3. August 2010

Kreisgruppe Mannheim – Heidelberg: Auf Studienfahrt im Baltikum

Eine Gruppe von zwölf Personen der Kreisgruppe Mannheim – Heidelberg startete am 28. Juni vom Frankfurter Flughafen erwartungsvoll in Richtung Baltikum und landete nach zweieinhalbstündigem Flug in Tallinn, der Hauptstadt Estlands, dem ehemaligen Reval.
Die Lage des Hotels ermöglichte es, gleich nach Zimmerbelegung über einen groß angelegten Park den „Finnischen Meerbusen“ zu erreichen und eine ausgiebige Strandwanderung zu unternehmen. Es war ein herrlicher, nicht enden wollender Abend, erst weit nach Mitternacht begann die Dämmerung. Faszinierend der Blick auf die Hafenstadt, die Weite des ruhigen Meeres, ohne Ebbe und Flut, und gleichzeitig die Vorstellung von der Nähe zu Helsinki. Die Nähe Estlands zu Finnland ist nicht nur räumlich, sondern auch sprachlich, kulturell und auch wesensmäßig in der Geschichte verwurzelt. Freilich wird einem allerdings auch die Nähe zum östlichen Nachbarn Russland mit all den schwerwiegenden und noch sichtbaren Folgen bewusst. Diese Gedanken waren am ersten Abend in den Gesprächen der Gruppe gegenwärtig und sie sollten es über die folgenden Tage auch bleiben. Erst am darauffolgenden Morgen stellten sich unsere beiden Reiseleiterinnen vor, die Estin Katre, die nur für Tallinn zuständig war, und die Litauerin Regina, die uns während der ganzen Reise mit großer Begeisterung begleiten sollte.

Damit wurde gleich geklärt: Das Baltikum ist nicht „Einzahl“. Es sind drei selbstständige Länder: Estland, Lettland und Litauen, mit eigener Sprache, eigener Tradition, mit eigener, streckenweise heimsuchungsvoller, tragischer Geschichte, auch wenn im Laufe der Jahrhunderte vieles miteinander verwoben war und bis heute noch ist. Der Einstieg in eine über die ganze Reise kompetente Führung erfolgte zunächst seltsamerweise am Rande der Stadt mit der Vorstellung einer riesigen Sänger-Bühne, auf der mehrere Hundert Chorsängerinnen und -sänger Platz haben. Die Bühne steht in einem gepflegten stadionähnlichen Gelände. Eine touristische Attraktion? Wohl kaum. Aber ein Ort, an dem vor allem die Deutung der gemeinsamen Zeitgeschichte des Baltikums am eindrucksvollsten möglich wird. Die Reiseleiterinnen erzählten mit Stolz von der „singenden und im Süden, dem mehr katholischen Litauen, von der betenden Revolution“. Mit dem Ende der Sowjetunion wollten die Baltischen Länder auch ihre Freiheit und Selbstständigkeit haben. Sie haben sie bekommen. In ihren Chorgesängen finden Junge und Alte ihre versöhnende Identität. Der Start 1991 in die Unabhängigkeit sei nicht leicht gewesen, sagte die Reiseleiterin, doch die drei Länder hätten die Herausforderung angenommen und seien auf bestem Weg in der EU einen entsprechenden Platz einzunehmen.

Tallinn/Reval, eine Hansestadt mit Domberg und Unterstadt, mit den herrlichen gotischen Häusern und Kirchen, jede für sich mit einer eigenen Geschichte, ist atemberaubend schön. Die Altstadt gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und vermittelt auf dem großen Rathausplatz den Eindruck einer gepflegten Weltstadt, in der Vergangenheit und Gegenwart ineinander fließen. Eine kleine deutschsprachige evangelische Gemeinde gibt es auch im Rahmen der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, die Pfarrer Baumann aus Braunschweig betreut. Bemerkenswert ist, so der Pfarrer, dass hier schon 1523 die Lutherische Reformation auf Beschluss des Stadtrates durchgeführt wurde.
Reise der Kreisgruppe Mannheim – Heidelberg ins ...
Reise der Kreisgruppe Mannheim – Heidelberg ins Baltikum: Die Gruppe auf dem Theaterplatz von Klaipeda/Memel. Foto: Wester
Der dritte Tag führte über das weite Land, es war die längste Tagesreise mit über 300 km, Richtung Lettland, wo im Gauja-Nationalpark erstmalig Halt gemacht wurde, um dann die mächtige, sagenumwobene Burg Turaida zu besichtigen. Sie bietet vom Burgturm einen weiten Blick über das Land, aber auch Menschen in historischen Gewändern und allerlei Sehenswertes aus der Vergangenheit.

Am späten Nachmittag erreichten wir Riga, die Hauptstadt Lettlands. Eine Hansestadt mit einer großen Geschichte, auch die der Baltendeutschen, ein Thema, das Geschichtsbücher füllt. Sie wurde schon 1201 gegründet. Der Anblick ist ein anderer als Tallinn. Größer, mächtiger, eine pulsierende Großstadt mit 723000 Einwohnern, aber auch mit vielen Spuren des Zerfalls aus der Zeit der kommunistischen Diktatur. Die historische Altstadt mit den engen verwinkelten Gassen, den breiten Kopfsteinpflasterstraßen, dem Dom und vielen Kirchen prägt den Stadtkern, der zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Unsere Reiseleiterin führte auch in die Straßen mit zum Teil prächtig restaurierten Häusern mit Jungstilfassaden, von international berühmten Meistern geschaffen.

Die Reise führte weiter nach Bauska zur Besichtigung des Barockschlosses Rundale, 1736-1740 erbaut, mit dem eine weitere Geschichte verbunden ist. Es diente als Sommerresidenz des Herzogs von Kurland, Ernst Johann von Biron. Anschließend erfolgte der Grenzübergang nach Litauen und bald danach in Siauliai (Schaulen) die Besichtigung des „Berges der Kreuze“, einer beeindruckenden Stätte katholischer Frömmigkeit. Das Tagesziel war Klaipeda/Memel, die Partnerstadt Mannheims, an der Mündung des Kurischen Haffs in die Ostsee. Unser Foto zeigt die Gruppe am Theaterplatz von Klaipeda/Memel vor dem Simon-Dach-Brunnen, dem Dichter des Liedes „Ännchen von Tharau“. Wir sangen das Lied dort mit Begeisterung. Die Stadt Klaipeda hatte im Zweiten Weltkrieg von ihrer strategischen Lage her besonders zu leiden. Dafür sprechen die Gedenkstätten, von der Kriegsgräberfürsorge nach 1989 errichtet. Der darauffolgende Tag führte in den Naturpark „Kurische Nehrung“ mit einem einmaligen Landschaftsbild. Nida/Nidden an der südlichen Grenze war das Tagesziel. Das Bernsteinmuseum, das Thomas-Mann-Haus, der Friedhof und die evangelische Kirche mit dem Altarbild vom sinkenden Petrus wurden ebenso besichtigt wie der Hafen. Es sind nur einige Punkte auf einem der faszinierendsten Landstriche Europas.

Der folgende Tag führte über Kaunas nach Trakai mit Besichtigung der gewaltigen Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert. Am späten Nachmittag erreichten wir Vilnius, die Hauptstadt Litauens und seit 2009 Europäische Kulturhauptstadt. Nach den vielen Eindrücken der zurückliegenden Tage war die Aufnahmefähigkeit für all die Schönheiten dieser Stadt etwas eingeschränkt. Dafür konnte man sich in den einladenden Straßencafés niederlassen und gute Gespräche führen. Trotzdem gelang es, am letzten Tag vorwiegend zu Fuß diese einzigartige Stadt mit ihren großen Parks und vielen kulturhistorischen Bauten zu erkunden. Nach acht vollgepackten Reisetagen mit unvergesslichen Eindrücken und Begegnungen, mit guten Gesprächen und harmonischem Miteinander in der Gruppe erfolgte der Rückflug von Vilnius nach Frankfurt – dankbar für die Organisation dieser Fahrt durch unseren Kreisvorsitzenden Hans Rampelt, der dann leider nicht mitfahren konnte, aber von unserem Ehrenvorsitzenden Hans Wester in alter Treue vertreten wurde.

Traute und Hermann Schuller

Schlagwörter: Reise, Baltikum, Mannheim

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