16. März 2012

Ein Gespräch mit dem Unternehmer Axente Neagu

Traditionelle siebenbürgische Stimmung und der Glanz von „früher“ – mit diesen heutzutage seltenen Eigenschaften begegnet den Gästen der „Hermanns Hof“, ein imposantes sächsisches Haus in der Langgasse 85 in Neustadt bei Kronstadt. Das Logo und die Dekorationen an den Fenstern erinnern an die Motive der sächsischen Schreinermalerei, Zeichnungen aus dem Burzenland in sepiabraun hängen an den Wänden, hie und da grüßt ein gestickter Spruch aus alten Zeiten.
Sogar das Brot soll ab diesem Frühjahr im hauseigenen Ofen gebacken werden. Die unlängst eröffnete Speisegaststätte mit siebenbürgischer Küche wird von einem jungen Unternehmer betrieben, der sich für die nächsten zehn Jahre sehr ehrgeizige Ziele gesetzt hat: weitere Restaurant-Räumlichkeiten im Keller und Dachboden des Hauses, eine bedeckte Terrasse, ein Biergarten, Büroräume und schließlich ein Hotel im Hinterhof, wo früher die Scheune stand. Axente Neagu (Jahrgang 1979) hat in Hermannstadt das Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium besucht und das Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Hermann-Oberth-Hochschule absolviert. Den Start in den Beruf machte er bei dem Automotive-Unternehmen Compa, bevor er 2003 nach Kronstadt übersiedelte und seine Tätigkeit bei Schaeffler Rumänien begann. Gegenwärtig arbeitet er hier als Leiter im Bereich Werkzeugmanagement. Wie man Gastronomie und Industrie erfolgreich miteinander verbinden kann, erfuhr Redakteurin Christine Chiriac im Gespräch mit Axente Neagu.

Wie lautet die Vorgeschichte des Restaurants?
Im Dezember 2010 habe ich mich entschlossen, dieses Haus zu kaufen. Lange vorher war ich auf der Suche nach einem Grundstück hier in Neustadt gewesen, um ein Hotel zu bauen. Ich war dabei immer wieder an diesem Hof vorbeigefahren und irgendwann hat das Plakat „Haus zum Verkauf“ meine Aufmerksamkeit erregt. Schon beim ersten Besuch erkannte ich das Potential: ich konnte mir in den Räumen schon das funktionierende Restaurant vorstellen.
Anfangs war ich vor lauter Begeisterung etwas zu optimistisch, was die Fristen betrifft. Letztendlich erwies es sich als etwas komplizierter, nach und nach „bereicherte“ ich das ursprüngliche Projekt. Wir nahmen uns vor, ohne jedwede Improvisation zu arbeiten und das Spezifikum, die einzelnen Stilelemente des Hauses beizubehalten, d.h. nichts zu ersetzen, was erhalten und restauriert werden konnte. Irgendwann sah der Hof wie nach einem Krieg aus, man konnte ihn kaum noch erkennen.

Wann war es dann soweit für die Eröffnung?
Am 16. Dezember gab es eine Voreinweihungsparty, die wir uns vorgenommen hatten, um uns selbst bei der Arbeit eine Frist zu setzen. Alle gaben sich Mühe, soviel sie konnten – bis kurz vor der Feier waren in Haus und Hof noch fünf oder sechs Teams bei der Arbeit. Die offizielle Eröffnung fand dann am 26. Dezember statt.

Jung, aktiv, erfolgreich: Axente Neagu. ...
Jung, aktiv, erfolgreich: Axente Neagu.
Wie kam es zum Namen „Hermanns Hof“?
Zuerst unsere offizielle Story: Hermann war ein Eigentümer dieses Hauses, zur Blütezeit Siebenbürgens, als Kronstadt eine wichtige Handelsstadt war. Er war außerordentlich gastfreundlich und kochte sehr gerne – von jedem seiner vielen Gäste behielt er je ein Rezept. Er war bei allen beliebt, und wurde weit über die Grenzen Neustadts bekannt. Ein Kunde, der diese Story liest, nimmt etwas von der Stimmung mit und glaubt wahrscheinlich, dass es das Restaurant schon seit langem gibt. Mit dem Risiko, die Leser zu enttäuschen, muss ich sagen, dass dieser Hermann nur erfunden ist. Die wahre Geschichte ist ganz anders: Vor einigen Jahren organisierte ich regelmäßig Kochabende mit Freunden. An einem der Abende haben wir zu zehnt ein Brainstorming gemacht, um den Namen des Restaurants zu finden. „Hermann“ bezieht sich selbstverständlich auch auf meine Heimat Hermannstadt.

Ist „Hermanns Hof“ ein „typisch siebenbürgisches“ Restaurant?
Das entspricht unserem Hauptziel: traditionelle sächsische, rumänische, ungarische Gerichte aus dieser Gegend anzubieten. Ich muss zugeben, dass bisher nur sehr bekannte sächsische Rezepte zubereitet wurden, wir haben aber dicke Kochbücher und können noch viel dazulernen. Zurzeit wird gerade die zweite, erweiterte Version unserer Speisekarte fertig gestellt. Wir wollen ganz bewusst kein luxuriöses, „ausgefeiltes“ Haus sein, sondern eine einzigartige Speisegaststätte auf dem Lande, mit leckerem Essen, gutem Service und korrekten Preisen.

Die Gastronomie kommt eigentlich „nur“ zu deiner hauptberuflichen Tätigkeit im Schaeffler-Werk hinzu. Welche Arbeit gefällt dir besser?
Die meiste Zeit verbringe ich natürlich in der Fabrik. Als Wirtschaftsingenieur habe ich vor allem im Management, weniger im Bereich Kons­truktion gearbeitet. Ich fände es sehr schade, die bisherige sehr gute Erfahrung nicht fortzusetzen, und möchte weiterhin gerne im technischen Bereich aktiv bleiben. Andererseits macht mir auch die Gastronomie großen Spaß. Ich habe vor einigen Jahren sogar einen Kochkurs besucht - die große Leidenschaft ist aber das Business-Teil. Zum Glück muss ich nicht immer hier im Restaurant sein, die alltäglichen Aufgaben erledigen die Kollegen, ein zuverlässiges, junges Team.
„Hermanns“ sächsischer Bauernhof in der Langgasse ...
„Hermanns“ sächsischer Bauernhof in der Langgasse 85 in Neustadt.
Hast du jemals ans Auswandern gedacht?
Eigentlich nie. Viele klagen über das System, ich bin aber keinen großen Hindernissen begegnet. Das ganze Geheimnis ist, selber gute Ergebnisse und von sich selbst hohe Erwartungen zu haben. Ich kann vielleicht keine besonders guten Reden halten, ich kenne mich vielleicht weniger mit der Selbstvermarktung aus, aber bisher ist es mir gelungen, Ergebnisse zu haben. Auch an der Uni habe ich mich nie über das Bildungssystem geärgert, sondern mich auf das Lernen konzentriert.

Und trotzdem: Was würdest du hierzulande ändern?
Selbstverständlich könnte vieles besser werden. Meines Erachtens sind die ersten wichtigen Schritte in die gute Richtung gemacht. In der Verwaltung ist eine gewisse Konkurrenz entstanden, viele Bereiche funktionieren zunehmend nach dem Leistungsprinzip. Sicherlich ist die Situation im Gesundheitsbereich kritisch, aber auch da holen private Kliniken zum Teil die Mankos nach.

Hast du noch Zeit für Hobbys?
Ich kann sagen, dass alles, was ich mache, inklusive die Arbeit bei Schaeffler und hier im Restaurant, ein Hobby ist: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich anstrengen muss. Seit zwei Jahren besuche ich Tanzkurse – das ist neu und kann als „Hobby“ bezeichnet werden. Ich reise sehr gerne, ich war oft im deutschsprachigen Raum, für dieses Jahr habe ich mir London und Barcelona vorgenommen. Die alten Kirchenburgen haben mich immer fasziniert, ich könnte sagen, dass auch sie ein Hobby sind. In der Gemeinde Frauendorf, in der mein Vater geboren ist, gibt es eine sehr schöne Kirchenburg. Als Kind habe ich dort Orgel „gespielt“ – oder an der Orgel herum gespielt – so oft ich konnte.

Eine Frage, die du vielleicht erwartest: Hermannstadt oder Kronstadt?
Jetzt fühle ich mich hier zu Hause, ich habe hier Wurzeln. Vor bald zehn Jahren bin ich nach Kronstadt übersiedelt und habe die Verbindung zu den Freunden in Hermannstadt verloren – dafür aber neue Freunde in Kronstadt gewonnen. Seit einiger Zeit bin ich sogar kein „richtiger Kronstädter“ mehr, sondern Neustädter.

Vielen Dank für das Gespräch!

Schlagwörter: Interview, Unternehmer, Neustadt, Restaurant

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Neueste Kommentare

  • 16.03.2012, 10:53 Uhr von Joachim: Habe den Hermannshof letzte Woche besucht. Sehr geschmackvoll gemacht. Angenehme Farben. Der ... [weiter]

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