien Identitätsprobleme, und ihr Selbstverständnis sei nicht mehr dasselbe wie vor 1989, als noch viele Deutsche in Rumänien lebten, und schon ganz und ganz anders als in der Zeit der deutschen Selbstverwaltung. Bezüglich der "Brückenfunktion", die dem Forum zu Recht zugesprochen werde, müsse man "gut aufpassen“, dass man nicht von anderen zu einem Imageobjekt „heruntergewertet“ werde, sagte der neue Vorsitzende. In gewissen Kreisen gäbe es nämlich die Tendenz, „uns als Imageproblem zu betrachten, nicht als Brücke und selten als eine wichtige Minderheit“.
Allein wer hat nun und künftighin das Recht, Mitglied des deutschen Forums und mithin dieser Minderheit zu sein, überhaupt: Wer ist Deutscher, und was ist Deutsch?, fragte sich und die Vertreter der neue Vorsitzende. "Definiert man Deutsch über Abstammung, über Sprache oder vielleicht über Kultur?", wollte Johannis wissen, offenbar auch im Hinblick auf klare Verhältnisse innerhalb der Forumsmitgliedschaft.
Darüber hatte sich übrigens auch der Ehrenvorsitzende Paul Philippi in seinem Schreiben Gedanken gemacht und sich im Vorfeld der inzwischen abgeschlossenen Volkszählung in der Ferne gefragt, "ob Ihr oder wie Ihr Euch Mühe gegeben habt, das neue Problem anzugehen, das unsere Gemeinschaft während der nächsten Generation beschäftigen wird: Wohin zählen sich, wohin zählen wir die jungen und älteren Kulturdeutschen, deren Eltern von ‚gemischter' ethnischer Herkunft sind oder waren. Und die anderen, die gestern noch sagen konnten ‚én német vagyok' - wohin werden sie sich nach dem Gesetz für die Statusungarn zählen (lassen)?" Denn es gibt ja immer wieder Partner, die auf Zahlen Wert legen, wenngleich Philippi mehr für Qualität im Interessenverband der Deutschen in Rumänien weiterhin wirbt.

„Kernaspekte unserer Identität“

Und dafür sieht sein Amtsnachfolger Johannis nur einen Ausweg: Eine gesunde wirtschaftliche Basis müsse für das Forum geschaffen werden, denn mit Beitragszahlungen oder Sponsoren könne man auf weite Sicht den eigenen Bestand nicht sichern. Die Losung "Hilfe zur Selbsthilfe", wie sie der deutschen Minderheit in Rumänien zugedacht werde, sei wohl in Wirtschaftsfragen sinnvoll. Kultur und Schule seien jedoch „Kernaspekte unserer Identität“ und müssten nach wie vor gefördert werden, forderte der einstige Schulmann Johannis mit Blick auf "besser funktionierende Beziehungen" zu Regierungsstellen hüben wie drüben.
Bloß ob das dem neuen Amtsinhaber glückt, bleibt vorerst noch dahingestellt, zumal sein direkter Vorgänger Wolfgang Wittstock sich darüber auch in seinem Rechenschaftsbericht skeptisch zeigte: "Gleich am Anfang sei festgestellt, dass wir unzufrieden sind mit dem Niveau der Unterstützung, die uns in diesem Jahr sowohl von der rumänischen als auch von der deutschen Seite - im Einklang mit den Verfügungen des deutsch-rumänischen Regierungsvertrags über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa vom Jahr 1992 - zuteil werden soll." Von "Rechentricks" und "Rechenkünsten" sprach er einerseits, von "keinen klaren Kriterien der Verteilung" andererseits.
Unter dem Strich jedenfalls sieht Wittstock vorerst nur die etwa 4,4 Millionen DM aus dem Etat des Bundesinnenministeriums zur Stabilisierung der Deutschen in Rumänien selbst nach seinem Brief, den er am 11. Februar dieses Jahres an Bundeskanzler Schröder gerichtet hatte. Inzwischen liegt zwar "ein formelles Antwortschreiben" vor, berichtete Wittstock, zudem sei ein ausführlicher Brief des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, MdB Jochen Welt, eingetroffen, "und zwar in einer Art und Weise, die keinerlei Hoffnung auf Besserung der Situation aufkommen lässt." Der scheidende DFDR-Vorsitzende verdeutlichte kurz die "unterschiedliche Optik". Das Wort des Bundeskanzlers vom September 1999, die Unterstützung für die Rumäniendeutschen nicht unter die Schmerzensgrenze von fünf Millionen DM sinken zu lassen, sei keine verbindliche Zusage des Kanzlers gewesen, aus Sicht des Aussiedlerbeauftragten müsse sogar die „Hilfe zur Selbsthilfe“ neu definiert werden.
Ähnlich verfährt offenbar auch die rumänische Regierung, die dem DFDR für heuer zwar 7,9 Milliarden Lei (umgerechnet 272 000 Euro) über das Minderheitendepartement zur Unterstützung der muttersprachlichen Presse, für Kulturvorhaben, Verwaltungsausgaben oder Investitionen bereitstellt. Die finanziellen Zusagen wurden jedoch gerade knapp über der Inflationsrate des letzten Jahres gehalten, obgleich weitaus mehr Kulturveranstaltungen und Buchveröffentlichungen u.a. angesagt sind. Die DFDR-Geschäftsführung mahnte von daher die Brauchtums- und übrigen Festveranstalter auf Anhieb ihre Anforderungen um 35 Prozent zu kürzen. Am kürzesten Strang zieht dabei offenbar die Presse, die, vergleichsweise zu anderen Vorhaben mit einem oftmals doppelten Zuschuss gegenüber dem Vorjahr, nun heuer wieder mit dem leidigen Inflationsausgleich von etwa 30 Prozent über die Runden kommen muss.

Zusammenarbeit mit Landsmannschaften

Dabei drängte gerade der neue Vorsitzende mit Nachdruck auf die Öffentlichkeitsarbeit des Forums und mahnte zum Abschluss: "Wir alle sollen am gleichen Strang ziehen". Einbezogen hat er dabei auch unsere Landsleute und ihre Landsmannschaften aus Deutschland, Österreich, Kanada oder den USA. "Auch wenn es manchmal so scheint, als hätten die Landsmannschaften andere Prioritäten, die den unsrigen widersprechen, kann ich diesem nur teilweise zustimmen. Sie leben ja schließlich auch anderswo", was aber eine gute bis sehr gute Zusammenarbeit nicht ausschließt, betonte Johannis.
Abschließend sprach Johannis seinem Amtsvorgänger Wittstock für seine bisherige Tätigkeit einen ganz besonderen Dank aus. Das hatte auch der DFDR-Ehrenvorsitzende in dem erwähnten Schreiben getan. Bloß: "Nüchtern soll sie sein und bleiben, die aufrichtige Dankbarkeit. Denn auch er (Wittstock - Anmerkung der Redaktion) ist wie ein nüchternes Gebirgswasser aus den Kalkmassiven des Burzenlandes", meinte dazu der ebenfalls im Burzenland geborene Philippi. Dem neuen Vorsitzenden vom Zibin hingegen, der sich ein Amt aufhalsen ließ, das in manches Detail hineinreicht, wünschte Philippi "Kraft und Verstand." Beides indes hat Johannis bereits mit seiner Anterittsrede unter Beweis gestellt, und das beweist, so Wittstock, "dass wir eine gute Wahl getroffen haben."

Martin Ohnweiler



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