18. Oktober 2017

Einen anderen Blick auf Dinkelsbühl werfen

Dinkelsbühl? Im September? Kennen wir doch? Alle diese Fragen haben wir uns auch gestellt und sind dann doch mitgefahren. Gefahren, um einen anderen Blick auf diese Stadt zu werfen, die seit 1951 Gastgeber des Heimattages der Siebenbürger Sachsen ist. Jedes Jahr zu Pfingsten öffnet sie ihre Pforten für uns, und wir spazieren auf ihren Straßen, von der St. Paulskirche zur Haupttribüne, stehen vor der Schranne, um Tanzaufführungen anzusehen oder um einen guten Platz zu finden und den Aufmarsch anzusehen. Wir spazieren zum Spitalhof, um Mici zu essen und den Stand mit dem besten Baumstriezel zu finden. Doch was wissen wir wirklich über die Stadt Dinkelsbühl?
Am 2. September starteten Mitglieder der Kreisgruppe Landsberg am Lech bei strömendem Regen in Leeder und trafen nach einer Frühstückspause mit Kaffee, Brezen und Nussstriezel gestärkt und gutgelaunt in Dinkelsbühl ein. Die Stadt empfing uns mit gutem Wetter, die große Baustelle von Pfingsten war nicht mehr vorhanden und zwei Stadtführer erwarteten uns. Rasch teilten wir uns in zwei Gruppen und gingen Richtung Schwedenwiese.

Hier erfuhren wir, dass die Schweden die Stadt tatsächlich im Dreißigjährigen Krieg lange belagert hatten; jedoch bewahrten Kinder Dinkelsbühl davor, geplündert zu werden. Sie gingen, angeführt von ihrer Kinderlore mit den Stadtschlüsseln, singend auf den Feldherrn zu und baten um Gnade. Die Kinder erinnerten ihn stark an Engel und seinen eigenen verstorbenen Sohn und er ließ Gnade walten. Seither feiern die Dinkelsbühler jedes Jahr im Juli die Kinderzeche. Hätten Sie das gewusst?
Teilnehmer der Reisegruppe aus Landsberg vor der ...
Teilnehmer der Reisegruppe aus Landsberg vor der Gedenkstätte in Dinkelsbühl. Foto: Andreas Groffner
Durch das Wörnitzer Tor betraten wir die Stadt. Sind Ihnen die beiden Wappen darauf aufgefallen? Einige sehen den Ursprung des Stadtnamens Dinkelsbühl hierin, Ähren, möglicherweise Dinkelähren auf Bergen, in älterer Sprache „Buhlen“. Bei unserem Rundgang erfuhren wir einiges über das alte Rathaus, den Löwenbrunnen, das Spital, die Kirche und die Fachwerkhäuser. Ist Ihnen aufgefallen, dass viele davon nicht komplett rechtwinklig gebaut sind und teilweise die erste Etage vorgerückt ist? Warum? Weil früher der Aberglaube herrschte, im rechten Winkel wohne der Teufel, und weil früher durch das Vorrücken der Etagen Grundsteuern gespart werden konnten. Sind Ihnen abseits vom Zentrum die vielen schmalen Spalte zwischen den Häusern aufgefallen? Sie dienten dem Feuerschutz und teilweise ersetzten sie die nicht vorhandene Kanalisation.

Mein Highlight jedoch waren die Erläuterungen zur Fassade des Deutschen Hauses, eine der schönsten in ganz Süddeutschland. Es ist dieses rote Haus etwas oberhalb der Schranne. Da werden die unteren Etagen von Atlanten getragen, in der griechischen Mythologie trugen diese die Erdscheibe auf ihren Schultern. Die untersten Ebenen tragen sie auf den Schultern, dann auf ihren Armen, nur mit einer Hand und dann mit dem Kopf. Die oberen Etagen werden von Frauen getragen, dann von Kindern und im Giebel thront Bachus, der Gott des Weines. Rechts befindet sich ein Bild der Jungfrau Maria und links eines von Christus, der eine Schlange mit dem Fuße festhält. So haben sich die Erbauer dieses Hauses geschützt.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der „Goldenen Rose“ machten wir uns gut gestärkt auf den Weg zur Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen, die 1967 eingeweiht worden war. Es stellte sich heraus, dass unter uns jemand dabei war, der der Einweihungsfeier beigewohnt hatte. Unsere Kreisgruppenvorsitzende Sigrid Schnell sprach ein paar Worte zur Entstehung, danach legten wir Blumen an der Gedenkstätte nieder. Beeindruckt waren wir von den vielen, schönen, mit rotblauen Bändern geschmückten Schalen der Heimatortsgemeinschaften, und der eine oder andere freute sich besonders, wenn er eine Schale aus seiner Ortschaft entdeckte.

Nach dieser äußerst informativen Besichtigung der Stadt machten wir uns wieder auf den Heimweg. Nächstes Ziel war eine Obstpresserei und Schnapsbrennerei. Stolz zeigten uns die Besitzer ihre Presse sowie die über 30.000 Liter großen Tanks für den Obstsaft, erzählten uns interessante Details über dessen Lagerung und Reinigung. In der kleinen Destillerie wurde uns die Kunst des Schnapsbrennens erklärt, und schnell gerieten unsere Männer in angeregte Diskussionen. Mit Kaffee, Kuchen und dem Versuch möglichst viele Schnäpse und Liköre zu probieren endete unser Besuch.

Die Heimfahrt gestaltete sich recht lustig, die Liedermappen wurden ausgepackt und es wurde fleißig, laut und ausgiebig gesungen. Es war ein schöner Tag mit einem gelungenen Ausflug. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren.

Für mich hat sich nach diesem Ausflug der Kreis geschlossen: Dinkelsbühl und Siebenbürgen passen perfekt zueinander! Ich denke hierbei an die Stadtmauern von Dinkelsbühl, die Türme, die Wassergräben – all das hatten unsere Dörfer und Städte in Siebenbürgen auch. Dinkelsbühl war lange eine freie Reichsstadt, auch Siebenbürgen war lange unabhängig. Dinkelsbühl hat eine lange und interessante Geschichte, Siebenbürgen auch. Die Stadt ist gerne und großzügig Gastgeber, so wie wir Siebenbürger es auch sind. Und ganz wichtig: Wir haben Traditionen und wir pflegen sie.

Mein Fazit lautet also: Es lohnt sich auf jeden Fall zweimal hinzuschauen. Denken Sie bitte daran, wenn Sie das nächste Mal in Dinkelsbühl sind!

Inge Wagner

Schlagwörter: Dinkelsbühl, Landsberg am Lech

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