26. Oktober 2011

Heimatortsgemeinschaften erörtern Rettung des Kulturerbes und Beitritt zum Verband der Siebenbürger Sachsen

Die 16. Tagung des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e.V. fand mit zahlreicher Beteiligung der Heimatortsgemeinschaften (HOG) vom 14. bis 16. Oktober im Heiligenhof in Bad Kissingen statt. Die wichtigste Entscheidung war der Beschluss, dass der HOG-Verband Beitrittsverhandlungen mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland aufnehmen wird. Überraschenderweise kündigte der HOG-Verbandsvorsitzende Michael Konnerth an, aus gesundheitlichen Gründen sein Amt ruhen zu lassen.
Ein Großteil der Tagung war dem kulturellen Erbe der Siebenbürger Sachsen gewidmet. Horst Göbbel referierte am ersten Abend zum Thema „Hat unser Kulturerbe in Siebenbürgen noch eine Zukunft?“. Der Vortrag führte den Tagungsteilnehmern eindrucksvoll die heutige Situation des in Siebenbürgen verbliebenen Kulturerbes der Siebenbürger Sachsen vor Augen, wobei als Kulturgut nicht nur die architektonischen Denkmäler wie Stadtkirchen und Kirchenburgen gelten, sondern auch wertvolles Kircheninventar, Bestände in Bibliotheken, Archiven und Museen, oder auch die Volkskunst. Göbbel vertrat die These, dass in Siebenbürgen zwar nicht alles gerettet werden könne, jedoch wesentlich mehr, als auf den ersten Blick möglich erscheine. Die wenigen in Siebenbürgen lebenden Landsleute und die Evangelische Landeskirche seien von der Größe der Aufgaben überfordert. Die außerhalb Siebenbürgens lebenden Landsleute bräuchten vor Ort in Siebenbürgen gleichgesinnte Partner. Viele Siebenbürger Sachsen müssten ihr Verhältnis zu „den Rumänen“ überdenken und sie langfristig als Erben unserer Hinterlassenschaft in Siebenbürgen betrachten.

Als zukunftsweisendes Beispiel, wie Kulturgut gerettet werden kann, stellte Horst Göbbel die Lage in Nordsiebenbürgen vor. Nachdem sich hier die meisten Gemeinden mit der Flucht 1944 oder in den Jahren danach aufgelöst hatten, sei hier schon vor einigen Jahrzehnten die Frage der Rettung der evangelischen Kirchen gestellt worden. 23 evangelische Kirchen seien an andere Konfessionen, hauptsächlich orthodoxe Gemeinden, übergeben worden. Diese Gotteshäuser befänden sich heute größtenteils in einem sehr guten Zustand, wohingegen Kirchen ohne neuen Nutzer heute als Ruinen daständen oder, wie in zwei Fällen, wegen Baufälligkeit abgetragen worden seien.

Die eigentliche Tagung, zugleich auch Mitgliederversammlung des HOG-Verbandes, wurde am Samstagmorgen von Michael Konnerth eröffnet. Als Gäste konnte Konnerth den Bischof der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib, den Hauptanwalt der Landeskirche, Friedrich Gunesch, den Stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Rainer Lehni, sowie den Stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, Wilhelm Hietsch, herzlich begrüßen.
Die Teilnehmer der HOG-Tagung im ...
Die Teilnehmer der HOG-Tagung im Heiligenhof in Bad Kissingen. Foto: Udo Buhn
Bischof Reinhart Guib, erstmals bei der HOG-Tagung dabei, sprach über die aktuelle Lage der Landeskirche in Siebenbürgen. In der Heimatkirche habe nach seiner Wahl zum Bischof Ende 2010 ein Weiterentwicklungsprozess eingesetzt, um die Ziele der Kirche für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte festzulegen. Mit rund 13000 Seelen und 40 Pfarrern sei die Landeskirche heute eine kleine Kirche, jedoch mit einer großen Wirkung nach außen. Bischof Guib stellte aber auch fest, dass der Landeskirche Kapazitätsgrenzen gesetzt seien. Was früher 300000 Gemeindeglieder gemacht hätten, machten heute die genannten 13000. Das Kulturerbe sei Chance und Belastung zugleich. Der Bischof wies auch darauf hin, dass nicht alles Kulturgut gerettet werden könne.

Mehrere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit der Zukunftsfähigkeit der Kirche im nächsten Jahrzehnt. Neben geistlichen und theologischen Fragen würden dabei auch Aspekte wie kirchliche Organisation, Kommunikation und Öffentlichkeit, kirchliches Kulturerbe sowie Verwaltungsfragen erörtert. Die Kirche solle zu ihren Wurzeln stehen, gleichzeitig aber auch Neues zulassen. Der Informationsfluss über alle Gemeindeebenen müsse gewährleistet werden, die Webpräsenz der Landeskirche werde derzeit umfassend erneuert. Der Bischof betonte die notwendige Zusammenarbeit mit den ausgewanderten Landsleuten, deren Präsenz in Siebenbürgen wichtig sei. Die größte Herausforderung für die Landeskirche sei das kulturelle Erbe in Siebenbürgen. Von rund 1300 Anträgen auf Rückgabe enteigneter Gemeinschaftsimmobilien seien bislang erst 500 behandelt und meistens positiv beschieden worden. Bei Arbeiten an den Kirchenburgen sei auch die Hilfe der Heimatortsgemeinschaften gefragt. Bischof Guib wies auch auf die Nutzungskonzepte der einzelnen Kirchenburgen hin, um diese nachhaltig zu sichern, wobei nicht nur eine streng kirchliche Nutzung denkbar sei. Zum Bereich des Kulturgutes führte Bischof Guib auch Projekte an wie die Sicherung der Archive und Kircheninventare, die Einrichtung eines Zentraldepots und die Aufstockung des Zentralarchivs. Bischof Reinhart Guib dankte den Heimatortsgemeinschaften für ihren Einsatz in den Heimatgemeinden, ohne deren Engagement vieles nicht möglich wäre: „Wir sind auf Euch angewiesen“.

Über die aktuellen Projekte im Bereich Renovierungsarbeiten an Kirchenburgen informierte anschließend der Hauptanwalt der Landeskirche, Friedrich Gunesch. Das größte derzeit laufende Vorhaben sei das Projekt „18 Kirchenburgen“, das mit 4,5 Millionen Euro aus EU-Mitteln bezuschusst werde. An neun Kirchenburgen werde gegenwärtig gearbeitet (geplantes Ende ist Herbst 2013). Fortgeführt werde auch das Dächerprogramm für Kirchen und Befestigungsanlagen. Zu den Vorträgen von Bischof Guib und Hauptanwalt Gunesch entwickelte sich eine rege Aussprache.

Der Stellvertretende Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), Andreas Roth, zugleich HOG-Referent der Bundesjugendleitung, stellte die SJD, die Jugendgliederung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen vor. Schwerpunkt der Arbeit der SJD sei es, die junge Generation an die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen heranzuführen. Dies werde mit einer Mischung aus Kultur, Brauchtum und Freizeit derzeit erfolgreich praktiziert. Andreas Roth rief die Tagungsteilnehmer auf mitzuhelfen, junge Menschen aus ihrer jeweiligen HOG zu animieren, die SJD aktiv auch als Mitglieder zu unterstützen. Analog zum Landesverband Bayern des Verbandes, der für SJD-Mitglieder eine 30-prozentige Eintrittsermäßigung bei Veranstaltungen festgelegt hat, wurde dieses auch den HOGs empfohlen. Es würde auch zu einer Optimierung der Zusammenarbeit zwischen HOGs und dem Verband der Siebenbürger Sachsen und seiner Jugendgliederung führen. Eine gegenseitige Hilfe sei wünschenswert.

Der Samstagnachmittag war den Besprechungen der neun Regionalgruppen gewidmet. Anschließend wurden die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen Regionalgruppen vorgestellt.

Am späten Nachmittag wurde der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, willkommen geheißen. Der Bundesvorsitzende war eingeladen, um über die Beitrittsmöglichkeiten des HOG-Verbandes zum Verband der Siebenbürger Sachsen zu sprechen. Die Auswertung eines Fragebogens an die HOGs präsentierte zunächst Hans Gärtner. Fazit der Umfrage: Eine stärkere Zusammenarbeit wird gewünscht. Ein Beitritt des HOG-Verbandes wird mehrheitlich gewollt, die endgültige Form muss aber noch festgelegt werden.

Dr. Bernd Fabritius wies auf die unterschiedlichen Aufgaben der beiden Verbände hin, wodurch eine Vereinnahmung des jeweils anderen gar nicht möglich sei. Der Bundesvorsitzende stellte den geplanten Rahmenbeitritt des HOG-Verbandes dar, der den kleinsten gemeinsamen Nenner aktuell beinhalte. Wichtig für die Außenwirkung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sei, dass man sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit als eine Einheit darstelle. Hierfür sei der Beitritt des HOG-Verbandes der pragmatische Weg, da der Verband der Siebenbürger Sachsen die in Jahrzehnten gewachsenen Strukturen an den neuen Wohnorten aufweise. Es folgte eine ausführliche, teils hitzig geführte Debatte.

Der Samstagabend endete mit dem „Fleken“-Essen, das die Vertreter der Regionalgruppe Burzenland durchführten und die Regionalgruppe Harbachtal und Großschenker Raum gesponsert hatte. Der Tag klang in fröhlicher Runde mit viel Musik und Gesang aus.

Der Sonntag begann mit einer Morgenandacht, gestaltet von Bischof Reinhart Guib. Der Verbandsvorsitzende Michael Konnerth verkündete seinen vorübergehenden Amtsverzicht aus gesundheitlichen Gründen. Dankesworte für die bisherige Arbeit waren verbunden mit den besten Genesungswünschen. Die Amtsgeschäfte übernehmen bis zu Konnerths Genesung die beiden Stellvertretenden Vorsitzenden Karl-Heinz Brenndörfer und Werner Henning.

Es folgte die Abstimmung darüber, ob der HOG-Verband Beitrittsverhandlungen mit dem landsmannschaftlichen Verband führen soll. Bei 60 abgegeben Stimmen votierten 52 HOGs für Beitrittsverhandlungen, acht stimmten dagegen. Somit ist der Vorstand des HOG-Verbandes beauftragt, Beitrittsverhandlungen zu führen und bei positivem Abschluss auch den Beitritt des HOG-Verbandes durchzuführen.

Die 16. Tagung der Heimatortsgemeinschaften hat gezeigt, dass die Verbindung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland zur Heimat Siebenbürgen hervorragend funktioniert, genauso aber auch die künftige verstärkte Zusammenarbeit der Landsleute in Deutschland erstrebenswert und möglich ist. Dies kann man aus gesamtsiebenbürgischer Sicht nur begrüßen. Wie es Bischof Guib treffend formuliert hat, sind wir alle aufeinander angewiesen. Die nächste Tagung des Verbandes der Heimatortsgemeinschaften findet vom 25. bis 27. Oktober 2013 erneut in Bad Kissingen statt.

Rainer Lehni


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Schlagwörter: HOG-Verband, Tagung, Verbandspolitik

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