1. November 2022

Aus Großprobstdorf stammende Anneliese Lipp wird Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig

Wenn man sich die Chroniken von Großprobstdorf anschaut und darin schmökert, wird man feststellen, dass dieser kleine Ort an der Großen Kokel, erstmals urkundlich erwähnt im Jahre 1331, eingebettet und einst umsäumt von fruchtbaren Obstgärten, unzähligen Weinreben und ertragreichen Ackerböden, viele bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht hat. Geboren und aufgewachsen in einer Zeit, in der das Wort „Frauenquote“ überhaupt keine Rolle spielte, jedoch die Wissbegierde der einzelnen Personen, ihr Streben nach Neuem sehr großgeschrieben wurde, haben Männer und Frauen den Werdegang wie auch das Wachsen unserer schönen Gemeinde über die Jahrhunderte geformt und geprägt.
Selbst jetzt, nachdem sich die Struktur der Dorfgemeinschaft stark verändert hat, indem sie ihren Wohnsitz verlagert hat, ist das unsichtbare Band, das zwischen Bewohnern und dem Dorf geknüpft wurde, unglaublich stark. Aus dem Schoß dieser Dorfgemeinschaft und aus der Geborgenheit der unterschiedlichsten Familien gingen viele schlaue Köpfe und fleißige Hände hervor. Sie waren Richter, Kuratoren, eine Reihe von Meistern und Weinbauern, Lehrer und Lehrerinnen, Ärzte und Ärztinnen, Diplom-Ingenieure und Physiker, Sportler, Historiker und Germanisten … kurzum, dieses Dorf entließ in die Welt viele wunderbare Menschen, auf die wir alle stolz sein können.

Im Dezember 1967 erblickte so ein wunderbarer Mensch das Licht der Welt. Als Erstgeborene von Hans und Anneliese Lipp aus der Langgasse hatte sie den Vorteil, die ganze Aufmerksamkeit und die Liebe ihrer Eltern zu genießen. Dann änderte sich ihr Status und aus dem kleinen, süßen Mädchen ihrer Eltern wurde die große Schwester, die Beschützerin und das Vorbild der kleineren Schwester Ingrid und des Bruders Andreas. Im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass sie auch viele Menschen in ihrem Umfeld, sei es im Freundeskreis, ehemaligen Klassenverband und während ihrer beruflichen Laufbahn prägen sollte. Spätestens jetzt wissen die meisten Großprobstdorfer, von wem ich spreche: Anneliese Lipp, Mutter, Tochter, Schwester, Freundin, Klassenkollegin, Nachbarin, Spielgefährtin, aber allezeit Vorbild für viele von uns.

Dr. Anneliese Lipp. Foto: Birgit Pfeiffer, ...
Dr. Anneliese Lipp. Foto: Birgit Pfeiffer, Quelle: www.ub.uni-leipzig.de/start/
In meiner Kindheitserinnerung stöbernd bemerkte ich, dass die erste Begegnung mit Anne eine ganze Weile zurück liegt. Ich schätze sie auf das Jahr 1971, mit Beginn des Kindergartens. Unsere gemeinsame Schulzeit war zwar recht kurz, jedoch war sie intensiv und voll gepackt mit Spiel, Spaß und Abenteuer – unser Facebook war in der Tat „draußen“!

Wenn wir nicht für die Schule lernen mussten, lockten uns die Straße, die Berge, die Kokel zum Baden und der Bach vor dem Haus. Nichts war uns zu weit, zu hoch, zu schwer oder zu aufwendig. Federball und Völkerball zu spielen, bis die Nacht hereinbrach, im Winter die Vorzüge eines angestauten und festgefrorenen Baches zu kennen, auf dem man wunderbar Schlittschuh laufen konnte, oder die Schlittenfahrten durch das Dorf und im „Leichengässchen“ runter, bis wir die Klamotten steif gefroren in die Ecke stellen konnten, ohne dass sie umfielen, sind Erinnerungen, die unvergesslich für uns bleiben. Eine unbeschwerte, sorgenfreie und dank unserer Eltern behütete Zeit, in der wir wirklich Kind sein durften. Wir, die Klassengemeinschaft des Jahrgangs 67/68, blicken auf eine über 50 Jahre dauernde Bekanntschaft und Freundschaft mit Anne Lipp zurück. „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende!“ – dieses sehr passende Zitat zum Lebensweg von Anne Lipp stammt vom griechischen Philosophen Demokrit – ich erhielt es jüngst von einer Klassenkollegin. Mut stand am Anfang des Handelns, seitens ihrer Eltern, als sie beschlossen, in die Bundesrepublik auszureisen. Mut stand am Anfang des Handelns, als Anneliese Lipp beschloss, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Germanistik zu studieren, danach in der Geschichtswissenschaft zu einem kulturgeschichtlichen Thema zum Ersten Weltkrieg zu promovieren.

Mut stand am Anfang des Handelns, als sie nach dem Studium als wissenschaftliche Angestellte an der Universität Tübingen sieben Jahre bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätig war, dort zunächst mit den Programmen für Sonderforschungsbereiche, DFG – Forschungszentren und mit der ersten Exzellenzinitiative sich zu befassen. Mut stand am Anfang des Handelns, als Leiterin des Förderbereichs Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme der DFG seit 2008 tätig zu sein, zu deren aktuellsten großen Projekten die Auswahl der Konsortien zum Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gehört. Mut stand ganz gewiss auch am Anfang, als es bei ihr privat eine Zeit gab, als für sie die Sonne unterging und die Welt nicht mehr die gleiche war, sie für ihre Kinder da war, ihnen Halt und Trost spendete. Dieser Mut, der sie nie verlassen hat, steht nun am Anfang ihres Handelns, einen neuen Weg einzuschlagen. Anneliese Lipp übernimmt die Direktion der Universitätsbibliothek Leipzig, sozusagen „vom Sachsenland ins Land der Sachsen“!

Mit Dr. Anneliese Lipp schreibt die Universitätsbibliothek zu Leipzig (UBL), eine der ältesten Bibliotheken in Deutschland, ab November 2022 Geschichte. Seit 1543, dem Gründungsjahr der Universitätsbibliothek, ist sie die erste Frau an der Spitze dieses ehrenwerten Hauses. Die Größe und Vielfalt der UBL mit ihren Gebäuden, ihrem einzigartigen Bücherbestand, der immens großen Sammlung an Fachliteratur, historischen Schriften, fachspezifischen Datenbanken, elektronischen Zeitschriften und Zeitungen, um nur einige zu nennen, ist atemberaubend. Um die Möglichkeit, hier tätig zu sein, ihre eigene Handschrift und ihre persönlichen, wissenschaftlichen Spuren an diesem ehrwürdigen Ort zu hinterlassen, ist Anneliese Lipp mit Sicherheit zu beneiden. Mit ihren bisher erbrachten Leistungen reiht sie sich bestens in die Ahnengalerie einer Vielzahl von Professoren, Historikern und Gelehrten ein, die dieser Bibliothek Leben eingehaucht haben und deren Renommée weit über die Grenzen der Republik reicht.

Wir wünschen Dr. Anneliese Lipp einen entspannten und guten Start am neuen Arbeitsplatz, viel Erfolg, nette Kollegen und Kolleginnen sowie eine große Portion Spaß in und mit ihrem neuen Tätigkeitsfeld!

Måuch et geaud Mëidschen, um Oingd stīht det Glaick … deng Glaick!

Henricke Gunesch

Schlagwörter: Großprobstdorf, Lipp, Leipzig, Universität, Bibliothek

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