10. August 2014

Helmut von Arz: Aphorismen und Notate

Ästhetik, Marxistische
Eine Fiktion eigener Art, früher in höheren Studienjahrgängen gelehrt. Eine Wissenschaft, deren Gegenstand es bekanntlich nicht gibt und deren Methode keine rationalen Grenzen kennt. Denn Marx und Engels haben sehr vieles erörtert, doch am allerwenigsten Fragen der bildenden Kunst.


Altern
Man sagt, man möchte etwas tun gegen das Vergessen, meint aber: gegen das Vergessenwerden.


Aphorismus I
Unerwarteter Blitz beim Stolpern übern Gemeinplatz; leuchtet er auch nur kurz, regt er das Selbstgespräch an.


Aphorismus II
Metakritischer Vorteil – Eigenheit des Aphorismus: Der Zitierte kann sich nicht beklagen, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen.


Askese
Kann nicht auch ein Esel asketisch sein? Nein, er sieht nur so aus.


Aufklärung
Lichtenberg plädiert für die aufgehende Sonne als passendes Emblem der Aufklärung. Doch die Bildende Kunst bleibt vieldeutig: Jakob Böhme wählte das gleiche Titelbild! Merke: Ob ein Gestirn auf- oder untergeht, ist auf einem Bild nicht zu unterscheiden.


Geschichte I
Aus der Geschichte lernen, hm. Na schön: meint wohl zuerst, die Geschichte lernen; doch das geht nicht, denn die Geschichte gibt’s nicht. Jeder hat wohl seine Geschichte, doch das kann ja auch nicht gemeint sein. Bleibt also: aus der Geschichte der anderen lernen! Oder besser: erfahren, dass man in der Geschichte der anderen vorkommt, und vor allem: wie man darin vorkommt. Das kann allerdings sehr aufschlussreich sein!


Geschichte II
„Die Geschichte“ wiederholt sich nicht – wohl eher die gleichbleibenden Argumente streitender Parteien.


Fixe Ideen
Ideen hat man nicht oft, doch wenn, dann eben fixe (frei nach dem rumänischen Studentenspruch von 1953: „Are idei puține, dar fixe.“)


Impressionismus
Die impressionistische malerische Brillanz: das rasche, sichere Erfassen des Gegenstandes und die raffinierte Andeutung in eleganter Malweise, viel artistische Intelligenz, vergleichbar der Anspielung – man wiederholt nicht Bekanntes, und man gibt zu verstehen, dass man mehr kann und weiß, als man zeigt. Im Gegensatz dazu steht die Banalität des Motivs; man kann auch dem banalen Gegenstand eine nicht-banale Sicht abgewinnen. Vgl. Ironie!


Kitsch & Ideologie
Kitsch verhält sich zu Kunst und Kritik wie Ideologie zu Religion und Wissenschaft. Ideologie funktioniert (nach A. Sinowjew) auch dann, wenn daran weder geglaubt, noch damit etwas bewiesen wird.


Über Kunst
So? Du kannst mit solcher Kunst nix anfangen? Hast es schon mit Sammeln versucht?


Etwas von Lenin
Lenin sagte: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Was ich nach meinen Erfahrungen mit dem realsozialistischen Überwachungsstaat bald abänderte in: „Bestechung ist gut, Erpressung ist besser“.


Lieblingsort
Wo halten sich die Sachsen am liebsten auf? In ihrer Geschichte.


Menzel
Alles recht und richtig, was Liebermann über Menzel schreibt. Bleibt aber die Frage: Wie kommt es, dass seine tausend Zeichnungen sofort auffallen, weil sie erkennbar von seiner Hand sind – und sehr schön.

„Was ist Realität?“
Naturalismus, paradox
Wirklichkeit und Natur, um sie im Bild zu gestalten, immer um Wahrheit bemüht, braucht man doch stets Illusion.


Zeichnen
„Zeichnen heißt weglassen!“ Ja, vor allem die Theorie und die griffigen Sprüche.

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