28. April 2002

Hochhuth-Drama in Siebenbürgen gefilmt

Ein Aufsehen erregender Film kommt am 30. Mai in deutsche Kinos: das Drama „Amen des zweifachen Oscar-Preisträgers Constantin Costa-Gavras. Die Neuinszenierung von Rolf Hochhuths Theaterstück "Der Stellvertreter" thematisiert die Mitschuld der katholischen Kirche an der Judenverfolgung und wurde vorwiegend in Bukarest, Kronstadt und Hermannstadt verfilmt. „Amen“ sorgte bereits auf der Berlinale 2002 für heiße Debatten.
Das Stück war 1963 von Erwin Piscator an der Freien Volksbühne in Berlin uraufgeführt worden und begründete die internationale Anerkennung von Rolf Hochhuth. Die Kinorechte hatte Carlo Ponti Mitte der 60er Jahre erworben, aber eher mit der Absicht, die Verfilmung des kritischen Stückes auf Betreiben des Vatikans zu blockieren, wie Rolf Hochhuth vermutete. Nach dem Verfall der Filmrechte nahm sich der griechische Regisseur Costa-Gavras des Themas an.
Die Dreharbeiten für den Film wurden ab 15. Januar vor allem in Bukarest und Hermannstadt durchgeführt und Ende April 2001 in Rom beendet. Dass die meisten Szenen in Rumänien entstanden sind, war mit ein Grund für Costa-Gavras und den Hauptdarsteller Ulrich Tukur Mitte März dieses Jahres bei der Premiere des Filmes „Amen“ in Bukarest dabei zu sein. Als Drehort für die Gemächer von Papst Pius XII. im Vatikan diente der Präsidentenpalast des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu in Bukarest (heute Sitz des rumänischen Parlaments). In Kronstadt wurde in der Schwarzen Kirche gefilmt. In Hermannstadt entstanden Filmszenen auf dem Huetplatz, dem Friedhof, beim Sitz des orthodoxen Metropoliten, im evangelischen Stadtpfarramt und dem Neppendorfer Pfarrhaus.

Gegen Holocaust Stellung bezogen

Die Handlung erzählt von zwei Persönlichkeiten im Dritten Reich: dem historischen Kurt Gerstein, Chemiker und Waffenoffizier der SS, und dem fiktiven Jesuiten Ricardo, der mit aller Macht Pius XII. bewegen will, gegen Hitler und den Holocaust Stellung zu nehmen. Gerstein ist für die Belieferung der Konzentrationslager mit dem Gas Zyklon B zuständig. Der Offizier findet heraus, dass das Gas nicht zur Desinfektion, sondern zur Vernichtung der Juden verwendet wird. Er versucht die Lieferungen zu verzögern und das Ausland über die Massenvernichtung durch die Nationalsozialisten zu informieren, stößt aber auf Desinteresse und Gleichgültigkeit bei einem schwedischen Diplomaten und päpstlichen Beamten. Allein Priester Ricardo , ein junger Geistlicher, unterstützt ihn, läuft aber bei seiner Initiative, die Kirche zu mobilisieren, ins Leere. Am Ende hängt sich der SS-Mann in der Zelle der Alliierten auf, der Kirchenmann besteigt in Rom freiwillig einen der Güterzüge, die ihn ins KZ bringen.
Costa-Gavras arbeitet in seinem Film mit Andeutungen, das Grauen lässt sich eher ahnen. Mit dem ganz einfachen, sich leitmotivisch wiederholenden Bild der geschlossenen Viehwaggons, die nach Osten fahren und mit geöffneten Türen zurückkehren, wird die Unmenschlichkeit des Massentötens ins Gehirn gehämmert. Gerade diese Hinweise gehen unter die Haut. Die Zeit läuft gegen die beiden Protagonisten, die, jeder auf seine Weise – vergeblich - kämpfen, um die Mord-Maschinerie aufzuhalten. Die Rollen werden von überzeugende Schauspielern besetzt: Ulrich Tukur als gebrochene Figur Gerstein, Ulrich Mühe als zynischer Doktor, der mit Hilfe des Vatikans nach Argentinien entkommt, und Mathieu Kassovitz als aufrechter Ethiker Ricardo. Den Grafen Fontana und den Papst spielen die rumänischen Schauspieler Ion Caramitru beziehungweise Marcel Iures.
Die Verfilmung des Dramas "Der Stellvertreter" hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein: 1963 protestierte der Vatikan gegen die Hochhuth-Aufführung in Berlin, bei der Pressekonferenz der Berlinale wetterte kürzlich ein Vertreter von Radio Vatikan gegen die Filmemacher.

Andreea Dimboianu


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2002, Seite 7)

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