22. Januar 2013

Tagung zur donauschwäbischen Literatur des 20. Jahrhunderts

„Donauschwäbische Literatur als Spiegel von Epochen und Staaten“ lautete das Thema einer zweitägigen Tagung im Sindelfinger „Haus der Donauschwaben“ am 24. und 25. November 2012. Für die Tagungsteilnehmer und Organisatoren von der Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen galt: Die Wege und Irrwege einer Vertreibungsliteratur, die vom Vergangenen und Heimweh erzählt, kennt nur der, der alles verlassen hat.
Die Vorträge schlugen einen Bogen von der Vertreibungsliteratur des Banats mit „Wanderungen durch die Karpaten Kakaniens“ Otto Alschers, dem „Spannungsfeld zwischen nationaler Selbsterhaltung und europäischer Gesinnung“ Adam Müller-Guttenbrunns zur ungarndeutschen Gegenwartsliteratur, der serbischen und kroatischen Literatur, der Rezeption der Vertreibungsliteratur bis hin zu Rumäniens Autoren sowie der Aktionsgruppe Banat. Obwohl die kulturgeschichtlichen Hintergründe die gleichen sind, waren die Entwicklungen und die Rezeption der Literatur der Donauschwaben sehr unterschiedlich.

Christine Czaja von der Kulturstiftung der Deutschen Vertriebenen begrüßte die Gäste und verlas eine Botschaft des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch, der als Junge miterlebt hat, wie sein sechzehnjähriger Bruder und 211 weitere Männer seines donauschwäbischen Dorfes grausam umgebracht worden sind. Er hat stets an das Martyrium der Donauschwaben erinnert – eine Mahnung, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen mögen. Eine mahnende Rolle hat auch die Literatur. Ein gemeinsames Identitätsbewusstsein bildete sich erst spät (1975 nach Einführung eines Wappens, einer Hymne und Fahne). Grund dafür ist die Herkunftsverschiedenheit, wie Stefan Teppert, wissenschaftlicher Leiter der Tagung, auch ein Sohn von Donauschwaben, betonte. Beeindruckend erzählte Helga Korodi über Otto Alschers Metamorphose. Anhand von Schautafeln zeigte sie Wirkung und Wirkstätten Alschers und führte uns zu vergangenen Orten (die Insel Ada Khaleh), die im Leben und Werk dieses pazifistischen Dichters mit seinen Vorlieben für Tiergeschichten, Zigeuner und den „Mühselig und Beladenen“ wichtig waren. Eine ganz andere Lebensgeschichte wird im Werk Adam Müller-Guttenbrunns verdeutlicht, wie Dr. Andras F. Balogh (Klausenburg) schilderte. Verkannt oder überhöht? Die Rolle Guttenbrunns ist noch nicht geklärt, eine Diskussion über seine vermeintlich antisemitische Haltung brachte die Meinungen auseinander. Guttenbrunn war der Mythen-Dichter der Banater, obwohl er nicht so viel gelesen wurde.

Dr. Eszter Propszt (Szeged) sprach über die ungarndeutsche Literatur. Sie interpretierte Gedichte einiger weniger bekannten Lyriker: Engelbert Rittinger, Nikolaus Marnai, Claus Klotz, Georg Fath und Josef Michaelis. Themen wie Heimat, Muttersprache, Herkunft ziehen sich wie ein roter Faden durch diese Lyrik. „Heute lernen unsere Nachkommen im Kindergarten als Muttersprache eine Fremdsprache…“, so Josef Michaelis in „Agonie“. Mit Mladen Markov, Ljudevit Bauer und Dragi Bugarcic gewährte uns Leni Perencevic einen historischen Rückblick auf die serbische und kroatische Literatur seit 1945.

Von der Aktionsgruppe Banat las Johann Lippet aus seinem Roman „Bruchstücke aus erster und zweiter Hand“ – der dritte Teil einer Familien-Trilogie: die Rückkehr in das Banater Dorf zwischen Moderne und Tradition, ein wertvolles Stück Erinnerung. Herta Müller, Richard Wagner, Johann Lippet, Franz Storch, Franz Liebhard, Hans Bergel, Eginald Schlatter und ihre literarischen Verarbeitungen des Zweiten Weltkriegs waren das Thema von Dr. Olivia Spiridon (Tübingen). Helmut Ewert aus Weißkirchen las ein Fragment einer unveröffentlichten Geschichte, „Die schreckliche Treue der Toten“ – Erinnerungen an Kindheit, Flucht, Vertreibung.

Fazit: Nur wenige dieser Autoren schafften einen Durchbruch in der gesamtdeutschen Öffentlichkeitswahrnehmung. Das Schicksal der Donauschwaben bleibt erinnert und das ist die gute Botschaft dieser Tagung. Wissenschaftlich noch nicht erfasst, literarisch jedoch vielfach verarbeitet, sind sie nicht vergessen. Im Raum steht auch die Frage nach der Mitschuld der Donauschwaben an ihrer Vernichtung. Das hat auch Johannes Weidenheim, Schriftsteller von der „Gruppe 47“, der vielmals zitiert wurde auf der Tagung, im Buch von Stefan Sienerth verdeutlicht. Nicht Heimatliteratur ist es, was die Autoren schreiben, sondern eine Erlebnis- und Erinnerungsliteratur. Ivan Poljakovic sprach in seinem Vortrag davon, dass es sich nicht um Minderheitenliteratur, auch nicht Regionalliteratur handele, denn Heimatvertreibung wird auch bei Günter Grass oder Siegfried Lenz thematisiert. Da Erinnerung eine Notwendigkeit des Menschen ist, galt die Forderung der Referenten im Einklang mit den Teilnehmern, die Vertreibungsliteratur bibliographisch und wissenschaftlich in der deutschen Literatur zu verorten, wie etwa die Schweizer Literatur. Eine Zukunftsaufgabe.

Katharina Kilzer

Schlagwörter: Donauschwaben, Banat, Tagung, Literatur

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