30. Oktober 2010
Hochwertige Ausstellungen beim Sachsentreffen
Das Sachsentreffen 2010 in Bistritz bot neben historisch und bibliografisch Interessierten auch Kunstliebhabern Gelegenheit, über die prall gefüllten Festtage hinaus beachtenswerte Ausstellungen zu erleben. In der Reihenfolge ihrer Vernissagen handelt es sich um die „Gemäldeausstellung Norbert Thomae“ und „Heimat wohin?“ im Kreismuseum, um „Bistritz – Punktum“ in der Kreisbibliothek und um einen ungewöhnlichen Kunstdialog in der wohl ältesten romanischen Kirche der Siebenbürger Sachsen in Mönchsdorf.
Norbert Thomae – Malerei und Grafik
Nach einer ersten von Erfolg gekrönten Zusammenarbeit vor fünf Jahren, als das Siebenbürgische Museum Gundelsheim und das Kreismuseum Bistritz-Nassod eine sehenswerte Ausstellung mit Aquarellen von Juliana Fabritius-Dancu in Bistritz über diese Stadt in den 60er Jahren zeigte, bot sich nun die günstige Gelegenheit beim ersten Sachsentreffen in Bistritz, das Werk eines Künstlers der sächsischen Gemeinschaft dieser Stadt, des Malers Norbert Thomae, in das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen. Wer ist Norbert Thomae?

Die 54 Bilder und Grafiken der Ausstellung, samt Dokumenten vorwiegend aus dem privaten Besitz seiner in Bistritz anwesenden Enkel Antje Hella Neumann und Wolfgang Rohling, denen für ihre noble Haltung und Mitarbeit großer Dank gebührt, umfassen typische Werke der siebenbürgisch-sächsischen und gesamtsiebenbürgischen Kunst. Portraits, Landschaftsbilder, Stillleben mit Blumen sowie das wohl bekannteste Bild „Sonntag in Mettersdorf” sind deutliche Hinweise auf seine geliebte Heimat, die er 1944 kriegsbedingt verlassen musste.

Das Ausstellungsprospekt umfasste auch sehr treffende Aussagen des Kunsthistorikers Hans Wühr: „Thomae ist in Bezug auf seine Lebenserfahrung und seine Kunst bis in die Fingerspitzen konservativ im besten Sinne des Wortes, das heißt, er ist ein Künstler, der, dem Herkommen eng verbunden, zwar neue Welten gern erprobt, aber ebenso gern neuen Moden aus dem Wege geht, besonders wenn es sich um Moden handelt, die sich auf die Kunst beziehen. Seine Heimat, die Erde, Wald, Berge, Menschen: sie alle sind wenig veränderlich, in ihrem Sosein geordnet und geborgen; sie bleiben sich selber treu und sind nicht dem eiligen Wechsel des immer hungrigen Heute preisgegeben, das morgen schon ein Gestern ist. Die wäldergesättigte Zeit in den Karpaten läuft langsamer als im westlichen Europa; man stellt die Uhr nach dem Stande der Sonne; man misst die Wegzeit nach dem Tabak, den man unterwegs in der Pfeife verdampft. Vor dem Hintergrund dieser althergebrachten Zeitgesinnung muss man auch die Heimattreue in Thomaes Kunst erdeuten. (...) Dabei wird aus seinen Bildern ersichtlich, dass er aus einer Schule herkommt, in welcher gutes Handwerk ebenso selbstverständlich ist wie künstlerisches Vermögen.“ (Hans Wühr: Norbert Thomae zu seinem 85. Geburtstag. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 21 (1972), 4, S. 245)
Einprägsamer ist sein Werk mit wenigen Worten kaum zu durchleuchten. Und in den beiden Ausstellungsräumen zu stehen, zu sehen, die Vielfalt dieser Werke auf sich wirken zu lassen, während und nach der feierlichen Eröffnung, die nächsten Tage, allein oder von disziplinierten rumänischen Schülern in ihrer Uniform umgeben, geschickt von ihren Lehrern begleitet, ja, das alles war ein besonderer Kunstgenuss.
„Die evangelische Kirche Bistritz“
Am Ende der Ausstellungseröffnung präsentierte der Kunsthistoriker Vasila Duda den neuesten Bildband über das berühmteste Bauwerk der Stadt, die Evangelische Kirche Bistritz, die zu ihrem 450-jährigen Jubiläum der Fertigstellung in ihrer derzeitigen Form in neuem Licht erstrahlen soll. Autoren des zweisprachigen Buches (rumänisch-englisch) mit zahlreichen repräsentativen Fotos und minutiösen kunsthistorischen Erläuterungen sind Vasile Duda und Dr. Corneliu Gaiu.Ausstellung „Heimat wohin?“
Ebenfalls aus Anlass des 20. Sachsentreffens zeigte das Kreismuseum sozusagen in der Folge einer ersten markanten Ausstellung 2004 zum Thema Evakuierung der Deutschen aus Nordsiebenbürgen und deren Rückkehr 1944/45 bisher kaum bekannte Dokumente und Fotos aus dem Leben, Wirken und Leiden der Bistritzer Siebenbürger Sachsen von 1918 bis 1948. Ihr bezeichnender Titel: „Expoziție documentară privind dezrădăcinarea sașilor din Nösnerland 1918-1948“ („Dokumentarausstellung über die Entwurzelung der Sachsen des Nösnerlandes 1918-1948“). Insbesondere die Jahre nach der Rückkehr eines Teils der im Herbst 1944 Evakuierten und im Sommer 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone Österreichs nach Siebenbürgen „in Marsch gesetzten“ Siebenbürger Sachsen wurden von den sächsischen Besuchern des Treffens mit viel Aufmerksamkeit in Augenschein genommen.Neben Fotos von sächischen Veranstaltungen vor 1944 finden sich u.a. Dokumente, die etwa die Art der Evakuierung darstellen (Befehle der Militärbehörden), die Bevölkerungsbewegung in Bistritz unmittelbar nach dem Krieg oder die Opposition gegen die Verstaatlichung deutschen Eigentums (z.B. „Das Bittgesuch von Gustav Zikeli für die Abschaffung der Zwangsverwaltung seines Eigentums“ vom 28. November 1948).
„Bistritz – Punktum“ und „Studium“
Klein, aber fein präsentierten sich die beiden Ausstellungen „Bistritz – Punktum“ und „Studium“ in der Kreisbibliothek. Die erste bezog sich auf den großen Schatz des Hauses, die 22 164 Bücher aus dem Bestand der Alten Bibliothek des Ev. Bistritzer Gymnasiums. Die Professoren und Patrizier haben ihre Sammlungen mit besonders wertvollen Büchern der Schule überlassen. Diese Bücher wurden vorwiegend in den mitteleuropäischen Zentren herausgegeben, etwa in Amsterdam, Augsburg, Basel, Brescia, Klausenburg, Florenz, Frankfurt, Genf, Gera, Graz, Halle, Hannover, Jena, Kiel, Köln, Leipzig, London, Lübeck, Lüneburg, Lyon, Magdeburg, Naumburg, Nürnberg, Paris, Hermannstadt, Stettin, Strassburg, Stuttgart, Tübingen, Venedig, Wien, Wittemberg, Zürich … Unter den berühmten Autoren sind zu nennen Aristoteles, Bonifinus, Camerarius,Cicero, Hesiod, Iustinianus, Josephus Flavius, Martin Luther,Titus Livius, Philipp Melanchthon, Nicolaus Olahus, Olearius, Ovidius, Pausanias, Polybios, Teocrit, u.a.m. Leider gelangte die Bibliothek während des Zweiten Weltkrieges nach der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen im September 1944 in eine extrem schwierige Lage.
Einen Teil dieses großen sächsischen Erbes zu zeigen, gelang den Verantwortlichen mit dem derzeitigen Direktor Mircea Oliv recht überzeugend. Ebenfalls unter seiner Ägide wurden in einer zweiten Ausstellung einige markante Bilder mit alten Ansichten der Stadt aus der Sammlung Mircea Calu unter dem Titel „Studium“ der Öffentlichkeit gezeigt.
Kunstdialog in Mönchsdorf
„Dort, wo Kulturaustausch stattfindet, gibt es keine Verlierer, alle sind Gewinner.“ Diese Worte des Staatssekretärs aus dem Bukarester Ministerium für Kultus und kulturelles Erbe, Dr. Vasile Timiș, trafen bei der Eröffnung der Ausstellung „Intervall“ ins Schwarze. Eingebettet in die Festlichkeiten zum Europäischen Tag des kulturellen Erbes unter dem Titel „Gemeinsam“ wurde in der 1999 restaurierten ältesten romanischen Kirche (Nord)Siebenbürgens in Mönchsdorf ein sehr geschickt inszenierter Dialog zwischen alter romanischer Architektur aus dem 13. Jahrhundert und moderner Malerei unserer Tage in Szene gesetzt.

Horst Göbbel
Schlagwörter: Bistritz, Sachsentreffen, Ausstellung
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