22. September 2014

Siebenbürgen sehen und verstehen: Internationale Akademiewoche in Probstdorf

Zur 29. Internationalen Siebenbürgischen Akademiewoche, die vom 24.-30. August 2014 in Probstdorf im Harbachtal stattfand, trafen sich rund 30 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Schweden, Ungarn und Wales. Die Veranstaltung wurde von Studium Transylvanicum in Zusammenarbeit mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. (IKGS) an der LMU München und dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) organisiert und bot eine Mischung aus wissenschaftlichen Vorträgen, Lesungen, Workshops, Diskussionen und Exkursionen ins Umland. In diesem Jahr drehte sich alles um das Thema „Alltag und Koexistenz in Siebenbürgen“.
Stéphanie Danneberg (München) rahmte und grundierte das diesjährige Tagungsthema mit einem Einleitungsreferat, in dem sie Definitionsmöglichkeiten und -schwierigkeiten rund um den Begriff „Alltag“ aufzeigte.

Die Althistoriker Fabian Germerodt, Karoline Koch und Anne Zimmermann (Erfurt) gaben anschließend am Beispiel „Römischer Thermen im romanisierten Dakien“ einen Einblick in die antike Thermenkultur und deren Bedeutung im öffentlichen Leben. Entlang zahlreicher Skizzen, Abbildungen und Rekonstruktionen versuchten die Jungwissenschaftler dem Publikum Aspekte einer zeitlich fernen Alltagswelt sichtbar zu machen. Auf der Zeitachse vorrückend, setzte Roxana Licuță (Berlin) einen anderen Schwerpunkt, indem sie mit Blick auf ihr Forschungsvorhaben die Frage aufwarf, welche Veränderungen die Reformation im Alltag der Siebenbürger Sachsen mit sich brachte. Alltag und Lebensgewohnheiten der Hermannstädter im 16. Jahrhundert seien, so Roxana Licuță, ein bislang wenig beleuchteter Forschungsbereich, den sie anhand von reformatorischen Lehrschriften, Nachbarschafts- und Zunfturkunden etc. weiter erhellen wolle.

Stéphanie Danneberg (München) rahmte und grundierte das diesjährige Tagungsthema mit einem Einleitungsreferat, in dem sie Definitionsmöglichkeiten und -schwierigkeiten rund um den Begriff „Alltag“ aufzeigte.

Die Althistoriker Fabian Germerodt, Karoline Koch und Anne Zimmermann (Erfurt) gaben anschließend am Beispiel „Römischer Thermen im romanisierten Dakien“ einen Einblick in die antike Thermenkultur und deren Bedeutung im öffentlichen Leben. Entlang zahlreicher Skizzen, Abbildungen und Rekonstruktionen versuchten die Jungwissenschaftler dem Publikum Aspekte einer zeitlich fernen Alltagswelt sichtbar zu machen. Auf der Zeitachse vorrückend, setzte Roxana Licuță (Berlin) einen anderen Schwerpunkt, indem sie mit Blick auf ihr Forschungsvorhaben die Frage aufwarf, welche Veränderungen die Reformation im Alltag der Siebenbürger Sachsen mit sich brachte. Alltag und Lebensgewohnheiten der Hermannstädter im 16. Jahrhundert seien, so Roxana Licuță, ein bislang wenig beleuchteter Forschungsbereich, den sie anhand von reformatorischen Lehrschriften, Nachbarschafts- und Zunfturkunden etc. weiter erhellen wolle.

Die Diskussionslust der Teilnehmer zeigte sich im Anschluss an die Forschungsskizze Bálint Vargas (Budapest), der mit Blick auf die Großstädte Siebenbürgens im Zeitkorridor 1880-1910 anhand archivierter ungarischer Statistiken und Matrikeln eine breit-praktizierte Mehrsprachigkeit unter der Zuspitzung „Mythos Mehrsprachigkeit“ in Frage stellte. In ihrem facettenreichen Beitrag mit dem Titel „Alltag und Identität. Eine Kommunikationstheorie der Nation“ beleuchtete Catherine Roth (Lille) aus kommunikationstheoretischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Gemengelage von Alltag und Identitätskonstruktion. Im Mittelpunkt stand dabei das Beispiel des Siebenbürgischen Karpatenvereins.

Der Politologe Cristian Cercel (Swansea) analysierte in seinem theoretisch-fundierten Vortrag die Erinnerungs- und Gedächtniskultur, bezogen auf die Flucht und Deportation von Rumäniendeutschen in den Jahren 1944 und 1945. Er zeigte Mechanismen und Strategien der Erinnerungsbildung auf, benannte deren mögliche Manifestationen und thematisierte die verschiedenen strukturellen Ebenen, die an der Erinnerungsbildung beteiligt sein können.
Siebenbürgischer Alltag im Fokus. In einem Foto ...
Siebenbürgischer Alltag im Fokus. In einem Foto-Workshop lassen die Teilnehmer der 29. Akademiewoche die historisch-fotografischen Alltagsinszenierungen der Gebrüder Fischer aus Hermannstadt auf sich wirken. Foto: Florian Kührer-Wielach
Aus religionswissenschaftlicher Perspektive berichtete Marian Pătru (Hermannstadt) über die „Politische Ethik der orthodoxen Kirche“ im Siebenbürgen der Zwischenkriegszeit. Mit Blick auf die kirchliche Presse jener Jahre rekonstruierte und problematisierte er die zur Vereinnahmung des gesamten Staates tendierenden Positionen der orthodoxen Kirche. Thomas Șindilariu (Kronstadt) zeichnete am Beispiel des Bischofs der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien Friedrich Müller-Langenthal (1884-1969) die Bemühungen des rumänischen Geheimdienstes Securitate nach, durch Anwerbung von Informanten und Verleumdungskampagnen seinen Einfluss geltend zu machen und die Drängung des Bischofs aus seinem Amt zu forcieren. Ein literaturwissenschaftlicher Zugang zum Thema „Alltag“ wurde von Silvia Petzold (Jena) wahrgenommen. Sie sprach in ihrem Vortrag über Paul Schusters (1930-2004) Roman „Fünf Liter Zuika“ und verdeutlichte dabei das feine Wechselspiel von Annäherung und Distanzierung in den Narrativen der Erinnerung.

Auch Emese Veres (Budapest) trug zur Multiperspektivität auf das Tagungsthema bei, indem sie am Beispiel der Tagebücher und Gedichte des burzenländischen Bauern Fóris István eine mögliche Alltagswelt der Tschangos im 19. und 20. Jahrhundert nachskizzierte und ausdeutete. Angelika Beer (Berlin) berichtete in ihrem Vortrag „Die letzte Ehre erweisen. Zum Umgang mit Tod und Trauer im siebenbürgischen Alltag, vorgestellt an den Bräuchen verschiedener Ethnien des Hermannstädter Stadtteils Neppendorf/Turnișor“ von einer Begräbniszeremonie, die sie als teilnehmende Beobachterin miterlebt hatte, und beschrieb den Umgang mit Tod und Trauer als spezifische Kulturtechnik, die einen besonderen Bestandteil der Alltagswelt bildet.

Die beiden Darstellungen von Philippe Blasen (Jassy) und Sven Niemann (Paderborn) dokumentierten die Alltagsthematik aus einer bildlichen Perspektive: Während Blasen die Tagungsgäste dazu einlud, sich eine Alltagsszenerie im alten (und mittlerweile von einer Donaustauung überfluteten) Orschowa der Belle Époque anhand von Postkarten und Sammelbildern vorzustellen, benannte Niemann Graffitis als mögliche Quellengattung zur Beschreibung von „Alltag und Koexistenz in Siebenbürgen“. Der vergnügliche Vortrag gab nicht nur einen Einblick in die Graffiti-Szene Siebenbürgens, sondern suchte nach wissenschaftlichen Systematisierungsmöglichkeiten für das Graffiti-Phänomen und mündete in eine angeregte Diskussion.

Die 14 wissenschaftlichen Vorträge wurden von Projektberichten und Workshops ergänzt: Hugo-Alexander Frohn, Lehrer am Hermannstädter Brukenthal-Lyzeum, berichtete vom Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“, an dem seine Schüler mit Einfallsreichtum und Erfolg teilgenommen hatten. Anhand der Präsentation eines Foto-Projekts zum Thema „Sächsisch/Deutsch in Hermannstadt in Geschichte, Gegenwart und Zukunft“ konnten sich die Tagungsteilnehmer einen weiteren Eindruck von den Aktivitäten der Brukenthal-Schüler verschaffen. Christian Linhorst (Berlin) gestaltete einen Workshop, in dem er die Teilnehmer dazu anregte, Motiven und Inszenierungen des Alltags im fotografischen Nachlass der Gebrüder Fischer aus Hermannstadt nachzuspüren.

Eine weiteren spannenden Kontrast zum wissenschaftlichen Programm stellte die augenzwinkernde Lesung Elmar Schenkels (Leipzig) dar. Der Anglist, Schriftsteller und Stadtschreiber von Katzendorf (2011) faszinierte und amüsierte die Teilnehmer durch seine präzisen und pointierten Beobachtungen der siebenbürgischen Alltagswelt aus poetischer Perspektive. Während Schenkels Lesung ihre humoristischen Töne durch Mittel der Wiedererkennung und Distanznahme erzeugte, emotionalisierte der Zeitzeugenbericht Kurtfelix Schlattners (Hermannstadt) die Zuhörenden in eine andere Richtung. Aus seinen sehr nachdenklich stimmenden Ausführungen unter dem Titel „Wenn Täter zu Opfern werden. Mutation der Vergangenheit: eine Frage des Gewissens. Alltag im rumänischen Strafvollzug – gestern und heute“ ergab sich den Zuhörern ein erschütterndes und aufwühlendes Bild der Diktatur-geprägten Zeit in Rumänien.

Das abwechslungsreiche Tagungsprogramm der 29. Siebenbürgischen Akademiewoche bot nicht zuletzt eine Pferdewagen-Exkursion in die Nachbargemeinden Malmkrog und Jakobsdorf unter der Leitung des Archäologen Robin Gullbrandsson (Floby). Die diesjährige Gastgeberin der Siebenbürgischen Akademiewoche, Barbara Schöfnagel (Probstdorf), betreute und bewirtete nicht nur die Tagungsgäste, sondern berichtete in eindrücklicher Weise über das seit 2007 laufende Armutsbekämpfungsprojekt in Probstdorf. Am Ende der Tagungswoche stand neben einem geselligen Grillabend das rührige Aufspielen einer der „letzten echten“ Sachsenkapellen in Siebenbürgen.

Auch in diesem Jahr hat sich wieder gezeigt, dass die Siebenbürgische Akademiewoche und der offene Kreis Studium Transylvanicum von der Vielfalt der Themen und Zugänge zur Geschichte und Kultur Siebenbürgens leben. Darum möchte diese Plattform auch in Zukunft allen Interessierten die Möglichkeit bieten, sich mit der Region in vertiefter Weise auseinanderzusetzen.

Joachim Schneider

Schlagwörter: Akademiewoche, Probstdorf, Studium Transylvanicum, IKGS

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