23. Januar 2024

Kulinarikseminar der SJD Bayern in Deutsch-Kreuz

Die besten Unternehmungen entstehen meistens aus spontanen Ideen, und so kam es, dass dem Aufruf der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), Landesgruppe Bayern, zu einem Kulinarikseminar in Siebenbürgen rund 32 Teilnehmer folgten. Bei diesem Seminar handelte es sich um eine absolute Premiere. Ziel war es, vor allem der Jugend die Traditionen des Schweineschlachtens, Brot- und Hanklichbackens näherzubringen. Nachdem gute Ideen dazu da sind, sie möglichst umzusetzen, startete die Gruppe am 12. Dezember 2023 in den Abendstunden ihre Reise in Richtung alte Heimat.
Gruppenbild aller Teilnehmer des ...
Gruppenbild aller Teilnehmer des Kulinarikseminars. Foto: Horst Wellmann
Die lange Anreise wurde von den Teilnehmern bestens genutzt – sei es durch fleißiges Lernen einiger Studenten oder durch musikalische Einlagen, bei denen alle fröhlich musizierten und mitsangen. Die zahlreichen Pausen auf dem Hinweg wurden stets mit gemeinsamen Brotzeiten und einem Schluck Pali begrüßt.

Nach der langen Busfahrt wurden wir herzlich im reich gedeckten Speisesaal der Casa Kraus in Deutsch-Kreuz empfangen, wo ein köstliches Abendessen auf uns wartete. Gut gestärkt, widmeten wir uns schließlich der letzten gemeinsamen Amtshandlung des Abends: dem Schälen von Knoblauch. Alle packten mit an, und in kürzester Zeit war eine ganze Schale voll Knoblauch geputzt, bereit für die Weiterverarbeitung am nächsten Tag.

Der erste Morgen brach an und brachte ein Gefühl der Ehrfurcht mit sich – heute stand Schweineschlachten auf dem Programm. Sieben Uhr früh versammelten sich alle im Hof vor dem Schweinestall. Es war noch dunkel und sehr kalt, als das Schwein an einem Seil aus dem Stall geführt wurde. Ihm wurde mit einem Bolzenschussgerät ein Schuss mitten in die Stirn verpasst, und das Schwein sackte direkt zu Boden. Mit einem gezielten Schnitt öffnete man die Hauptschlagader und sammelte etwas von dem ausströmenden Blut in einem Eimer ein. Es handelte sich um eine rund 130 kg schwere Sau.

Teamwork zur Wurstherstellung. Foto: Karina ...
Teamwork zur Wurstherstellung. Foto: Karina Mattes
Um das Schwein zu reinigen und zu zerteilen, wurde es mit dem Traktor in einen anderen Hof gebracht, wo bereits kochendes Wasser und eine große Stahlwanne bereitstanden. Dort wurde es mit Asche und Harz eingerieben, mit heißem Wasser überschüttet und abgeschrubbt. Mithilfe der Sauglocke, einem kegelförmigen Metallwerkzeug, wurde entlang der Haut geschabt, um so viele Haare und Hautschuppen wie möglich zu entfernen. Das Schwein wurde nach der Wanne komplett mit Stroh bedeckt, das angezündet wurde, um die restlichen Haare zu entfernen. Zuletzt erfolgte eine gründliche Reinigung mit kaltem Wasser und einer Bürste oder einer scharfen Klinge.

Nach der körperlichen Anstrengung kamen die Frauen der Gruppe, gewappnet mit frischem Schmalzbrot, geschnittenen Zwiebeln und Knoblauch, um die fleißigen Arbeiter/innen zu stärken. Selbstverständlich durfte auch ein Pali nicht fehlen.

Mit dem nun sauberen Schwein konnten die Zerteilungsarbeiten beginnen. Beim Abschneiden der Hufe und Ohren durfte die Jugend selbst Hand an das Messer legen. Traditionsgemäß wurde zum Anschnitt des Schweins Glühwein ausgeschenkt, der die Atmosphäre auflockerte. Als das Schwein auf dem Bauch liegend vom Rücken her aufgeschnitten wurde, stellte man fest: „Nur zwei Finger breit Speck!“ Das Schwein war weniger „fett“ im Vergleich zu denen, die man früher um diese Jahreszeit geschlachtet hatte.

Die abgetrennten Fleischstücke kamen an einen Tisch mit mehreren Männern, die mit Messern und Schürzen bewaffnet das Fleisch zerkleinerten. Währenddessen kümmerte sich Caroline Fernolend darum, den wissbegierigen Frauen das Putzen der Därme zu zeigen. Gemeinsam mit ihrer Unterstützung wurden die Därme und der Magen gereinigt, mit denen man Wurst und Presssack herstellt. Die Füllung dieser wurde von den Männern in der Küche vorbereitet.

Frische Grieben über offenem Feuer. Foto: Anita ...
Frische Grieben über offenem Feuer. Foto: Anita Rosenfeld
In der Zwischenzeit kneteten die Bäckerinnen fleißig Teig für Brote und Hanklich. Der Teig für die Butterhanklich wurde über die gesamte Breite des Tisches ausgerollt, mit den Händen bestrichen und nach und nach in den Backöfen fertiggebacken, während die Jugendlichen eine Arbeitsstraße zum Wurstabfüllen bildeten. Eine Person füllte die Wurstmaschine, eine andere fädelte die Därme auf, eine weitere kurbelte die Wurst heraus und eine weitere stach mit einer Nadel die Lufteinschlüsse aus der fertigen Wurst.

Die Küchenarbeit dauerte bis weit nach 19.00 Uhr, als sich schließlich alle zu einem wohlverdienten Abendessen versammelten. Auf dem Menü stand: Tocană vom frisch geschlachteten Schwein, dazu Palukes, Rahm (Smântână), scharfer Paprika, frisches Brot und frische Grieben. Besonders gefreut hat uns der Besuch des Geschäftsführers des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Benjamin Jósza, der uns am letzten Abend die Ehre erwies, ebenso einige Jugendliche vom Forum, die u. a. auch schon untertags tatkräftig mitgeholfen hatten. Gemeinsam genossen alle die köstliche Mahlzeit, bevor der Abend mit einem kleinen Gesangsauftritt und Tanz ausklang.

Hanklichteig kneten im Holztrog. Foto: Robert ...
Hanklichteig kneten im Holztrog. Foto: Robert Krestel
Am nächsten Morgen verabschiedeten sich alle von Deutsch-Kreuz mit einem kurzen Krippenspiel, das von den Jugendlichen in der Kirche aufgeführt wurde, und machten sich auf nach Hermannstadt. Bei einem Zwischenstopp in Agnetheln wurde die Kirchenburg besichtigt und man stieg auf den Glockenturm.

In Hermannstadt wurde das Deutsche Forum besucht, das den berühmten Spiegelsaal beherbergt. Von dort aus genossen die Reisenden einen fantastischen Blick auf den Weihnachtsmarkt auf dem Großen Ring. Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch des Handwerkermarkts in Holzmengen.

Der letzte Tag der Reise stand zur freien Verfügung, bevor sich alle am Sonntag frühmorgens vor dem Hotel zur gemeinsamen Heimreise trafen.

Ein herzlicher Dank gilt für die überaus großzügige Unterstützung Michael Schmidt (M & V Schmidt Stiftung), der uns u. a. nicht nur zwei Schweine zur Verfügung gestellt, sondern uns auch in seinem wunderbaren Anwesen Casa Kraus beherbergt und verköstigt hat. Ein weiterer Dank geht an die SJD sowie das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V., das dieses besondere Projekt aus Mitteln des bayerischen Sozialministeriums im Rahmen einer Förderung finanziert hat. Nicht zu vergessen Astrid Göddert, Werner Kloos, Roswitha und Günther Scherer sowie Familie Köber. Ohne all diese Menschen wären unsere Reise und der Workshop in dieser Form nicht möglich gewesen. Wir alle durften dadurch unvergessliche Momente in Siebenbürgen erleben, neue Freundschaften knüpfen und auch manche Dinge in neuem Licht betrachten. Ein Schwein lebt nicht von Geburt an in der Kühltheke beim Metzger und auch Brot hat einen längeren Weg hinter sich als unser Weg zum Bäcker.

Karina Mattes

Schlagwörter: Kulinarik, Siebenbürgen, Reise

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