17. April 2009
Karin Streit: Engagiert am Himalaya
Ein herausragendes Beispiel einer Siebenbürgerin, die sich international engagiert, ist die 1954 in Hermannstadt geborene Dr. Karin Streit. Am Viktualienmarkt, im Herzen Münchens, betreibt sie eine gutgehende Zahnarztpraxis. Ehrenamtlich leitet sie mit großem sozialen Engagement das „Dental-Health-Program“ des Vereins „Kinder des Himalaya e.V.“. Sie organisiert den freiwilligen Einsatz von Zahnärzten während der Sommermonate in Leh, der Hauptstadt von Ladakh in Nordindien. In den Sommermonaten ist sie selbst unterwegs im Himalaya, um Menschen in entlegenen Bergdörfern zu versorgen, eine Arbeit, die ihr besonders am Herzen liegt. Das folgende Interview mit der Hermannstädterin führte Ina-Maria Maahs.
Wie und wann sind Sie nach Deutschland gekommen?
Am 29. Februar 1976. Ein Schaltjahr! Damals war ich 20 Jahre alt und bin direkt von Hermannstadt nach München gezogen. Ich war vorher noch nie von zu Hause weg und dementsprechend überwältigt und auch verängstigt. Da mein rumänisches Abitur in Deutschland nur als Fachabitur anerkannt wurde, musste ich erst einmal die allgemeine Hochschulreife erlangen. Dafür ging ich ein Jahr nach Würzburg, bevor ich hier in München das Studium begann.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Zahnärztin zu werden?
Um den Menschen besser „auf den Zahn fühlen zu können“ (lacht). Mir war schon immer klar, dass ich im medizinischen Bereich arbeiten will. Allerdings war es eigentlich immer mein Traum, Allgemeinmedizinerin zu werden. Doch dadurch, dass ich hier erst das Abitur wiederholen musste, war ich mittlerweile so alt, dass ich mir in dem Moment ein kürzeres Studium gewünscht habe. Heute wäre ich sehr gerne auch Allgemeinärztin.
Viele Menschen in Deutschland engagieren sich sozial, indem sie Geld spenden. Sie fahren ins Himalaya-Gebirge und packen direkt mit an. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich aktiv zu engagieren?
Es war schon immer mein Wunsch, mich aktiv sozial zu engagieren! Aber erst, wenn man finanziell abgesichert ist, hat man auch die Möglichkeit dazu. Man zahlt ja letztlich seine Einsätze selbst und die sind mit nicht geringen Kosten verbunden. Außerdem muss man, was viel wichtiger ist, die Möglichkeit haben, auch längere Zeit weg zu sein. Das hat einfach seine Zeit gebraucht und ich konnte erst vor drei Jahren mit meinem Einsatz in Ladakh beginnen.
Welche Rolle spielt Ihre siebenbürgische Herkunft für Ihr soziales Engagement?
Ich weiß nicht, ob meine Herkunft dabei eine große Rolle spielt. Ich bin sehr viel in der Welt herumgekommen und habe entsprechend viel gesehen. Das hat mich alles sehr geprägt. Dennoch hat meine siebenbürgische Herkunft eine große Bedeutung für mein Engagement. Sie macht mir diese Einsätze sehr viel leichter. Zum einen war ich auch in Siebenbürgen oft in den Bergen, zum anderen habe ich dort gelernt, sehr einfach, sehr karg zu leben. Mir macht es nichts aus, wenn ich kein riesiges Badezimmer habe. Obwohl, das liebe ich schon! (lacht) Wenn ich zurückkomme, lege ich mich als Erstes eine Stunde in die Badewanne.
Warum engagieren Sie sich gerade in Ladakh? Was ist an dieser Region besonders?
1994 war ich das erste Mal in Ladakh. Und ich war begeistert! Die Ladakhi sind Buddhisten und die buddhistischen Menschen liegen mir einfach, ich fühle mich ihnen sehr verbunden. Ladakh liegt an der Grenze zu Tibet, wo es, bedingt durch die Popularität des Dalai Lama, schon sehr viele Hilfsprojekte gibt. Die Ladakhi sind die Glaubensbrüder der Tibeter, sind aber kaum bekannt. Indien ist für die meisten Menschen nur das tropische Indien. Dass es auch ein trockenes, kaltes Indien im Himalaya gibt, ist den meisten nicht bekannt. Es ist sozusagen ein Hilfsprojekt für ein unbekanntes Volk. Das Gebiet liegt in der Nähe mehrerer Krisenregionen, z.B. dem Kaschmir-Gebiet. Haben Sie keine Angst vor terroristischen Überfällen, Geiselnahmen oder Ähnlichem?
1995 wurden in der Kaschmir Region fünf europäische Studenten entführt, darunter auch ein Deutscher, Ein Norweger wurde tot aufgefunden, die anderen gelten bis heute als verschollen. Und vor zwei Jahren gab es in einem Dorf, Bodkharbhu, in dem ich regelmäßig arbeite, einen brutalen Übergriff durch eine Gruppe muslimischer Männer. Trotzdem fühle ich mich dort sicher. Das ist aber natürlich ein subjektives Empfinden. Für mich gibt es ganz andere Probleme, die die ich als bedrohlich empfinde. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen dort oben einen furchtbaren Durchfall, der sie schwächt, oder Sie haben Probleme mit der Höhe und können nicht schnell genug runter kommen oder in ein Sauerstoffzelt gebracht werden. Ich bin manchmal tagelange Fußmärsche von der Hauptstadt entfernt.
Wie läuft ein Zahnarztbesuch in Ladakh ab?
Der Zahnarztbesuch in Ladakh ist genau umgekehrt wie der in Deutschland. Dort kommt der Zahnarzt zu den Patienten. Meistens ist der verfügbare Raum zu dunkel. Mein Behandlungszimmer ist deshalb im Freien! Der Behandlungsstuhl ist ein einfacher Plastikstuhl. Die Einwohner wissen immer ganz genau, wo, wer in welchem Dorf Zahnschmerzen hat. Die Leute kommen dann aus ihren Orten zu uns und nehmen dafür oft Stundenmärsche durch die Berge in Kauf. Eine zahnmedizinische und medizinische Versorgung ist unbekannt. In Leh, der Hauptstadt, ist eine Klinik. Die Verhältnisse dort sind einfach und leider sehr, sehr schmutzig.
Was ist Ihr nächstes großes Ziel?
Der Aufbau einer gesicherten zahnmedizinischer Versorgung in Ladakh und die Projektfortsetzung durch ladakhische Zahnärzte. Wir planen nicht, dort zu bleiben. Es gibt noch an so vielen Orten so viel zu tun! Und das im gesamten medizinischen Bereich. Daher versuche ich dieses Jahr, einen Augenarzt und einen Internisten für unser Projekt zu begeistern. Noch mangelt es an allen Ecken und Enden an medizinischer Versorgung.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Am 29. Februar 1976. Ein Schaltjahr! Damals war ich 20 Jahre alt und bin direkt von Hermannstadt nach München gezogen. Ich war vorher noch nie von zu Hause weg und dementsprechend überwältigt und auch verängstigt. Da mein rumänisches Abitur in Deutschland nur als Fachabitur anerkannt wurde, musste ich erst einmal die allgemeine Hochschulreife erlangen. Dafür ging ich ein Jahr nach Würzburg, bevor ich hier in München das Studium begann.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Zahnärztin zu werden?
Um den Menschen besser „auf den Zahn fühlen zu können“ (lacht). Mir war schon immer klar, dass ich im medizinischen Bereich arbeiten will. Allerdings war es eigentlich immer mein Traum, Allgemeinmedizinerin zu werden. Doch dadurch, dass ich hier erst das Abitur wiederholen musste, war ich mittlerweile so alt, dass ich mir in dem Moment ein kürzeres Studium gewünscht habe. Heute wäre ich sehr gerne auch Allgemeinärztin.
Viele Menschen in Deutschland engagieren sich sozial, indem sie Geld spenden. Sie fahren ins Himalaya-Gebirge und packen direkt mit an. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich aktiv zu engagieren?
Es war schon immer mein Wunsch, mich aktiv sozial zu engagieren! Aber erst, wenn man finanziell abgesichert ist, hat man auch die Möglichkeit dazu. Man zahlt ja letztlich seine Einsätze selbst und die sind mit nicht geringen Kosten verbunden. Außerdem muss man, was viel wichtiger ist, die Möglichkeit haben, auch längere Zeit weg zu sein. Das hat einfach seine Zeit gebraucht und ich konnte erst vor drei Jahren mit meinem Einsatz in Ladakh beginnen.
Welche Rolle spielt Ihre siebenbürgische Herkunft für Ihr soziales Engagement?
Ich weiß nicht, ob meine Herkunft dabei eine große Rolle spielt. Ich bin sehr viel in der Welt herumgekommen und habe entsprechend viel gesehen. Das hat mich alles sehr geprägt. Dennoch hat meine siebenbürgische Herkunft eine große Bedeutung für mein Engagement. Sie macht mir diese Einsätze sehr viel leichter. Zum einen war ich auch in Siebenbürgen oft in den Bergen, zum anderen habe ich dort gelernt, sehr einfach, sehr karg zu leben. Mir macht es nichts aus, wenn ich kein riesiges Badezimmer habe. Obwohl, das liebe ich schon! (lacht) Wenn ich zurückkomme, lege ich mich als Erstes eine Stunde in die Badewanne.
Warum engagieren Sie sich gerade in Ladakh? Was ist an dieser Region besonders?
1994 war ich das erste Mal in Ladakh. Und ich war begeistert! Die Ladakhi sind Buddhisten und die buddhistischen Menschen liegen mir einfach, ich fühle mich ihnen sehr verbunden. Ladakh liegt an der Grenze zu Tibet, wo es, bedingt durch die Popularität des Dalai Lama, schon sehr viele Hilfsprojekte gibt. Die Ladakhi sind die Glaubensbrüder der Tibeter, sind aber kaum bekannt. Indien ist für die meisten Menschen nur das tropische Indien. Dass es auch ein trockenes, kaltes Indien im Himalaya gibt, ist den meisten nicht bekannt. Es ist sozusagen ein Hilfsprojekt für ein unbekanntes Volk. Das Gebiet liegt in der Nähe mehrerer Krisenregionen, z.B. dem Kaschmir-Gebiet. Haben Sie keine Angst vor terroristischen Überfällen, Geiselnahmen oder Ähnlichem?
1995 wurden in der Kaschmir Region fünf europäische Studenten entführt, darunter auch ein Deutscher, Ein Norweger wurde tot aufgefunden, die anderen gelten bis heute als verschollen. Und vor zwei Jahren gab es in einem Dorf, Bodkharbhu, in dem ich regelmäßig arbeite, einen brutalen Übergriff durch eine Gruppe muslimischer Männer. Trotzdem fühle ich mich dort sicher. Das ist aber natürlich ein subjektives Empfinden. Für mich gibt es ganz andere Probleme, die die ich als bedrohlich empfinde. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen dort oben einen furchtbaren Durchfall, der sie schwächt, oder Sie haben Probleme mit der Höhe und können nicht schnell genug runter kommen oder in ein Sauerstoffzelt gebracht werden. Ich bin manchmal tagelange Fußmärsche von der Hauptstadt entfernt.
Wie läuft ein Zahnarztbesuch in Ladakh ab?
Der Zahnarztbesuch in Ladakh ist genau umgekehrt wie der in Deutschland. Dort kommt der Zahnarzt zu den Patienten. Meistens ist der verfügbare Raum zu dunkel. Mein Behandlungszimmer ist deshalb im Freien! Der Behandlungsstuhl ist ein einfacher Plastikstuhl. Die Einwohner wissen immer ganz genau, wo, wer in welchem Dorf Zahnschmerzen hat. Die Leute kommen dann aus ihren Orten zu uns und nehmen dafür oft Stundenmärsche durch die Berge in Kauf. Eine zahnmedizinische und medizinische Versorgung ist unbekannt. In Leh, der Hauptstadt, ist eine Klinik. Die Verhältnisse dort sind einfach und leider sehr, sehr schmutzig.
Was ist Ihr nächstes großes Ziel?
Der Aufbau einer gesicherten zahnmedizinischer Versorgung in Ladakh und die Projektfortsetzung durch ladakhische Zahnärzte. Wir planen nicht, dort zu bleiben. Es gibt noch an so vielen Orten so viel zu tun! Und das im gesamten medizinischen Bereich. Daher versuche ich dieses Jahr, einen Augenarzt und einen Internisten für unser Projekt zu begeistern. Noch mangelt es an allen Ecken und Enden an medizinischer Versorgung.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Schlagwörter: Medizin, Soziales
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