15. April 2005

Günther Egon Ott

„Ich versuche, Brücken zwischen Ost und West zu bauen.“ Dieser Satz stammt vom Kunsthistoriker Günther Egon Ott, der in seinem bewegten Leben öfters über eine solche Brücke gehen musste und dessen Wege ihn kreuz und quer durch Europa führten. In einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung blickte der gebürtige Hermannstädter und Kölner Museumspädagoge anlässlich seines 90. Geburtstages auf ein abwechslungsreiches Berufsleben zurück und gestattete uns dabei auch sehr tiefe private Einblicke.

Geboren wurde Günther Egon Ott am 18. Januar 1915 in Hermannstadt. Seine Mutter Marie Ott, geborene Müller (1891-1970), stammte aus einer wohlhabenden Hermannstädter Familie, die aber im Ersten Weltkrieg fast alles verloren hatte. Der zweite Sohn von vier Kindern erinnert sich: „Sie war eine frohe und glückliche Frau und hatte trotz der schweren Jahre nach 1918 nie geklagt.“

Auch die Familie des Vaters Ernst Ott (1884-1953) war bereits in mehreren Generationen in Hermannstadt ansässig. Er machte Karriere als k. u. k. Offizier, so dass ihn seine Wege oft aus Siebenbürgen hinaus führten, unter anderem nach Wien zur dortigen Militärakademie. Im Zusammenhang mit einer familiären Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Sohnes erinnert sich Günther Egon Ott: „Mein Vater verlangte von uns immer Disziplin, das brachte wohl sein Beruf mit sich.“

Die große Leidenschaft der Familie Ott war die Musik: „Ein Musikinstrument zu lernen, war bei uns selbstverständlich. Und so lernte ich schon als Kind Klavier spielen. Es war ein Haus voller Musik“, erinnerte er sich weiter. Diese Leidenschaft hat sich wohl sein Leben lang erhalten, denn noch heute hört der Pensionär gerne Klavierkonzerte. Schon früh erwachte in ihm auch das Interesse an der Malerei und Bildhauerei. Schuld daran war ein Hobby des Vaters. Er war unter anderem Opernregisseur des Hermannstädter Gesangvereins „Hermania“ und schon in jungen Jahren bezog er seine Kinder in die künstlerische Gestaltung der Kulissen für die Aufführungen mit ein. Überhaupt erinnert sich Günther Egon Ott noch sehr gut an seine ersten Ausflüge in die Malerei. Mit einem Augenzwinkern und als weiteren Beleg für die großen finanziellen Verluste der Familie erzählt er folgende Anekdote: „Die Aktien von wertlos gewordenen Firmenanteilen meiner Mutter hatten auch etwas Gutes. Ich konnte die Rückseite dieser großen Papiere noch lange als Leinwand für meine Bilder benutzen.“

So geprägt, besuchte er von 1921 bis 1925 zuerst die Grundschule in Hermannstadt, um dann ans Evangelischen Gymnasium, die Brukenthalschule, zu wechseln. Dort kam es zu einem weiteren Schlüsselerlebnis. Als 15-jähriger Schüler gewann er Ostern 1930 den ersten Preis bei der II. Sächsischen Schülerolympiade für Zeichnen und Malen. Günther Egon Ott erinnert sich mit einem Lächeln: „Ich weiß noch, wie ich mit stolz geschwellter Brust auf die Bühne geschritten bin. Alle mussten mich anschauen, vor allem die Mädchen der Schule, die für uns damals durchaus nicht uninteressant waren.“ In der Jury saß auch die expressionistische Künstlerin Grete Csaky-Copony. An die erste künstlerische Auszeichnung des Gymnasiasten erinnert eine Schleife, die heute in seiner Wohnung in Köln-Braunsfeld hängt. Bei der darauf folgenden Olympiade konnte er noch mal mit einem dritten Platz seine hervorragende Leistung bestätigen. Und trotzdem, so ganz ohne Kritik kommt der damalige Lehrkörper dann doch nicht weg. Ott: „Man hat uns zwar Kunstunterricht erteilt, aber nicht so richtig an die Kunst herangeführt!“ Auch musste der Vater einmal für die Versetzung in eine Parallelklasse sorgen, da die Qualität des Unterrichts teilweise sehr zu wünschen übrig ließ. Schließlich legte er erfolgreich die Reifeprüfung in Schäßburg ab.

Wie es nun weitergehen sollte, entschied eine Art Familienrat, natürlich mit dem Vater an der Spitze. „Es gab für mich die Möglichkeit, auf die Kunstakademie nach Klausenburg zu gehen, wie es viele meiner Landsleute in Siebenbürgen taten. Mich aber zog es nach Bukarest mit seinem internationalen Flair. Viele Künstler mit nationalem und europäischem Rang waren dort zu Hause. Mein Vater verlangte im Gegenzug für sein Einverständnis jedoch absolute Disziplin beim Erlangen des entsprechenden Abschlusses.“

Nach vier Jahren Akademie der Bildenden Künste erfolgte noch ein kleines Intermezzo: „Ich musste 1936 meinen einjährigen Pflichtdienst bei der Armee ableisten. Zum Glück wurden die Akademiker nur für ein Jahr zum Militär herangezogen.“ Überhaupt war Günther Egon Ott kein Militarist, sondern eher das Gegenteil. Eine Verlegung weit weg aufs Land konnte ein Schwager seines Vaters verhindern, der eine hohe Position in der Militärhierarchie bekleidete. Auch schlief er in der Zeit weiter in einem Bukarester Museum, wo er in der Zwischenzeit als Assistent arbeitete: „Mein Unteroffizier bekam halt einen Anteil meines kargen Wehrsoldes.“ So konnte sich der Künstler Ott ganz auf seinen Studiengang konzentrieren und schloss 1938 diesen mit einem Diplom als Maler und Kunstpädagoge ab. Parallel dazu studierte er 1934 bis 1939 Kunstgeschichte und begegnete dort seinem Mentor Professor George Oprescu, der ihm die Stelle als Museumsassistent im Städtischen Museum „Toma Stelian“ verschaffen sollte.

Auch als Journalist war Ott in den 1930er-Jahren tätig. Bereits 1932 verfasste er Beiträge für die siebenbürgisch-deutsche Presse. 1934 arbeitetet er dann als Kunstkritiker bei der „Bukarester Post“ und dem „Bukarester Tageblatt“. Sein Lebensabschnitt im südosteuropäischen Teil des Kontinents endet am 13. Dezember 1939, als er durch ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität München seine Ausbildung fortsetzen sollte.

Doch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges holten auch Günther Egon Ott ein, denn bereits im Juli 1940 wurde er von der Deutschen Wehrmacht eingezogen. Die Wirren des Krieges führten ihn in die Niederlande, nach Frankreich, Jugoslawien und Russland. Ott erinnert sich an grausame Ereignisse während des Krieges: „Einmal waren vor uns Flammenwerfer, da verbrannten dann die Soldaten bei lebendigem Leib, es war schrecklich.“ Beim Rückzug von der Ostfront schlug er sich mit ein wenig Glück bis nach Norddeutschland durch. „Ich hatte den Befehl, eine kleine Truppe mit zwölf Leuten nach Hamburg zu führen. Obwohl man uns aufhalten wollte, haben wir es geschafft.“ Ott erinnert sich noch, wie er später seine Waffe wegwarf, doch es half nichts: Er geriet in britische Gefangenschaft, aus der er erst 1946 entlassen wurde. Wie für viele Millionen Menschen war der Zeitraum von 1939 bis 1945 eine prägende Zeit, die auch in Ott Spuren hinterlassen hat: „Ich wünsche unseren Kindern, dass sie nie wieder Krieg erleben müssen“, mahnt er eindringlich.

Von Hamburg aus verschlug es ihn dann zu seiner Schwester nach Wuppertal ins schöne Bergische Land. Diese hatte sich in Hermannstadt in einen Soldaten verliebt, um ihm später nach Westdeutschland zu folgen. Ott: „Ich erinnere mich noch, wie mich eine Schwägerin der Schwester in Vohwinkel aufnahm. Ich habe dann dort bei der Westdeutschen Rundschau als freier Kunstkritiker wieder anfangen können.“ Doch zum Leben reichte diese Tätigkeit nicht, er musste sich drei Jahre als Arbeiter in einer Gärtnerei Geld hinzuverdienen.

Sein privates Glück fand Ott übrigens auch im Westen. Durch seine Schwester lernte er Ursula Picht (*1924) kennen. Sie war die Tochter eines Architekten in Hagen, die er im Jahr 1951 heiratete. Seine Frau erinnert sich an die Wohnungssuche nach dem Krieg: „Wir haben hier Glück gehabt. Durch meinen Vater konnten wir uns im Prinzip eine Wohnung aussuchen.“ Die beiden wechselten nun ihren Lebensmittelpunkt nach Köln. In der rheinischen Metropole begann dann auch die eigentliche Karriere von Günther Egon Ott. Am Kaiserin-Theophanu-Gymnasium begann er 1949 als Referendar, wo er es bis zum Oberstudienrat brachte. Nachdem er sich als Kunstpädagoge über seinen normalen Schuldienst hinaus einen Namen gemacht hatte, kam es dann am 1. Mai 1965 zu einer Berufung, die den Rest seines Berufslebens entscheidend prägen sollten. Er wurde Gründungsdirektor des Außenreferates der Kölner Museen und damit zu einem Pionier in der deutschen Kunst- und Museumsgeschichte der Nachkriegszeit. Es war das erste Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik in der Bundesrepublik Deutschland. Ott erinnert sich, wie sein damaliger Förderer und Freund Kurt Hackenberg, der seines Zeichens auch Kulturdezernent in Köln war, ihm diese Chance eröffnete: „Er sagte zu mir, er hätte eine wunderbare Aufgabe für mich, jedoch wisse er noch nicht, wie er mich bezahlen solle.“ Bis zu seiner Pensionierung am 1. Februar 1978 wirkte er in diesem und einigen anderen Ämtern und wurde so eine der maßgeblichen und einflussreichsten Persönlichkeiten in der internationalen Museumslandschaft. Beleg für diese Tatsache ist unter anderem die Verleihung zahlreicher Auszeichnungen. 1972 wurde ihm das Offizierskreuz des Verdienstordens (Cavaliere Ufficiale) der Republik Italien in Anerkennung seiner Verdienste um die Vermittlung der römischen und italienischen Kunst und Kultur zugesprochen, 1978 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Seine Verdienste und Aktivitäten zur weltweiten Völkerverständigung im Kulturbereich sind ungezählt und doch ist er im privaten Umfeld ein bescheidener Mensch geblieben. Noch heute mit über 90 Jahren lässt ihn aber die aktuelle Kulturpolitik nicht so ganz kalt. Scharf kritisiert er beispielsweise die Kooperation des Museum Ludwig, eines renommierten Kunsttempels am Rhein, mit dem ortansässigen Schokoladenmuseum: „Ein Kölner Dom aus Schokolade, das ist doch Kitsch und keine Kunst! Ich bin gegen diese Art der Präsentation.“ Auch fordert er wieder eine einheitliche Führung aller wichtigen Kölner Museen unter städtischer Regie.

Kontakte nach Siebenbürgen – und hier schließt sich der Kreis – werden jedoch immer seltener. „Ich kann in meinem Alter leider nicht mehr reisen, aber ich habe mich über die vielen Briefe zu meinem 90. Geburtstag gefreut.“ Noch bis heute haben ihn seine ehemaligen Schüler, etwa Mary Bauermeister, nicht vergessen, und das nicht zu Unrecht, denn Günther Egon Ott ist ohne Übertreibung einer der ganz großen Siebenbürger Sachsen.

Norbert Bangert

Schlagwörter: Porträt, Kultur

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