12. September 2012

Die Visionen des Eiswein-Königs: Nachruf auf Hans Ambrosi

Die Weinwelt trägt Trauer: Dr. Hans Ambrosi, renommierter Weinfachmann und Weinpublizist, ist am 31. August 2012 in Rüdesheim am Rhein gestorben. Der Wahl-Rheingauer, der vielen als Wein-Ikone galt, wurde 87 Jahre alt. Internationale Bekanntheit erlangte er sowohl als Direktor der Staatsweingüter Kloster Eberbach, die er von 1966 bis 1990 leitete, als auch als Autor oder Herausgeber von mehr als 50 Weinbüchern. Dazu gehören Standardwerke wie „Der deutsche Wein“ sowie die elfbändige „Vinothek der deutschen Weinberg-Lagen“. Seiner Heimat Siebenbürgen ist Dr. Hans Ambrosi bis zu seinem Tod treu geblieben.
Der Rheingauer Straußwirtschaftenführer „Wo’s Sträußche hängt, werd ausgeschenkt“, den Ambrosi Ende der 1960er Jahre gemeinsam mit der Kiedricher Heimatdichterin Hedwig Witte erarbeitete, ist in seiner Wahlheimat längst zum geflügelten Wort geworden. In zwölf Auflagen wurden mehr als 115 000 Exemplare verkauft. Kein anderes Rheingau-Buch hat auch nur annähernd so große Verbreitung gefunden.

In allen Gesprächen legte Ambrosi Wert darauf, dass ihm der Wein schon in die Wiege gelegt wurde. Am 24. Februar 1925 in Mediasch geboren, war er vinologisch vorbelastet. Er stand in dritter Generation in der Nachfolge der im siebenbürgischen Landwirtschaftsverein führenden Landwirte, Obstschulen- und Weinbau-Unternehmer der Familie Ambrosi. Nach Besuch der Volksschule und des Stefan-Ludwig-Roth-Gymnasiums in seinem Geburtsort sowie dem Abitur am Hermannstädter Brukenthal-Gymnasium war für den jungen Mann klar: „Meine berufliche Zukunft liegt in der Landwirtschaft.“ Dafür bot sich ein Studium an der Hochschule Stuttgart-Hohenheim an, das er 1951 als Diplom-Landwirt abschloss. Danach kam er nach Geisenheim zum Institut für Rebenzüchtung und Rebenveredlung, wo er bereits 1953 bei Professor Dr. Birk promovierte.
Dr. Hans Ambrosi, renommierter Weinfachmann und ...
Dr. Hans Ambrosi, renommierter Weinfachmann und Weinpublizist.
Von dort setzte er zum Sprung über die Kontinente an: Das südafrikanische Landwirtschaftsministerium suchte einen Fachmann für Weinbau, um an der Universität Stellenbosch eine Forschungsanstalt nach Geisenheimer Vorbild aufzubauen. Da sich außer Ambrosi niemand bewarb, hatte er die Stelle sicher. Aus vereinbarten sechs wurden elf Jahre, in denen sich der Siebenbürger zum Südafrikaner wandelte.

Und wieder war es ein Ministerium, das seine Lebensplanung beeinflusste; diesmal das hessische, das ihm die Verwaltung der Staatsweingüter anbot. Der damalige Landwirtschaftsminister Dr. Tassilo Tröscher soll von Ambrosis roter Nase beeindruckt gewesen sein: „Wer so eine Nase trägt, muss ein außergewöhnlicher Weinfachmann sein“, sagte Tröscher, wie eine Anekdote berichtet.

Ambrosi folgte dem Ruf in den Rheingau – und blieb. 24 Jahre leitete er den damals größten Weinbaubetrieb Deutschlands in der am besten erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlage Deutschlands. „Was will man mehr?“ erinnerte er sich zu seinem 80. Geburtstag, obwohl er eigentlich nie Beamter werden wollte und den Titel insgeheim verdrängte. Nicht verwalten war sein Ziel, sondern gestalten. Dass er dabei auch Konflikten mit seinen Dienstherren nicht aus dem Weg ging, gehört zur Vita des Verstorbenen.

„Ja, ich konnte penetrant sein“, gestand er im privaten Gespräch offen ein. Vor allem, wenn es um „sein“ Kloster Eberbach ging. In dessen Geschichte steht er fortan als einer, der nicht locker ließ, den Blick der Öffentlichkeit darauf zu lenken. Er öffnete die Pforten des ehemaligen Zisterzienserklosters, als andere die Mauern lieber verschlossen hätten, und lud dazu ein, das Kloster für Konzerte zu nutzen. Diese dienten als Probeläufe für das Rheingau Musik Festival (RMF). Michael Herrmann entwickelt daraus eines der bedeutendsten Musikfestivals der Welt. Ambrosi stand von Beginn an im Kuratorium des Festivals an seiner Seite. Aus dem Programm des Rheingau Musik Festivals und anderer Veranstalter ist Eberbach seitdem nicht mehr wegzudenken.

Bei der Gründung des Rheingauer Weinkonventes Kloster Eberbach wirkte Dr. Ambrosi ebenso engagiert mit wie bei der „German Wine Academy Kloster Eberbach“, auch die Weinversteigerungen des VdP wurden maßgeblich von ihm geprägt. Gemeinsam mit Rebenzüchter Prof. Dr. Helmut Becker, Winzer Bernhard Breuer und dem damaligen Vorsitzenden des Rheingauer Weinbauverbandes Erwein Graf Matuschka Greiffenclau hob er 1984 die Vereinigung der Charta-Weingüter aus der Taufe.

Als „Sternstunden“ bezeichnete Ambrosi gern die Wochen, in denen der französische Regisseur Jean-Jacques Annaud in den Klostermauern Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ verfilmte. Die Produktion wurde ein Riesenerfolg, noch heute wird das Werk regelmäßig im Kloster aufgeführt. Eberbach, Eberbach, Eberbach – das war es, was Ambrosi eine ganze Generation umtrieb. „Wer erst einmal vom dem Kloster begeistert ist, der wird es auch von seinen Weinen sein“, behauptete er beharrlich. Und behielt damit Recht. Pfründe, auf die seine Nachfolger bis heute aufbauen.

Sein konsequentes, mitunter auch polterndes Engagement bescherte ihm viele Auszeichnungen. Er war der erste, der den Ehrenring des Rheingau-Taunus-Kreises trug, erhielt den Hessischen Verdienstorden und das Bundesverdienstkreuz am Band. Seine Winzerkollegen ehrten ihn mit dem Silbernen Weinrömer.

Die Siebenbürger Sachsen, zu denen er zeitlebens Kontakt hielt, verliehen ihm für sein Lebenswerk bereits 2001 den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Sie würdigten damit sein außergewöhnliches Engagement für seine Heimat. Bereits 1967 wurde er Mitglied des „Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“ (AKSL), 1988 waren die Teilnehmer der AKSL-Jahrestagung in Mainz seine Gäste in Kloster Eberbach. Nach den politischen Umwälzungen in Osteuropa wirkte er unter anderem in Rumänien als Berater, wo er sich für die Einrichtung von weintouristischen Routen einsetzte. Bei der AKSL-Jahrestagung 2000 hielt er den vielbeachteten Vortrag „Mein Leben mit der Rebe“, die 50-jährige Jubiläumsfeier der Landesgruppe der Hessen der Landsmannschaft im gleichen Jahr gestaltete er aktiv mit.

„Der Rheingau“, so bekundete Ambrosi bei der Verleihung des Kulturpreises, „ist mir zum zweiten Siebenbürgen geworden, wo ich das Vermächtnis meiner Mediascher Altvorderen pflegen kann.“

Über einen Titel freute er sich besonders, obwohl er ihm nie offiziell verliehen wurde: Wenn man ihn den „Eisweinkönig“ nannte. Unter seiner Regie wurden die Staatsweingüter zum Vorreiter in Sachen Eiswein „und ich zum ungekrönten König“. Nun kann er die Krone nicht mehr tragen. Die Weinwelt hat einen Vordenker verloren, der Rheingau einen Querdenker – und die Siebenbürger einen guten alten Freund.

Wolfgang Blum

Schlagwörter: Wirtschaft, Kultur, Weinbau, Mediasch

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