4. Februar 2011

Geschichte des deutschen Jagdwesens in Siebenbürgen

Anlässlich der letztjährigen Frühjahrstagung der Sektion Naturwissenschaften des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) hielt der Diplom-Forstingenieur Rudolf Rösler am 20. März in Gundelsheim einen Vortrag über die 800-jährige Geschichte des deutschen Jagdwesens in Siebenbürgen. Im Folgenden wird der Vortrag leicht gekürzt wiedergegeben.
Siebenbürgen war und ist auch heute noch bekannt als das „Traumland des Jägers“. Auch dem Nichtfachmann ist das 1828 entstandene „Siebenbürgische Jägerlied“ („Ich schieß den Hirsch im wilden Forst, im tiefen Wald das Reh...“) geläufig, dessen Text Franz von Schober zugeschrieben wird und das durch die Vertonung von Franz Schubert weite Verbreitung fand. Doch schon der im klassischen Altertum lebende römische Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus (um 330-395) beschreibt die jüngste römische Kolonie auf europäischem Boden – dieses „Dacia felix“ – als sehr waldreich und nennt es ein wahres „Bärenland“.

Rund 600 Jahre später und nur zwei Generationen nach der Niederlage des ungarischen Hauptheeres 955 bei Augsburg (Lechfeld) durch König Otto (912-973) werden die Ungarn – durch die Missionierung des Bistums Passau und des Erzbistums Salzburg – christianisiert. Vajk nimmt 1001 unter dem Namen Stephan (970-1038) den Königstitel an. Er ehelicht 996 Gisela, die Tochter Herzog Heinrichs II. von Bayern (951-995). Der deutsch-bayerische Einfluss sollte unter König Stephan I. – später genannt „der Heilige“ – schier übermächtig werden. Die gesamte Gesetzgebung Ungarns stützte sich auf das bayerische Vorbild. Schon unter Geisa, Stephans Vater, wurden Deutsche ins Land gerufen, die nicht nur die Streitkräfte reorganisierten, sondern auch das Berg- und Waldwesen prägen sollten. Neben Waldwirtschaft musste die Jagd und Fischerei betreut werden. In grenznahen Gebieten erstreckte sich die Tätigkeit der Körperschaft der so genannten „Königlichen Forstheger“ auch auf die Verteidigung der Landesgrenze. Nachdem im 12. Jahrhundert deutsche Kolonisten in das „Land jenseits der Wälder“ kamen, stand die Urbarmachung des Landes im Vordergrund. Die Jagd hatte für die „hospites“ (Gäste, wie die Ansiedler genannt wurden) insofern Bedeutung, als es galt, das Eigentum (Vieh, Getreide- und Obstland) gegen etwaige Schädigungen durch Großraubwild (Bär, Wolf und Luchs) und Schwarzwild (Wildschweine) zu schützen. Als sich im 12. Jahrhundert der Berufsjägerstand auch in dem zu Ungarn gehörenden Landesteil Siebenbürgen herausbildet, werden die ersten Berufsjäger (1209) in den Chroniken erwähnt; diese waren Deutsche, die 1209 bis 1234 in Ipp (heute Nordsiebenbürgen) genannt werden und zwar: der königliche Wisentjäger Günther sowie der Dekurion Mert, Oberjäger einer Dekurie Wisentjäger (Berufsjägerabteilung von zehn Mann). In dieser Zeit werden auch die Hunde der Rasse Kuvasz gezogen, die am ungarischen Königshof für die Jagd auf Rot-, Schwarz- und Bärwild gehalten wurden. Unter dem königlichen Geschlecht der Arpaden (bis 1301) gab es bereits die Berufsjägergruppe der Draucari (Hundeführer), Leporiferi (Windhundführer) und Caniferi (Hundepfleger). Ab dem 12. Jahrhundert entstehen durch gezielte Zucht mehrere wertvolle Jagdhunderassen, wie der Siebenbürgische Windhund, die Siebenbürgische Zwergbracke, die Siebenbürgische Bracke (auch als Karpatenbracke bekannt) sowie der Packer, auch als Sau- und Bärenhund bekannt.

Der nun in Siebenbürgen entstandene Berufsjägerstand führte allmählich, wie in der Urheimat Deutschland, auch hier zur Entstehung einer Fachsprache, der so genannten siebenbürgisch-deutschen Weidmannssprache. Mit fortschreitender Kulturentwicklung erhielt die Jagd auch bei den Siebenbürger Sachsen allmählich eine neue Bedeutung; sie gewann immer mehr ideellen Wert, indem sie als persönliche Liebhaberei von den wohlhabendsten Bürgern ausgeübt wurde. Die Jagd der deutschen Siedler blieb jedoch immer auf ein bescheidenes Maß beschränkt. Bis ins 19. Jahrhundert gab es den Stand der Berufsjäger. Diese entstammten der ärmeren Volksschicht und betrieben überwiegend die freie Raubtierjagd auf Wolf, Bär und Luchs. Seit dem 17. Jahrhundert wurden auf dem Königsboden (terra regalis = Siedlungsgebiet der Deutschen), die so genannten „Amtstreibjagden“ auf Raub- und Schadwild durch die Gemeinden angeordnet; auf dem ungarischen Adelsboden waren diese als „Stuhlrichterjagden“ (Stühle – sedes, im mittelalterlichen Königreich Ungarn bestehendes Verwaltungsforum) bekannt.
Bärenjagd in Siebenbürgen (um 1600) mit ...
Bärenjagd in Siebenbürgen (um 1600) mit Bärenspieß und Bärenbeißer (nach L. Sikossy), Gravur auf Pokal.
Mit Beginn des 17. Jahrhunderts entstand eine Jägerschaft vornehmer Bürger. Den Abschluss dieser Entwicklung markierte die Gründung von deutschen Jagdvereinen (1874 Bistritz, 1883 Kronstadt, 1898 Schäßburg, 1899 Jagdgesellschaft Retezat u.a.m.).

Die Jagd in Siebenbürgen hat verschiedenen Gewerbezweigen (Feinkürschnerei, Futterfellmacherei, Pelzkappenmacherei, Ledergerberei, Schlächterei und Selcherei) stets lohnende Einkünfte gebracht; auch der Export der Rauchwaren sicherte hohe Einkommen.

Die Entwicklung des Jagdwesens erlebte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einen allgemeinen Aufschwung (Anstellung von Wildhegern bzw. Berufsjägern, Einführung moderner Jagdwaffen und Jagdausrüstungserzeugnisse etc.) und sicherte so eine verbesserte Pflege des Wildes. Das 20. Jahrhundert brachte den Beginn einer rationellen Jagdwirtschaft, die allmählich zur Trophäenjagd führte, die ihren Höhepunkt nach 1948 erreichte. So war die siebenbürgische Jägerschaft mit Trophäen und Präparaten von Karpatenwild schon ab 1910 (Wien) bei zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten (Leipzig 1939, Berlin 1937, Düsseldorf 1954, Neusatz/Novi Sad 1967, Budapest 1971, Nürnberg 1986 etc.), wo diese durch hohe Qualität bestachen. Das siebenbürgische Wild hält zahlreiche Weltrekorde; so z.B. den 1937 in Berlin aufgestellten und bis heute gültigen Weltrekord für Gamskrucke (141,1 internationale Punkte), erlegt 1934 von A. Hessheimer aus Kronstadt im Fogarascher Gebirge.

In der Zeit vor 1504 (erstes Jagdrecht) fehlen jagdgesetzliche Vorschriften, jedoch sicherte der „Goldene Freibrief“ Andreas’ II. von 1224 jedem freien, waffenfähigen Mann das Jagdrecht. Erst das 18. Jahrhundert brachte die ersten einschränkenden Verordnungen. So wurde 1724 seitens des kommandierenden Generals von Siebenbürgen, Graf Königsegg, das Jagen „dem Herrenlosen Gesindel“ verboten. Ungefähr zur selben Zeit wie in den westlichen Kulturländern (z.B. Deutschland 1722) werden erstmals 1740 im Burzenland Jagdpässe erwähnt. Von besonderer Bedeutung war die Verordnung von 1751, die erstmals Jagd- und Schonzeiten einführte. Es folgten verbesserte Jagdgesetze bis 1802; doch ab diesem Jahr (1802-1883) regelte ein besonderer Gesetzesartikel das wachsende Verständnis der Natur gegenüber, war also eine bahnbrechende Neugestaltung. Nach dem Ersten Weltkrieg (Siebenbürgen fiel an Rumänien) wurde nun das rumänische Gesetz zum Schutze des Wildes und zur Regelung der Jagd von 1921 auch für diesen Landesteil gültig.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die bis heute andauernde Epoche der Jagdbelletristik Siebenbürgens, welcher der hohe Bekanntheitsgrad der Karpaten-Jagdreviere zu verdanken ist. So veröffentlicht Gustav Spinka 1878 unter dem Pseudonym Sylvan sein erstes Werk „Jagdliches aus Siebenbürgen“. Es folgten Jagderlebnisbücher aus der Feder bekannter Fachschriftsteller wie Eduard von Czynk (1851-1899), August von Spieß (1864-1953), Andreas Berger (1850-1919), Emil Witting (1880-1952), Otto Alscher (1880-1944), Julius Fröhlich (1881-1957), Otto Witting (1889-1955), Richard Jacobi (1901-1972) u.a.m. Zahlreiche Weidmänner Mitteleuropas jagten schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den reichen Wildkammern der Karpaten und veröffentlichten ihre Erlebnisse, wie z.B. Alexander Florstedt, Walther Fournier u.a. Das Jagdwesen und die Jagdbelletristik der Deutschen in Südost-Europa erfuhr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das gleiche Schicksal wie die deutschsprachige Gesamtliteratur dieses Raumes. Sie wurde zum Teil von Autoren geschaffen, die als Deutsche in Rumänien lebten, zum anderen von aus Rumänien stammenden Autoren, die in Deutschland und Österreich Heimat gefunden hatten.

Im Herbst 1944 hörte das deutsche Jagdwesen Rumäniens auf zu existieren; es war auch der Anfang des allmählichen Ausklingens des Deutschtums nach einem 800-jährigen Bestehen im Karpatenland Siebenbürgens.

Schlagwörter: Vortrag, Jagd, Siebenbürgen

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