8. April 2012

Tetralogie von Franz Marschang über Banater Schwaben erschienen

Wenn hierzulande das Wort „rumäniendeutsche Literatur“ fällt, werden nicht einmal so viele Namen genannt wie Finger an einer Hand: Herta Müller, vielleicht noch Richard Wagner oder Oskar Pastior. Aber es gibt auch noch andere Banater oder Siebenbürger, die schreiben und veröffentlichen. Einer davon ist Franz Marschang. Vor der Umsiedlung von Temeswar nach Heidelberg hat der 1932 in Johannisfeld an der rumänisch-serbischen Grenze geborene Marschang Kurzprosa und fünf Theaterstücke veröffentlicht. In Deutschland hat er drei Kurzprosabände herausgebracht, um sich danach an ein Großprojekt zu wagen: eine Tetralogie, die den Titel „Am Wegrand der Geschichte“ trägt. Inzwischen liegen alle vier Bände vor.
In dem Roman „Morgenrot der Kolchose“ hält Marschang vor allem das Schicksal seiner Landsleute, der Banater Schwaben fest, die ihr Siedlungsgebiet nach fast 300 Jahren aufgegeben haben, gezwungen oder enttäuscht von den Nachkriegsereignissen. Die Handlung trägt autobiografische Züge und spielt in der Norddobrudscha, wo Marschang Ende der 50er Jahre nach Studium der Tiermedizin und Promotion einige Monate gearbeitet hat. Er beschreibt die Geschichte des jungen Tierarztes Gerd Mann, der in dem Dorf Topalu ankommt, als es keinen selbstständigen Bauern mehr in der ganzen Dobrudscha gibt. Die kommunistische Partei preist den Landstrich als erste voll kollektivierte Region Rumäniens. In Topalu kommt er dienstlich mit den „Persönlichkeiten“ in Berührung, die als Parteimitglieder einer korrupten Gesellschaft angehören, die dafür verantwortlich ist, dass die Landwirtschaft daniederliegt. Wollte der junge Tierarzt hier überleben, müsste er sich anpassen. Weil er das nicht will, kehrt er zurück ins Banat und wird Tierarzt auf einer Staatsfarm in Wojteg.

Im zweiten Roman findet sich Gerd Mann „Im Netzwerk der Staatsgüter“ wieder. Er trifft in diesem Band Resi Hagel, eine alte Bekannte, wieder. Als junge Redakteurin recherchiert sie zum Thema Wasser im Banat und stellt fest, dass in nur anderthalb Jahrzehnten Kommunismus das gesamte Banater Entwässerungssystem kaputtgemacht worden ist, für dessen Ausbau die Siedler 200 Jahre gebraucht haben. Resi, der Gerd näher kommt, recherchiert immer weiter, doch in vielen Fällen wird sie dabei von Zensur und Vertuschung behindert. Mit Rückblenden unter anderem in die Nachkriegszeit, als in den Häusern der Banater Schwaben, die in den sowjetischen Arbeitslagern ums Überleben kämpfen, Kolonisten einquartiert wurden, die sich gegenüber den Zurückgebliebenen als neue Herren aufspielen, bringt der Autor dem Leser die Geschichte des Banats näher.

Im dritten Band mit dem Titel „Dreieinigkeit: Lehre, Forschung, Produktion” beschreibt Marschang die Ära Ceaușescu. Der Alltag im Rumänien der 60er und 70er Jahre ist trist. Marschang führt dem Leser vor Augen, warum die Ziele Ceaușescus misslingen, das rückständige Land an die Weltspitze zu bringen und die nationalen Minderheiten des Vielvölkerstaates in ein „einheitliches rumänisches Volk“ umzuschmelzen. Der Rumänisierungsdruck wächst stetig und verstärkt den Abwanderungswillen der Banater Schwaben. So klingt der dritte Band der Tetralogie mit der bevorstehenden Ausreise der Familie Mann aus.

Im letzten Band beschreibt Marschang „Die andere Welt“: Deutschland, das Land, in das die Manns auswandern. Gerd hat schon nach wenigen Monaten eine Arbeitsstelle. Als Tierarzt kommt er durch ganz Baden-Württemberg und lernt kennen, was in der deutschen Landwirtschaft im Argen liegt. Er erkennt rasch, dass auch die deutschen Kollegen nur mit Wasser kochen. Gerd geht schließlich selbstbewusst seinen Weg.

Johann Steiner



Franz Marschang: „Am Wegrand der Geschichte“, vier Bände, Edition Fischer, Frankfurt am Main, zu bestellen im Buchhandel, Band 1, ISBN 978-3-8301-0336-3, kostet 19,80 Euro; Band 2, ISBN 978-3-8301-0639-5, 18,80 Euro; Band 3, ISBN 978-3-89950-189-6, Band 4, ISBN 978-3-89950-409-5, 16,80 Euro.

Schlagwörter: Rezension, Banat, Roman, Literatur

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Neueste Kommentare

  • 08.04.2012, 17:24 Uhr von Knobler: Eigentlich müsste bei der Überschrift noch stehen: “Zum 10 jährigen Jubiläum der Herausgabe des ... [weiter]

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