18. August 2022

Empfehlenswertes Reisehandbuch und landeskundliches Werk über Rumänien

Birgit van der Leeden bietet weit mehr als ein Reisehandbuch. Ihr Buch stellt darüber hinaus ein landeskundlich umfassendes und ganzheitlich orientiertes Werk dar, das sich stützt auf sorgfältig recherchierte Beobachtungen der Autorin und auf umsichtige Auswertungen von Informationen über das vielschichtige und geradezu paradoxe Land, und zwar von Informationen, die gewonnen wurden aus bereits vorhandener Literatur über Rumänien, aus Statistiken, aus Berichten in Zeitungen, Zeitschriften und anderen Quellen.
Die Autorin erschließt das Land auf eine vielseitige Weise, indem sie in den einzelnen Kapiteln des Buches den Reichtum Rumäniens an Natur und Kultur darstellt sowie die ökonomischen, politischen und sozialen Probleme beleuchtet. Die angesprochenen Inhalte werden durch zahlreiche Fotos veranschaulicht.

Im 1. Kapitel des Buches, „Kontrastreicher Naturraum besonderer Schönheit“, werden die naturräumliche Gliederung, das Klima sowie die Pflanzen- und die Tierwelt behandelt. Dabei wird die Vielfalt der Landschaften (Gebirge, Hügelländer, Ebenen) unter Berücksichtigung der Bodenschätze, der Bodengüte für die landwirtschaftliche Nutzung und der hydrographischen Verhältnisse beschrieben.

Das 2. Kapitel ist der Entwicklung von Städten und ländlichen Räumen gewidmet, wobei die Bedeutung des Naturraumes für diese Entwicklung berücksichtigt wird. Die Ausführungen werden regional differenziert nach Nordrumänien (Bukowina und Maramuresch), Siebenbürgen, dem Osten und Südosten (einschließlich Donaudelta), dem Metropolraum Bukarest sowie dem südlichen Donauraum (Muntenien), dem Südwesten (Oltenien) und dem Westen (Banat und nördlich angrenzende Gebiete).

Das 3. Kapitel befasst sich mit den Lebensbedingungen der Wohnbevölkerung. Eingeführt wird in dieses Kapitel mit Beobachtungen über die teilweise sehr problematischen Einkommensverhältnisse, über die tatsächliche und die zugeschriebene Mentalität der Bevölkerung sowie über Vorurteile dem Land gegenüber.

Im 4. Kapitel werden Abwanderung und Arbeitsmigration analysiert. Das sind die sozialen Hauptprobleme des Landes spätestens seit der politischen Wende um 1990. Bei der Abwanderung bzw. Auswanderung handelt es sich vor allem um die Aussiedlung Rumäniendeutscher (hauptsächlich nach Deutschland) und um die Arbeitsmigration insbesondere nach Spanien und Italien, etwas weniger nach Deutschland.

Im 5. Kapitel wird die Geschichte des Landes seit der Zeit der Daker bis zum heutigen rumänischen Staat skizziert, und zwar nach den großen Regionen des Landes. Birgit van der Leeden geht dabei auf die politischen und militärischen Mächte sowie auf die zahlreichen Ethnien und Volksgruppen ein, die in der Geschichte des Landes eine Rolle spielten. Wegen seiner bewegten Geschichte lässt sich Rumänien als ein Übergangs- und Durchzugsgebiet kennzeichnen. Besondere Beachtung erfährt in diesem Kapitel die Zeit seit der Bildung des rumänischen Staates nach dem 1. Weltkrieg bis zur Ära des sozialistischen Diktators Ceauşescus und zur heutigen parlamentarischen Demokratie, die immer noch stark deren Nachwirkungen geprägt ist. So geht die Autorin folgerichtig im 6. Kapitel unter dem Titel „Quo vadis, România?“ der Frage nach, wie es weitergehen soll. Unter den größten Problemen des Landes wird dabei der Fokus auf die Korruption gelegt. Gegenstand des 7. Kapitels ist Rumänien als multiethnischer Großraum. Vor allem Geschichte und Gegenwart der Roma-Minderheiten, der Ungarn und Szekler, der Deutschen und der Juden werden studiert.

Im 8. Kapitel konzentriert sich die Autorin auf die Wirtschaft. Typisch für Rumänien sei ein Nebeneinander von antiquierten und modernen, zurückgebliebenen und neuen, fortschrittlichen Bereichen und Sachverhalten. Die Aufmerksamkeit der Leserschaft wird besonders auf das regional disparitäre Wachstum der Wirtschaft sowie auch auf Abhängigkeiten Rumäniens vom Ausland (von Deutschland, Ungarn, Österreich, den Niederlanden und anderen Ländern) gelenkt. Die Probleme des Massentourismus, der die Ursprünglichkeit und die Besonderheit von Natur und Kultur zerstören kann, werden deutlich angesprochen.

Im 9. Kapitel geht es um die sehr problematischen Verkehrsverhältnisse des Landes, die differenziert werden nach den Netzen der Straßen und der Eisenbahn, den Flugverbindungen, den Donaubrücken und dem Fährverkehr, dem öffentlichen Nahverkehr und dem Fahrradverkehr sowie dem Verhalten von Fußgängern.

Unter der Frage „Erwachendes Umweltbewusstsein?“ beschäftigt sich die Autorin im 10. Kapitel mit Umweltproblemen, vor allem mit der Luft- und Gewässerverschmutzung, mit dem Einsatz veralteter Techniken im Bergbau und den Protestaktionen dagegen sowie mit illegaler Abholzung und der Rolle ausländischer Firmen, einheimischer Personen und Gruppen, die davon profitieren. Es werden aber auch hoffnungsvolle Projekte des Naturschutzes angesprochen.

Allseits werde in Rumänien das Bildungswesen beklagt, so äußert sich die Autorin im 11. Kapitel, in dem sie das Schulwesen, die Hochschulausbildung und die berufliche Bildung differenziert analysiert und charakterisiert. Themen des abschließenden 12. Kapitels sind die im Allgemeinen starken religiösen Bindungen der rumänischen Bevölkerung, die Bedeutung von Ritualen sowie die Koch- und Handwerkskunst.

In einem umfangreichen Anhang werden Persönlichkeiten aus dem Bereich der Kultur vorgestellt, d. h. aus Literatur, Theater und Film, Musik und Bildender Kunst. Eine Art Zusammenfassung des ganzen Buches gibt die Autorin in einem im März 2022 verfassten Nachwort. Die letzten Seiten des Buches enthalten 1. eine Liste mit Ortsnamen, für die es neben der rumänischen auch die deutsche und ungarische Bezeichnung gibt, 2. ein Verzeichnis benutzter Quellen und Literatur und 3. eine Karte Rumäniens, in der Regionen, Orte und Sehenswürdigkeiten genannt sind, die im Buch vorkommen.

Es ist sicherlich sehr verdienstvoll, dass als Belege für Aussagen im Buch neben dem Literatur- und Quellenverzeichnis mehr oder weniger zahlreiche Fußnoten in allen zwölf Kapiteln und auch im Anhang enthalten sind. In den Fußnoten werden Aussagen des laufenden Textes durch Hinweise auf Literatur, Statistiken und andere Quellen belegt bzw. durch kurze Erläuterungen verdeutlicht. Unverständlich ist jedoch, dass zahlreiche dieser Hinweise im Verzeichnis von Quellen und Literatur nicht erwähnt werden. Die Hinweise sind leider auch nicht immer formal nach den üblichen Regeln gestaltet. Trotzdem kann das Buch als ein populärwissenschaftliches Sachbuch über die wichtigsten landeskundlichen Themen sehr nachdrücklich empfohlen werden. Es kann auch als eine einfühlsame Werbung für einen Besuch Rumäniens betrachtet werden.

Dr. Wilfried Heller

Birgit van der Leeden: „Rumänien – armes reiches Land“. Schiller Verlag Bonn-Hermannstadt 2022, 295 Seiten mit 246 Fotos und 1 Karte, 24,80 Euro, ISBN 978-3-949583-05-6, erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag www.schiller.ro, deutsche Fest­netznummer: (0228) 90919557.

Schlagwörter: Sachbuch, Rumänien, Landeskunde, Reiseführer

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