11. Oktober 2009

24. Internationale Siebenbürgische Akademiewoche in Deutsch-Weißkirch

Der diesjährige Titel der Siebenbürgischen Akademiewoche von Studium Transylvanicum, „Sie­benbürgen – Lesen – Lernen“, lud zu einem breiten Themenspektrum ein. Vom 31. August bis 5. September tummelten sich in Deutsch-Weißkirch knapp 30 Wissenschaftler – gestandene wie nachwachsende – aus unterschiedlichen Disziplinen: Historiker, die am häufigsten vertreten waren, Literatur- und Kulturwissenschaftler und Agrarwissenschaftler. In der international zusammengesetzten Runde waren Rumänien, Österreich, Ungarn und Deutschland vertreten.
Nachdem am ersten Tag alle im Dörfchen Weißkirch angekommen waren, gab es die erste der vielen köstlichen, sehr reichhaltigen Mahl­zeiten. Der Aufstieg zur Kirchenburg trug zur raschen Verdauung der nahrhaften traditionellen Küche bei. Die gemütlichen Zimmer waren bezogen, alte Bekannte und Freunde begrüßt und neue Bekanntschaften geschlossen worden, als man den akademischen Marathon startete. War der erste Tag noch von gegenseitigem Ken­nenlernen und dem Einstieg in Themen und Ar­beitsgemeinschaften geprägt, ging es am Mor­gen des 1. September dann richtig los. Dr. Gerald Volkmer vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München – dem Institut als einem der Geldgeber sei an dieser Stelle herzlich gedankt –, sprach über „Freund- und Feindbilder in Geschichtsschulbüchern Ungarns und Rumäniens 1947-2004“. Dadurch bekamen wir Einblick in ein spannendes Feld der Ge­schichtswissenschaft, in dem gesellschaftliche Bildungsprozesse untersucht und verdeutlicht werden. Prof. Dr. Konrad Gündisch vom Bundes­institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa in Oldenburg schloss mit einem weiteren historischen Vortrag an. Sein Thema waren die „Steuerlisten und Kirchenma­trikeln als Quelle zur Sozialgeschichte Sieben­bürgens im Mittelal­ter“. Abgeschlossen wurde der Vormittag von Dr. Attila Verók, der über „Wege und Möglichkeiten der Lesekulturfor­schung bei den Siebenbürger Sachsen in der frühen Neuzeit“ referierte.

Nachmittags ging es mit Dr. Meinolf Arens weiter, der einen zeitlichen Sprung zurück in das 4. bis 8. Jahrhundert machte und über „Frühmittelalterliche Schatzfunde in Siebenbür­gen“ sprach. Viel Neues erfuhren wir aus dem Vortrag, so zum Beispiel, dass es Fürsten gab, die die Schädel ihrer Lieblingsfeinde in vergoldete Trinkschalen umarbeiten ließen. Dr. Kálmán Kovács gewährte einen Einblick in die Verwal­tungsgeschichte: „Das Siebenbürgenbild der Wie­ner Hofelite in den 1760er und 1770er Jahren“ war sein Thema. Die anschließenden Work­shops „Rumänisch in seiner kyrillischen Form“ mit Liviu Cîmpeanu sowie „Kultur als Text“ mit Dr. Klaus-Jürgen Hermanik luden zu praktischer Mitarbeit ein. Die Arbeit mit den Texten war von ausführlichen Diskussionen geprägt. Der Abend brachte, wie die nachfolgenden auch, regen Gedankenaustausch.

Dionisie Arion begann den Mittwochmorgen mit einem noch wenig bearbeiteten Themen­feld, der Evangelischen Kirche in Rumänien in der Zeit des Nationalsozialismus. Weg vom historischen Terrain führte der Beitrag von Michaela Nowotnick, die zur Zeit den Vorlass des Schrift­stellers Eginald Schlattner für das Zentralarchiv der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (Her­mannstadt) erschließt. Hierbei wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass solche Archivbestände, die einen Teil der Geschichte Siebenbürgens spiegeln, vor Ort in ihrem Ent­stehungskontext bleiben. Benjamin Józsa vom Demokratischen Forum der Deutschen in Sie­ben­bürgen sprach über die wechselvolle Geschichte, der inzwischen eingestellten Zeitschrift Der Punkt. Am Nachmit­tag ging es historisch weiter: Markus Beham referierte über „Kronstadt in der ‚Türkengefahr‘ (1438-1479)“, Albert Weber über „Genese und Zirkulation der Dracula-Mythologie“ und Adrian Gheorge über „Dracula in osmanischen Chro­niken“.
Akademiewoche in Deutsch-Weißkirch für Geist und ...
Akademiewoche in Deutsch-Weißkirch für Geist und Körper: Einbringen des Grumets im Garten des Ehepaars Müller (Nr. 128) nach 19 Vorträgen. Foto: Thomas Șindilariu
Den nächsten Tag begann Friedmann Riebe mit dem Thema „Die Roma in Rumänien – hat Armut eine ethnische Dimension?“, ein Vortrag, der zu einer ausführlichen Diskussion anregte. Architekt Peter Mrass sprach über „Architektur und Städtebau in Siebenbürgen – Aktuelle Ten­denzen“. Durch diesen reich bebilderten Vor­trag ließ sich ein guter Eindruck gewinnen, was sich zur Zeit in den siebenbürgischen Städten tut. Prof. Dr. Paul Philippi schlug mit der „Früh­zeit des Arbeitskreises für Siebenbür­gische Lan­deskunde e.V. Heidelberg“ den Bogen zurück ins Historische. Hierbei beeindruckte besonders, dass Herr Philippi sehr offen mit seiner eigenen Vergangenheit umging.

Mit Dr. Angela Harre startete man in die zweite Hälfte des Tages, die es schaffte, ein sehr komplexes Thema anschaulich zu gestalten: „Die wirtschaftlichen Verflechtungen Siebenbürgens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“. Mit schönen Zeichnungen in Florian Heigls Beitrag zur „Entwicklung der Landwirtschaft in Sieben­bürgen“ endete der Vortragstag.

Bei der Vorstellung des Kunstführers Deutsch-Weißkirch/Viscri im Kultursaal des Ortes bekamen wir dann einen Eindruck, wie Weißkircher Dorfversammlungen ablaufen.

Friederike Mönninghoff referierte schließlich über das „Phänomen des Root Tourism am Bei­spiel der Sommersachsen“. Den offiziellen Ab­schluss der Veranstaltung bildete eine Ge­sprächs­runde, in der wir uns über Stipendienmöglich­- keiten, laufende Projekte und die Zukunft von Studium Transylvanicum austauschten.

Ein Höhepunkt war das anschließende Heu­machen beim Ehepaar Müller, aktive Nachbar­schaftshilfe, die wir mit einem Teil der Gruppe leisteten. Verschwitzt, voller Heu und mit Bla­sen an den Händen, übersäht mit blutigen Schram­men, aber angenehm erschöpft und hochzufrieden habe ich mich gefühlt, als alles Heu in der Scheune war und die Heugabeln wieder in der Ecke lehnten. Was für ein großartiger Abschluss nach diesen Tagen der geistigen Arbeit! Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Exkur­sion nach Keisd, mit einer Be­sichtigung der Burg. Ein herzliches Dankeschön gebührt unseren Gastgebern, Familie Fernolend, und zum anderen den Organisatoren Bernhard (Heigl), Thomas (Șindilariu) und Ursula (Fernolend).

Friederike Mönninghoff

Schlagwörter: Jugend, Tagung, Siebenbürgen und Rumänien

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