2. Dezember 2011

Gemeinsam bauen

Vom 4. bis 6. November trafen sich knapp 40 Mitarbeiter des Projektes „Siebenbürger Genealogie“ zu ihrem 7. Seminar in Bad Kissingen. Erfreulich war, dass diesmal mehr als ein Viertel der Teilnehmer zum ersten Mal dabei war. Offenkundig hat sich die Bedeutung dieser Arbeit herumgesprochen, ebenso die dringende Notwendigkeit, neue Mitarbeiter ins Team zu bekommen.
Nach einer kurzen Begrüßung der Teilnehmer durch Gustav Binder, den Studienleiter der Tagungsstätte Heiligenhof, wurde das Seminar von Projektleiter Dr. Christian Weiss eröffnet, der seiner Genugtuung über die vielen „Neuen“ Ausdruck verlieh. In einer Schweigeminute gedachte man der verstorbenen Familienforscher Balduin Herter und Harriet Kosturik.

Jutta Tontsch gab einige organisatorische Hinweise zum Seminarablauf, wobei sie darauf hinwies, dass zum ersten Mal in zwei Gruppen getagt werde, um den Anfängern die Chance zu geben, sich mit dem Programm Gen_Plus vertraut zu machen. Hans Wagner informierte über die Sponsoren des Seminars: das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordung, Familie und Frauen, die Stiftung des Donauschwä­bischen Zentralmuseums Ulm, Gisbert Berwe, der das Update für sein ­Programm den Teilnehmern zum halben Preis überlässt, und Edda Schneider, die einen Nachlassverwalter bei der Suche nach Nachfolgern unterstützt und dafür eine Zuwendung für das Projekt erbeten hatte.

Der Samstag begann mit dem Vortrag von Dr. Renate Weber: „Aspekte zur Erforschung der Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion“. Sie beschrieb die Entstehung des in drei Bänden 1995 erschienenen Buches, das Ergebnis eines vom Bundesinnenministerium finanzierten Projektes, das vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) unter der Leitung ihres Gatten Prof. Dr. Georg Weber durchgeführt wurde. Das Projekt lief über zehn Jahre und beschäftigt sich mit der Migration von Ost nach West, die mit Flucht und Vertreibung in den Jahren 1944/1945 begann. Es zielte ab auf die Totalerhebung aller deportierten Siebenbürger Sachsen. Unter anderem wurden dafür Erhebungsbogen entworfen, die Betroffenen und Personen, die dazu aus anderen Quellen etwas beitragen konnten, zugeschickt wurden. Außerdem wurden Deportiertenlisten, Heimkehrerlisten, Matrikelvormerkungen, Deportiertenkarteien und Totenlisten ausgewertet und ehemalige Deportierte befragt. So ergab sich, dass 30 336 Personen aus 221 Gemeinden deportiert worden waren, von denen 3076 die Deportation nicht überlebt haben. Sämtliche Erhebungsbögen, die vom Ehepaar Weber nach Abschluss der Arbeit dem Gundelsheimer Archiv übergeben wurden, hatten Jutta Tontsch und Helga Lutsch im Vorfeld des Seminars eingescannt, da diese durch die Vielzahl der enthaltenen Personendaten eine wichtige genealogische Quelle darstellen. Die DVDs mit den Scans wurden an die Mitarbeiter verteilt.

Anschließend teilten sich die Teilnehmer in zwei Arbeitsgruppen. Der erste Kurs in der Anfängergruppe wurde für diejenigen Mitarbeiter festgelegt, die zum ersten Mal mit dem Programm Gen_Plus in Kontakt gekommen sind. Der Programmautor Gisbert Berwe erklärte die Personen- und Familienmasken. Die Mitarbeiter hatten ausreichend Gelegenheit, Fragen zu stellen. Im zweiten Kurs durften die „Schüler“ unter Anleitung ihres „Lehrers“ selber Daten eingeben, wobei sie schrittweise lernten, eine neue Datei (Mandant) anzulegen, eine Familie aufzustellen, Quellen in die Quellen- und Orte in die Ortsverwaltung einzutragen und Funktionstasten neu zu belegen.
Genealogie: Die „Anfänger“-Kurse sind praxisnah ...
Genealogie: Die „Anfänger“-Kurse sind praxisnah und hoch technisiert und für die Teilnehmer informativ und ermutigend. Foto: Anneliese Vater
Im dritten Gen_Plus-Anfängerblock bekamen die Teilnehmer Aufgaben: Die Anwender mussten einzelne Dokumente aus dem genealogischen Archiv in Gundelsheim selbstständig anhand der gelernten Regeln in Gen_Plus eingeben. Gisbert Berwe und Jutta Tontsch gaben dabei Hilfestellung und beantworteten Fragen. Die Arbeit machte Spaß, auch wenn nicht alles auf Anhieb gelang.

Den Vortrag „Auswanderer aus Siebenbürgen nach Amerika – Passagierlisten als genealogische Quellen“ hatte Jutta Tontsch zwar schon vor zwei Jahren gehalten, sie wiederholte ihn jedoch für die inzwischen neu dazugekommenen Mitarbeiter. Zuerst erfuhren die Zuhörer Allgemeines über die siebenbürgischen Auswanderer nach Amerika, danach wurden die Passagierlisten vorgestellt, die auf den Auswandererschiffen erstellt wurden und die für unsere Projektarbeit eine unermesslich wichtige Quelle sind. Denn diese enthalten viele genealogischen Angaben, wie z.B. die Namen aller Siebenbürger, die über Ellis Island eingewandert sind, Beruf und Alter der Personen, Reiseziel, Geburtsort, nahe Verwandte in der alten Heimat, und sogar Körpergröße, Augen- und Haarfarbe. Die Vortragende wies auf die Liste der USA-Auswanderer von Monika Ferrier hin, die als PDF im Internet auf der Seite des Siebenbürgen-Instituts unter http://siebenbuergen-institut.de/fileadmin/user_upload/pdf_dateien/usa_auswanderer2011.pdf zu finden ist. Die in Kanada lebende Familienforscherin Ferrier hat im Laufe vieler Jahre aus allen vorhandenen Passagierlisten die Daten sämtlicher Siebenbürger, die sie finden konnte, zusammengetragen und aktualisiert diese kontinuierlich.

In der Gruppe der Fortgeschrittenen referierte Bernd Eichhorn über den „Zusammenbau der SIEBENBÜRGER GENEALOGIE“. Das Ziel des Referates war es zu zeigen, wie ein einheitlicher Bearbeitungsstil der Dateien erreicht werden kann. Die Daten der verschiedenen Mitarbeiter müssten zueinander passen, um bei der Zusammenführung ineinander zu passen. Dafür sollten sie allgemein verständlich und präzise sein, da die Ergebnisse des Projektes sicherlich auch von Wissenschaftlern benutzt werden. Anhand von Beispielen aus seiner Datei Honterus erläuterte er, wie diese Vorgaben umgesetzt werden.

Christian Weiss erklärte in seinem Referat „Hindernisse beim Zusammenbau der SIEBENBÜRGER GENEALOGIE“, wie man z.B. Religionen mit dem Baustein „Texte bearbeiten“ des Programms vereinheitlichen kann. Dazu verwendete er eine Word-Datei, in der er in vier Spalten die Religionen aus vier zusammengeführten Ortsdateien auflistete. Eine ähnliche Vorgehensweise gilt für die Vereinheitlichung der Orte, Länder und Kreise.

Nach der Kaffeepause begrüßte der Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, Dr. Ulrich Wien, die Teilnehmer und ermutigte alle, das Projekt voranzutreiben. Er erwähnte auch, dass eine Datenschutzvereinbarung mit der Evangelischen Landeskirche in ­Arbeit sei, welche die Datensicherheit entsprechend der Datenschutzgesetzgebung gewährleisten solle.

Abschließend zeigte Hans Wagner in seinem Referat „Hilfen zum Zusammenbau der SIEBENBÜRGER GENEALOGIE“, wie man alle Möglichkeiten im Menü des Programms Gen_Plus nutzt, um einheitliche Dateien zu erzeugen bzw. fertige Dateien zu vereinheitlichen. Er wies auch darauf hin, dass es wichtig sei, regelmäßige Datensicherungen anzulegen. Nach dem Abendessen fanden sich die beiden Arbeitsgruppen zu gemeinsamen Gesprächen und Diskussionen zusammen.

Der Sonntag begann mit einer Andacht, gemeinsam mit den Teilnehmern der Parallelveranstaltung der Landler. Danach stellten zwei Mitarbeiter ihre Arbeit vor: Ingeborg Graef, die Kronstädter und Bartholomäer Daten bearbeitet und allein in ihrer Kronstadt-Datei über 40000 Personen hat, berichtete über die Anfänge ihrer Forschungsarbeit vor 30 Jahren und wie mühevoll es für sie war, sich immer wieder an andere Arbeitsweisen und andere Genealogie-Programme zu gewöhnen. All diese Schwierigkeiten und Hindernisse in ihrer Arbeit hinderten sie nicht daran, weiterzumachen. Günther Jung berichtete anschließend über seine Arbeit mit den Lechnitzer Kirchenbüchern, mit deren Verkartung er vor 40 Jahren begonnen hatte. Seit 2009 arbeitet er nun auch mit Gen_Plus und bearbeitet aktuell Familienbücher.

Die interessanten Vorträge, die gewinnbringenden Gespräche, der rege und informelle Erfahrungsaustausch, die Gruppenarbeit und nicht zuletzt die positive Einstellung der Projektmitarbeiter haben zum Erfolg des Seminars geführt. Man trennte sich mit dem Vorhaben, auch weiterhin das Projekt bekannt zu machen und noch mehr Familienforscher zur Mitarbeit zu begeistern, damit beim nächsten Seminar, das vom 16.-18. März 2012 stattfinden wird, wieder viele neue Teilnehmer begrüßt und weitere siebenbürgische Orte genealogisch in Angriff genommen werden können.

Jutta Tontsch und Bernd Eichhorn


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Schlagwörter: Genealogie, Seminar

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