16. Juni 2010

Josef Teutsch - Obmann in Wien von 1923-1926

Josef Teutsch ist am 22. Dezember 1926 nach schwerer Krankheit in Wien gestorben (siehe Artikel in dieser Zeitung). Es war der Großvater des bekannten Historikers und Mediävisten Harald Zimmermann in Tübingen. In seinen nachgelassenen Papieren, verwahrt bei dessen Vetter Werner Teutsch in Birkenau, fand sich kürzlich ein Brief mit Datum vom 18. Dezember 1926 und adressiert „An den löbl. Ausschuss des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien“. Prof. Dr. mult. Zimmermann beleuchtet die historischen Hintergründe.
Der Brief vom 18. Dezember 1926 ist ein ordnungsgemäß unterschriebenes Original, das aber nie abgeschickt wurde und daher seine Adressaten erst 84 Jahre später (2010) erreicht hat. Erübrigt hatte sich die Bitte, in der nächsten Generalversammlung des Vereins im Januar 1927 „von einer Wiederwahl zum Obmann ... Abstand zu nehmen“. Aber nicht ohne Emotion lesen nun die Enkel (und vielleicht nicht nur sie): „Ich versichere ... dass es mir schwer fällt ... da es für mich eine Ehre war ... weil ich stets mit großer Liebe ...“.

Josef Teutsch (1873-1926) ...
Josef Teutsch (1873-1926)
Josef Teutsch, geboren 1873 in Kronstadt, war der Letzte einer alten Kronstädter Kürschnerfamilie, die sich beinahe bis in die Zeit des großen, auch alle Akten und Matrikel vernichtenden Stadtbrandes von 1689 zurückverfolgen lässt. Schon der Stammvater Johann Teutsch war Kürschner und hat den vornehmen Damen und Herren in Kronstadt zu ihren Pelzen verholfen, zu Kappen und Kragen, und ebenso den Burzenländer Bauern und Bäuerinnen zu ihren Kirchenpelzen, innen warm und außen wundersam bestickt, denn nirgendwo in der weiten Welt ging man sonntags so prächtig in die Kirche wie bei uns zu Hause in Siebenbürgen. Der Meister war tüchtig und seine Gesellen auch. Das Geschäft ging gut und vererbte sich von Generation zu Generation. Der Handwerksbetrieb hieß dann (seit 1843) ITUS, das heißt Johann Teutsch und Sohn. Der Sohn des damaligen Meisters Johann hieß Misch, eben geboren und vom stolzen Vater gleich zu seinem Kompagnon und dann zum Kürschner gemacht. Die Werkstatt war in der Purzengasse, in der Blumenau die Fabrik, und nach Budapest wollte man expandieren. Dorthin sollte der jüngere Sohn des Misch, aber dessen junge Frau weigerte sich, die Heimat zu verlassen. Auch das Malchen wollte nicht, das der Ältere, Sepp, nach seiner bis Leipzig und Paris führenden Gesellenwanderung 1897 in Kronstadt geheiratet hatte. Da hat ihr aber ihr Vater, der Wollwebermeister Paul Rhein aus der Kronstädter Neugasse, tüchtig den Kopf zurecht gerückt, weil doch auch in der Bibel geschrieben steht: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen ...“ So wurde Budapest der Firmensitz und Kronstadt die Filiale, und Leipzig kam hinzu, die Metropole des Pelzhandels: ein großer Betrieb. Die Teutsch-Villa in der Budapester Lovas-út, gleich neben der Ofener Burgmauer, gibt es längst nicht mehr, nur noch das Kanzleigebäude in der vornehmen Nádor-utca drüben in Pest. Wer weiß, wo die „Transylvania“ tagte, der Verein der Siebenbürger Sachsen? Ein Stück Heimat ist er geworden.

Es kamen kriegerische Zeiten. Das Militär und besonders die Herren Offiziere brauchten Pelze, bald nicht nur für die Paraden: die königlich ungarischen und die kaiserlich österreichischen. Man konnte also k.u.k. Lieferant werden. Dann kam freilich 1919 nach dem Krieg der Kommunismus mit Béla Kuhn nach Ungarn, und da übersiedelte man lieber nach Wien. In Oberlaa gab es eine neue ITUS und in der Inneren Stadt in Wien gleich am Graben (Habsburger Gasse 1 – aber das war ein Zufall) war die Kanzlei.

1923 bis 1926 ist Josef Teutsch gewählter Obmann der Siebenbürger Sachsen in Wien gewesen, wie man in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Vereins 1971 nachlesen kann, und neben ihm wirkte als Schriftführer der eben zum Dr. jur. promovierte Rudolf Zimmermann aus Bistritz. Und weil sich des Obmanns Töchterlein Aline Teutsch, wenn sie den Vater aus Vereinssitzungen im Café Maximilian am Votivplatz (oder von anderswo) abholte, lieber vom jungen Doktor als vom (eigentlich gar nicht so) alten Vater nach Hause bringen ließ, nach Döbling in die (ehemalige) Dittes-Gasse, – deswegen kann ich diese Zeilen schreiben. Großvaters Brief von 1926 wird jetzt im Tresor im Haus der Heimat in Wien verwahrt. Die anderen Papiere kommen nach Gundelsheim ins Siebenbürgen-Archiv.

Prof. Dr. mult. Harald Zimmermann

Schlagwörter: Österreich, Wien

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