27. Januar 2007

Jungakademiker erforschen Kulturgeschichte Siebenbürgens

Genau 20 Jahre nach ihrer Konstituierung fand in der Woche zum Jahreswechsel die 21. Siebenbürgische Akademiewoche von Studium Transylvanicum unter dem Titel „Kulturgeschichte Siebenbürgens“ statt. Das Tagungsprogramm vom 27. Dezember bis zum 2. Januar im bayerischen Morsbach bei Eichstätt bereicherte die Neujahrsfeierlichkeiten. Den Schwerpunkt bildeten diesmal Themen aus den Bereichen Kunst- und Kulturgeschichte.
Unter den zahlreichen neuen Teilnehmern waren in diesem Jahr auch erfreulich viele aus Siebenbürgen angereist. Im hellen, modernen Selbstversorger-Freizeitheim wurden alle Ankommenden von einem perfekt eingespielten Logistik-Team begrüßt: Jürgen Binder, Katja Lasch und Thomas Șindilariu.

Den Reigen der Referate eröffnete am 28. Dezember Dr. Irmgard Sedler (Kornwestheim), die über die Anfänge moderner Malerei in Siebenbürgen im Spiegelbild neuer gesellschaftlicher Befindlichkeiten sprach. Als Vergleichsgrößen hatte sie die Städte Nágybanya und Kronstadt ausgewählt. Das ausgezeichnete Bildmaterial, das den Vortrag illustrierte, unterstrich die Aussage, dass sich siebenbürgische Maler gleichzeitig als Europäer und Siebenbürger verstanden.

Einblicke in die „Agri-Kultur“ der Siebenbürger Sachsen gab Birgit Fleischer (Klitten). Ihr Vortrag vermittelte ein Bewusstsein für die engen Zusammenhänge zwischen der Kulturgeschichte und den landwirtschaftlichen Entwicklungen in Siebenbürgen. Uwe Konst (Mainz) bilanzierte in seinem Referat über den EU-Beitritt Rumäniens den mühsamen Reformprozess der vergangenen Jahre und entwarf insgesamt ein positives Bild der rumänischen Wirtschaftstransformation. Im vierten Beitrag stellte Silvia Popa (Marburg/ Kronstadt) den Tugendzyklus in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt vor. Es gelang ihr, die zehn Tugendtafeln des Schneidergestühls plastisch vor Augen zu führen.

Strategie für den Umgang mit Kirchenburgen

Tags darauf referierte Dr. Zsuzsanna Möller-Török (Budapest) über Landeskundevereine in Siebenbürgen im 19. Jahrhundert und ging dabei besonders auf konkurrierende Wissenschaftstraditionen der Ungarn, Deutschen und Rumänen im soziopolitischen Umfeld ein. Tiberiu C. Clujeanu (Bukarest) sprach über sächsische, ungarische und rumänische Landeskundevereine in Siebenbürgen vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zu ihrer Auflösung und stellte damit die Relevanz der Landeskundevereine in das Licht der jüngeren Vergangenheit. Am Nachmittag wurden zwei kunsthistorische Beiträge geboten. Dr. Helga Fabritius (Dalheim) stellte das theologische Programm und die Historiographie der Wandmalereien in der Honigberger Kapelle vor. Sie zeigte dem Auditorium Bilder, die in Honigberg aus konservatorischen Gründen momentan nicht öffentlich zugänglich sind. Dr. Gabriele Mergenthaler (Bad Münster am Stein) lieferte in ihrem Vortrag eine denkmalpflegerische Bestandsaufnahme der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und dokumentierte sie durch sehr gutes Bildmaterial. Abhängig von ihrem Erhaltungszustand, stellte sie Strategien für den zukünftigen Umgang mit ihnen vor.

Den Kommunismus mit Humor und Ironie präsentiert

Am 30. Dezember zeigte Dr. Peter Hügel (Arad), Leiter des archäologischen Museums in Arad, bemerkenswerte Funde und Fundstätten der letzten Jahre. Sein Vortrag konzentrierte sich auf monastische Einrichtungen des 11. bis 16. Jahrhunderts und bestach durch seine ausgezeichnete Bildpräsentation mit vielen sommerlichen Überflugaufnahmen. Uwe Hienz (Augsburg) referierte über den Mühlbacher Altar, den größten erhaltenen Flügelaltar Siebenbürgens. Einen thematisch ganz anderen Akzent setzte der Beitrag von Daniel Ursprung (Zürich) über Personenkult im Ceaușescu-Regime, mit Filmsequenzen vom Parteitag der Kommunistischen Partei Rumäniens im Jahre 1979. In der anschließenden Diskussion präsentierten Teilnehmer Beispiele zur Rolle von Humor und Ironie in der Zeit des kommunistischen Regimes in Rumänien.

Neben den Vorträgen gab es eine von Heinrich Kraus (Mainz) geführte Wanderung zu einer Burgruine in der näheren Umgebung. An den Abenden standen neben den beliebten Tischfußballturnieren auch diverse Arbeitsgemeinschaften auf dem Programm. Dr. Meinolf Arens (München) führte in unkonventioneller Weise in die Geschichte und Landeskunde Siebenbürgens ein. Thomas Șindilariu (Kronstadt) scharte einen Kreis um sich, der eine Übersetzung des Spiels „Inquisitio Transylvanica“ ins Rumänische vorbereitete. Agnes Simon (Klausenburg) bot mit großem pädagogischem Geschick eine humorvolle Einführung in die Geheimnisse der ungarischen Sprache an. Hinsichtlich der Gestaltung des Silvesterabends entschieden sich die Teilnehmer diesmal für eine Art „Sabbatjahr“. Auf den traditionellen Sketch zum Jahresausklang musste aber trotz „sabbatical“ niemand verzichten: Dr. Gerald Volkmer (Wiesbaden) entfaltete bei der Versteigerung des Bücherangebots ein einträgliches literarisches Feuerwerk von nicht geringem Unterhaltungswert, ehe man zur stimmungsvollen Silvesterfeier überging.

Neulinge wurden herzlich aufgenommen

Als besonders positiv soll am Ende dieses Berichts nochmals hervorgehoben werden, dass die langjährigen Teilnehmer der Akademiewoche sich sehr offen und herzlich allen neu Dazugekommenen zuwandten. Die Siebenbürgische Akademiewoche erwies sich als ein dynamischer Kreis, der an neuen Initiativen und Aktivitäten großes Interesse hat und eine Plattform für alle bietet, die sich in die Arbeit von Studium Transylvanicum ganz praktisch einbringen möchten. Nähere Informationen zum offenen Kreis Studium Transylvanicum liegen auf folgender Internetseite bereit: www.siebenbuergen-institut.de/sembl/st-haupt.htm. Vielen Dank nochmals allen, die zum Gelingen der Woche beigetragen haben!

Karin Böllmann

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2007, Seite 11)

Schlagwörter: Kulturspiegel, Studium Transylvanicum, Landeskunde, Jugendinitiativen

Bewerten:

2 Bewertungen: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.