21. Juni 2013

Zu Gast bei der kunsthandwerklich begabten Siebenbürgerin Katharina Zeides

Wer durch den hessischen Kurort Bad Arolsen spaziert, kommt in der Bahnhofstraße nicht darum herum, seinen Blick auf einen Laden zu werfen, dessen Fassade, im Stil von Klimt und Hundertwasser gestaltet, die Neugierde des Kurgasts weckt. Was wohl diese „Künstlerstube“ beherbergt?
Tritt man heran, so erblickt man die Inhaberin Katharina Zeides (55), die meist in einem der Bereiche sich nähend oder stickend betätigt, während im Ausstellungsraum eine Vielfalt von kunsthandwerklichen und sogar künstlerischen Artikeln zur Betrachtung angeboten werden. Betritt man den Laden, so kommt sie einem freundlich entgegen. An ihrem Tonfall erkennt man noch immer die Siebenbürgerin. Das „Waldecker Platt“ hat sie in all den Jahren nicht übernommen.

Schon in frühester Kindheit kam die Großpolderin mit unterschiedlichen handwerklichen Techniken in Berührung. Brauchtum wurde in ihrem Umfeld groß geschrieben. So durfte sie beim Gestalten der heimatlichen Tracht mithelfen und war fasziniert von der Perlenstickerei, die bis heute ihre Arbeiten zieren wird. Sie hegt „Ehrfurcht für die schönen Dinge aus Folklore, bildender Kunst und heimischer Natur“, wie es die eher introvertierte Dame ausdrückt.

Der unverkäufliche Wandbehang „Siebenbürgen – ...
Der unverkäufliche Wandbehang „Siebenbürgen – süße Heimat“, 110 cm x 50 cm.
Die ehemalige Brukenthalschülerin arbeitete bis zu ihrer Aussiedlung 1980 in einem Hermannstädter Betrieb als Kleiderkonfektioneuse. Sie ehelichte den in Bad Arolsen schaffenden Schreinermeister Theo Zeides und wurde in dem barocken Städtchen heimisch. Im familieneigenen Betrieb schafft die gebürtige Unterwälderin als Bürokauffrau, ist zweifache Mutter und Hausfrau zugleich.

Trotz mehrfacher Inanspruchnahme war und ist sie stets bestrebt, ihre schöpferische Begabung zum Kunsthandwerk nicht zu verschlafen. Sie unterhält Beziehungen zu einheimischen Amateurkünstlerinnen, erlernt besondere Techniken und entdeckt Materialien, die ihr zu Schöpfungen hervorragender Originalität verhelfen. Sie ist keine Plagiatorin, wenn auch der Wiener Sezessionsstil und die Hundertwasser’sche Ablehnung der geraden Linie sie fasziniert. Alljährlich ist sie auf Ausstellungen und Verkaufsmessen dabei – über 30 waren es bisher –, auf denen sie Aquarelle, Seidenmalerei, Bilder in Acryl, Gobelins mit Perlenstickerei sowie Wandbehänge in Patchwork-Technik präsentiert. Katharina Zeides wurde bisher von keinem Siebenbürger Medium wahrgenommen, ist hingegen den Lesern der „Waldeckischen Landeszeitung“ wohlbekannt. In den Zeitschriften „Lena’s Patchwork & Applikationen“ und „Anna – Spaß an Handarbeiten“ wurden schon mehrere ihrer Kreationen veröffentlicht. Seit Sohn und Tochter einen Zweig der hundertjährigen Firma übernommen haben, eröffnet sich für die begabte Siebenbürgerin ein zeitlicher Spielraum, der es ihr ermöglicht, sich noch mehr auf das kunsthandwerkliche Schaffen zu konzentrieren. In drei Räumlichkeiten schafft sie Unvergängliches. Im Wintergarten, wo günstige Lichtverhältnisse herrschen, entstehen die Aquarelle. In einem Nebenraum des Ladens werden die Kundenaufträge abgewickelt und im Atelier im ersten Stock des Wohnhauses entstehen die Patchwork-Kreationen. Da möchte man als Gast länger verweilen, um zu erfahren, wie aus einem Haufen Stoffflicken unterschiedlichster Farben, die für einen Nichteingeweihten zum Abfall gehören müssten, wahre Schöpfungen entstehen. „Ein kreatives Chaos“, lächelt Katharina, indem sie auf die Regale und auf die am Fußboden herumliegenden bunten Flicken hinweist. Die aus dem Alten Orient stammende Flickwerktechnik verbreitete sich nach den Kreuzzügen in Europa und belebt heute eine ganze Sparte der Textiltechnik auch in Deutschland. Die Künstlerin führt einige ihrer Kreationen vor.

Die Großpolderin Katharina Zeides kreiert aus ...
Die Großpolderin Katharina Zeides kreiert aus einem Haufen Stoffflicken unterschiedlichster Farben wahre Schöpfungen.
Ein Blick auf einen Wandbehang (110 cm x 50 cm): „Siebenbürgen – süße Heimat“. Der wurde schon beim Zeidener HOG-Treffen 2012 von einer Sachverständigen zum „kleinen Kunstwerk“ erklärt. „Der wird nicht verkauft“, lässt einen die Schöpferin wissen, und sie erklärt, welche Botschaft sie an den Betrachter schickt: „Angeregt hat mich Maximilian Leopold Moltkes Siebenbürgen, Land des Segens, der Inhalt und die Farben des Siebenbürger Wappens, die gleichzeitig auch die der Fahne sind, unter der wir gelebt haben. Der blaue Himmel, der Rebensaft, der Meeresboden, die Ährenwogen, aber nicht zuletzt auch die Trümmer der Vergangenheit und die dramatische Geschichte dieses Landes sollen lesbar sein, die bunte Völkerschar – symbolisch dargestellt aus Fragmenten folkloristischer Textilien –, die den siebenbürgischen Tempel bewohnt, sowie der Geist der Toleranz, der das Zusammenleben der Konfessionen kennzeichnet, dargestellt mit dem Auge Gottes“. Der „Eintracht Band“ schlingt sich über das gesamte Bild und über die Verse des Dichters in Form einer Partitur zu Johann Hedwigs Melodie, die unsere Landsleute gerne zu ihrer Hymne erhoben haben. Nicht zu verkaufen, aber beeindruckend für jeden Betrachter – ein kleines Lehrbuch über den Wert der siebenbürgischen Vergangenheit, und nicht zuletzt ein Zeugnis der tief empfindsamen Seele einer begabten Tochter unserer Heimat, die es verdient, auch dem siebenbürgischen Publikum nähergebracht zu werden.

Wolfgang Gerhard Binder

Schlagwörter: Kunsthandwerk, Großpold

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