30. Oktober 2010

Hochwertige Ausstellungen beim Sachsentreffen

Das Sachsentreffen 2010 in Bistritz bot neben historisch und bibliografisch Interessierten auch Kunstliebhabern Gelegenheit, über die prall gefüllten Festtage hinaus beachtenswerte Ausstellungen zu erleben. In der Reihenfolge ihrer Vernissagen handelt es sich um die „Gemäldeausstellung Norbert Thomae“ und „Heimat wohin?“ im Kreismuseum, um „Bistritz – Punktum“ in der Kreisbibliothek und um einen ungewöhnlichen Kunstdialog in der wohl ältesten romanischen Kirche der Siebenbürger Sachsen in Mönchsdorf.

Norbert Thomae – Malerei und Grafik

Nach einer ersten von Erfolg gekrönten Zusammenarbeit vor fünf Jahren, als das Siebenbürgische Museum Gundelsheim und das Kreismuseum Bistritz-Nassod eine sehenswerte Ausstellung mit Aquarellen von Juliana Fabritius-Dancu in Bistritz über diese Stadt in den 60er Jahren zeigte, bot sich nun die günstige Gelegenheit beim ersten Sachsentreffen in Bistritz, das Werk eines Künstlers der sächsischen Gemeinschaft dieser Stadt, des Malers Norbert Thomae, in das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen. Wer ist Norbert Thomae?
Norbert Thomae: Kirchgang in Mettersdorf. Foto: ...
Norbert Thomae: Kirchgang in Mettersdorf. Foto: Horst Göbbel
Norbert Thomae, geboren 1887 in Bistritz, studierte an der Kunstakademie in Budapest, wurde Zeichenlehrer 1912 am Evang. Gymnasium in Mühlbach. Nach dem Kriegsdienst 1916-1918 an der russischen und italienischen Front wechselte er 1927 an das Ev. Gymnasium seiner Heimatstadt Bistritz. Nach der Evakuierung im Herbst 1944 gelangte er über Thüringen, Oberösterreich und das Salzburger Land nach Schwäbisch Gmünd, wo er und seine Familie schließlich 1949 eine zweite Heimat fanden und er bis zu seinem Lebensende als Maler und Schriftsteller wirkte. Norbert Thomae starb in Schwäbisch Gmünd hochbetagt (neunzigjährig) 1977.

Norbert Thomae: Selbstbildnis, Öl auf ...
Norbert Thomae: Selbstbildnis, Öl auf Sperrplatte, 1967. Foto: Horst Göbbel
Thomae selbst behauptet: „Alle Hochachtung vor den Pionieren der Kunst auch moderner Kunstströmungen! ... Auch den neueren Modernen mögen bewusste Ziele vorschweben ... Kunst duldet keine Fesseln, Rezepte, Schemata. Aber eins: sie muss gekonnt sein! Sie muss Kunst sein, Können offenbaren, ein Können, das normal veranlagten Mitmenschen Bewunderung abringt... Die bald hundertjährige Kunstdevise ‚L’art pour Art -; Die Kunst um der Kunst willen’ hat ihre Gütligkeit gewiss noch nicht eingebüßt. Dennoch ... der Wert des Kunstschaffens steigt ohne Zweifel, wenn es ... ohne Beeinträchtigung der rein kunstlerischen Werte auch für ein wahres, besseres Menschentum, für ethische Werte wirbt und eintritt.“ („Der Jungbrunnen – Erlebtes und Erschautes aus der Künstler- und Erzieherwerkstatt eines Entwurzelten“ (Lorch, o. J.).

Die 54 Bilder und Grafiken der Ausstellung, samt Dokumenten vorwiegend aus dem privaten Besitz seiner in Bistritz anwesenden Enkel Antje Hella Neumann und Wolfgang Rohling, denen für ihre noble Haltung und Mitarbeit großer Dank gebührt, umfassen typische Werke der siebenbürgisch-sächsischen und gesamtsiebenbürgischen Kunst. Portraits, Landschaftsbilder, Stillleben mit Blumen sowie das wohl bekannteste Bild „Sonntag in Mettersdorf” sind deutliche Hinweise auf seine geliebte Heimat, die er 1944 kriegsbedingt verlassen musste.
Eröffnung der Thomae-Ausstellung - von links: ...
Eröffnung der Thomae-Ausstellung - von links: Joachim Tătaru, Silvius Chiș, Bürgermeister Ovidiu Crețu, Dr. Hans Georg Franchy. Foto: Michael Weihrauch
Hinter einem solchen Projekt stehen Menschen mit der richtigen Einstellung: Kunst und Kultur müssen grenzüberschreitend wirksam sein. Der unverkrampften Zusammenarbeit zwischen dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim und dem Kreismuseum Bistritz Nassod, genauer zwischen Marius Joachim Tataru, Museumsdirektor in Gundelsheim, und Dr. Corneliu Gaiu, Historiker und Wissenschaftlicher Forscher am Kreismuseum Bistritz-Nassod, ist diese Ausstellung, die demnächst auch in Gundelsheim Premiere feiern wird, zu verdanken. Während Dr. Corneliu Gaiu – nach der Begrüßung durch den Direktor des Museums Silvius Ovidiu Chiș – sagte: „Wir haben einen Sohn der Stadt zurück nach Hause geholt“, freute sich Bürgermeister Ovidiu Crețu darüber, dass die Ursprünge und Leistungen der früheren deutschen Bewohner dieser Stadt immer mehr auch im Kulturleben des Munizipiums Bistritz sichtbar würden. Die kunsthistorische Einführung besorgte sehr umfassend und kompetent Marius Joachim Tataru, der u. a. ausführte: „Hier ist die Präsenz eines Künstlers erfahrbar, dessen Beziehung zur Realität in einem gehörigen Maße auch durch seine profunde gefühlsbedingte Bindung zum thematischen Grundgehalt seines Kunstwerkes zum Ausdruck kommt. Thomae ist in erster Reihe ein sehr aufmerksamer Beobachter der Personen und Formen, die seine Existenz bestimmen. Er bevorzugt eine lebendige chromatische Bandbreite mit unerwarteten farblichen Kontrasten, die Standhaftigkeit gepresster Tusche, den Verzicht auf gerissene Farben – alles Elemente, die ihn in der Nähe des Expressionismus führen, der ihm nicht fremd war… Thomae ist grundsätzlich sehr präzise in all dem, was er malt, öfters hat seine Malerei die Exaktheit einer Zeichnung.”

Das Ausstellungsprospekt umfasste auch sehr treffende Aussagen des Kunsthistorikers Hans Wühr: „Thomae ist in Bezug auf seine Lebenserfahrung und seine Kunst bis in die Fingerspitzen konservativ im besten Sinne des Wortes, das heißt, er ist ein Künstler, der, dem Herkommen eng verbunden, zwar neue Welten gern erprobt, aber ebenso gern neuen Moden aus dem Wege geht, besonders wenn es sich um Moden handelt, die sich auf die Kunst beziehen. Seine Heimat, die Erde, Wald, Berge, Menschen: sie alle sind wenig veränderlich, in ihrem Sosein geordnet und geborgen; sie bleiben sich selber treu und sind nicht dem eiligen Wechsel des immer hungrigen Heute preisgegeben, das morgen schon ein Gestern ist. Die wäldergesättigte Zeit in den Karpaten läuft langsamer als im westlichen Europa; man stellt die Uhr nach dem Stande der Sonne; man misst die Wegzeit nach dem Tabak, den man unterwegs in der Pfeife verdampft. Vor dem Hintergrund dieser althergebrachten Zeitgesinnung muss man auch die Heimattreue in Thomaes Kunst erdeuten. (...) Dabei wird aus seinen Bildern ersichtlich, dass er aus einer Schule herkommt, in welcher gutes Handwerk ebenso selbstverständlich ist wie künstlerisches Vermögen.“ (Hans Wühr: Norbert Thomae zu seinem 85. Geburtstag. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, 21 (1972), 4, S. 245)

Einprägsamer ist sein Werk mit wenigen Worten kaum zu durchleuchten. Und in den beiden Ausstellungsräumen zu stehen, zu sehen, die Vielfalt dieser Werke auf sich wirken zu lassen, während und nach der feierlichen Eröffnung, die nächsten Tage, allein oder von disziplinierten rumänischen Schülern in ihrer Uniform umgeben, geschickt von ihren Lehrern begleitet, ja, das alles war ein besonderer Kunstgenuss.

„Die evangelische Kirche Bistritz“

Am Ende der Ausstellungseröffnung präsentierte der Kunsthistoriker Vasila Duda den neuesten Bildband über das berühmteste Bauwerk der Stadt, die Evangelische Kirche Bistritz, die zu ihrem 450-jährigen Jubiläum der Fertigstellung in ihrer derzeitigen Form in neuem Licht erstrahlen soll. Autoren des zweisprachigen Buches (rumänisch-englisch) mit zahlreichen repräsentativen Fotos und minutiösen kunsthistorischen Erläuterungen sind Vasile Duda und Dr. Corneliu Gaiu.

Ausstellung „Heimat wohin?“

Ebenfalls aus Anlass des 20. Sachsentreffens zeigte das Kreismuseum sozusagen in der Folge einer ersten markanten Ausstellung 2004 zum Thema Evakuierung der Deutschen aus Nordsiebenbürgen und deren Rückkehr 1944/45 bisher kaum bekannte Dokumente und Fotos aus dem Leben, Wirken und Leiden der Bistritzer Siebenbürger Sachsen von 1918 bis 1948. Ihr bezeichnender Titel: „Expoziție documentară privind dezrădăcinarea sașilor din Nösnerland 1918-1948“ („Dokumentarausstellung über die Entwurzelung der Sachsen des Nösnerlandes 1918-1948“). Insbesondere die Jahre nach der Rückkehr eines Teils der im Herbst 1944 Evakuierten und im Sommer 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone Österreichs nach Siebenbürgen „in Marsch gesetzten“ Siebenbürger Sachsen wurden von den sächsischen Besuchern des Treffens mit viel Aufmerksamkeit in Augenschein genommen.

Neben Fotos von sächischen Veranstaltungen vor 1944 finden sich u.a. Dokumente, die etwa die Art der Evakuierung darstellen (Befehle der Militärbehörden), die Bevölkerungsbewegung in Bistritz unmittelbar nach dem Krieg oder die Opposition gegen die Verstaatlichung deutschen Eigentums (z.B. „Das Bittgesuch von Gustav Zikeli für die Abschaffung der Zwangsverwaltung seines Eigentums“ vom 28. November 1948).

„Bistritz – Punktum“ und „Studium“

Klein, aber fein präsentierten sich die beiden Ausstellungen „Bistritz – Punktum“ und „Studium“ in der Kreisbibliothek. Die erste bezog sich auf den großen Schatz des Hauses, die 22 164 Bücher aus dem Bestand der Alten Bibliothek des Ev. Bistritzer Gymnasiums. Die Professoren und Patrizier haben ihre Sammlungen mit besonders wertvollen Büchern der Schule überlassen. Diese Bücher wurden vorwiegend in den mitteleuropäischen Zentren herausgegeben, etwa in Amsterdam, Augsburg, Basel, Brescia, Klausenburg, Florenz, Frankfurt, Genf, Gera, Graz, Halle, Hannover, Jena, Kiel, Köln, Leipzig, London, Lübeck, Lüneburg, Lyon, Magdeburg, Naumburg, Nürnberg, Paris, Hermannstadt, Stettin, Strassburg, Stuttgart, Tübingen, Venedig, Wien, Wittemberg, Zürich … Unter den berühmten Autoren sind zu nennen Aristoteles, Bonifinus, Camerarius,Cicero, Hesiod, Iustinianus, Josephus Flavius, Martin Luther,Titus Livius, Philipp Melanchthon, Nicolaus Olahus, Olearius, Ovidius, Pausanias, Polybios, Teocrit, u.a.m. Leider gelangte die Bibliothek während des Zweiten Weltkrieges nach der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen im September 1944 in eine extrem schwierige Lage.

Rarität der Ev. Bistritzer Gymnasialbibliothek: ...
Rarität der Ev. Bistritzer Gymnasialbibliothek: Egidius Mechlers Kathechismus von 1572. Foto: Horst Göbbel
Elena Dorobont, frühere wissenschaftliche Kraft, schreibt: „Während der russischen Besetzung (ab Oktober 1944) wurden die Säle der Bibliothek durch Soldaten genutzt. Viele Bücher, haufenweise und unsachgemäß an verschiedenen Orten aufgetürmt, wurden beschädigt. 1945 haben Schüler und Eltern die Bibliothek reorganisiert, die Bücher wieder geordnet. Jedoch nur für kurze Zeit. Die Bibliothek wurde aufgelöst, die Bücher konfisziert und in Kellern gelagert … Möglicherweise werden wir nie erfahren, welch große Werte verloren gingen. Was übrig geblieben ist, ging in den Dokumentarbestand der Kreisbibliothek über.“

Einen Teil dieses großen sächsischen Erbes zu zeigen, gelang den Verantwortlichen mit dem derzeitigen Direktor Mircea Oliv recht überzeugend. Ebenfalls unter seiner Ägide wurden in einer zweiten Ausstellung einige markante Bilder mit alten Ansichten der Stadt aus der Sammlung Mircea Calu unter dem Titel „Studium“ der Öffentlichkeit gezeigt.

Kunstdialog in Mönchsdorf

„Dort, wo Kulturaustausch stattfindet, gibt es keine Verlierer, alle sind Gewinner.“ Diese Worte des Staatssekretärs aus dem Bukarester Ministerium für Kultus und kulturelles Erbe, Dr. Vasile Timiș, trafen bei der Eröffnung der Ausstellung „Intervall“ ins Schwarze. Eingebettet in die Festlichkeiten zum Europäischen Tag des kulturellen Erbes unter dem Titel „Gemeinsam“ wurde in der 1999 restaurierten ältesten romanischen Kirche (Nord)Siebenbürgens in Mönchsdorf ein sehr geschickt inszenierter Dialog zwischen alter romanischer Architektur aus dem 13. Jahrhundert und moderner Malerei unserer Tage in Szene gesetzt.
Moderne Malerei von Doina Mihăilescu und ...
Moderne Malerei von Doina Mihăilescu und George Mircea in der Mönchsdorfer Kirche. Foto: Horst Göbbel
Doina Mihăilescu und George Mircea, einer ihrer Schüler, präsentierten in der Kirche ihre Sicht des Dialogs zwischen christlichem Glauben und biblisch geprägter moderner Malerei mit Werken, die dem Kirchenraum eine besondere, eine einladende Note verliehen. „Intervall“ symbolisiere den Lichtraum zwischen dem göttlichen Schöpfer und der schöpferischen Arbeit der Künstler, meinte in seiner Einführung Mircea Oliv, der auch die meistverwendete quadratische bzw. rechteckige Form der ausgestellten Bilder als Korrespondenz zur romanischen quadratförmigen Decke im Kirchenraum hervorhob. Diese zwölfte gemeinsame Ausstellung der beiden Künstler nach Austellungen etwa in Rom, Madrid, Pisa, Santiago de Compostella nun hier in Mönchsdorf erfuhr große Resonanz auch bei den ebenfalls anwesenden Siebenbürger Sachsen. Diesen dankte Staatssekretär Timiș auch mit der Frage des Suchens nach Identifizierung mit dem deutschen kulturellen Erbe durch die heutigen nichtdeutschen Bewohner Siebenbürgens.
Horst Göbbel (3. von links) spricht bei der ...
Horst Göbbel (3. von links) spricht bei der Ausstellungseröffnung "Intervall" in der Mönchdorfer Kirche. Foto: Michael Weihrauch
Diesen Gedanken erweiterte Horst Göbbel in seiner spontanen Wortmeldung, indem er u.a. betonte, wie wichtig es sei, siebenbürgisch-sächsische Architekturschätze, wie z.B. die im Nösnerland in orthodoxe Gotteshäuser umgewandelten Kirchen, bei ihren Nachfolgern in guten Händen zu wissen.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Bistritz, Sachsentreffen, Ausstellung

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