27. November 2014

Stuttgarter Vortragsreihe erreicht das Schwabenalter

Seit 40 Jahren besteht in Stuttgart eine von der Landesgruppe Baden-Württemberg seinerzeit initiierte und seit 1974 ohne Unterbrechung durchgehaltene Reihe von Vortragsabenden, die sich nach wie vor, bei einem hohen kulturellen Niveau, beachtlicher Breitenwirkung erfreut. Bekannt als „Stuttgarter Vorträge“, sind die Veranstaltungen Anziehungspunkt für Landsleute unterschiedlichster Interessensphären, weil sich die Verantwortlichen offenbar stets dem Goethe-Wort verpflichtet gesehen haben: „Wer vieles [oder vielerlei] bringt, wird manchem etwas bieten.“
Die Reihe begann 1974 mit einer Lesung von Hans Bergel. Und hochsprachliche wie mundartliche Literaturproduktionen, aber auch literaturgeschichtliche Themen und Fragen der Rezeption von Literatur blieben über die Jahre hinweg Schwerpunkt der Veranstaltungsreihe. Zumindest gleichwertig von der Gewichtung her waren die historischen Themen vertreten. Die meisten Vorträge dieser Sparte wandten sich der alten Heimat zu, doch neben Siebenbürgen, seinem Schulwesen, seiner Kirche, seinen Städten und Gemeinden, seinen Kunstdenkmälern befassten sich Referenten auch mit den Gegebenheiten der neuen Heimat, wobei es meist um Baden-Württemberg ging. Ebenso war die siebenbürgisch-sächsische Tracht, waren Volkskunde und Volkskunst, Musik, Malerei, Architektur, insbesondere die Kirchenburgen, aber auch medizinische Fragen und allgemein biologische Themen vertreten, wie zum Beispiel Siebenbürgens Fauna und Flora. Hinzu kamen Persönlichkeiten der siebenbürgischen Geschichte, alte Reisebilder aus Transsilvanien und Reiseberichte von Siebenbürgern, die fast immer als Diavortrag, manchmal auch als Multimediashow zu den unterschiedlichsten Teilen der Welt dargeboten wurden. All das gab es und gibt es immer noch.

Entstehung und Geschichte der Vortragsreihe

Vom Landesvorstand seinerzeit beschlossen, setzte die damalige Kulturreferentin Hermine Höchsmann in den Jahren 1974 1976 das Konzept in die Tat um, wonach die Vorträge und Lesungen zunächst von einer Ausstellung oder einer musikalischen Umrahmung begleitet wurden. Dieses Konzept spielte vor allem bei den frühen Veranstaltungen im Stuttgarter Hotel Wartburg eine Rolle, später nur noch im Ausnahmefall. Zur Regel wurde nämlich der Vortrag mit anschließender Diskussion. Diese war und ist fast immer zweiteilig. Der erste Teil schließt sich unmittelbar im Vortragssaal an, der zweite findet dann in lockerer Runde bei einem Imbiss im Foyer des Hauses der Heimat statt. Beide sind in hohem Maße personenintensiv, was mit zur Breitenwirkung der Reihe beiträgt.

Hermine Höchsmann, ihres Zeichens Biologie- und Sportlehrerin, war für die Stuttgarter Vorträge bis 1984 zuständig. Ihr Nachfolger im Landeskulturreferat wurde der Historiker Manfred Huber aus Freiburg. Zusammen mit Otto Depner, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden, betreute er die Vortragsreihe bis 1992. Neben den beiden wirkten bei der Organisation auch Melitta Capesius und Helmut Müller mit.

Seit 1993 werden die Vorträge vom Literaturwissenschaftler Siegfried Habicher betreut. Als Beisitzer standen ihm seine Frau Traute Habicher und Helmut Müller zur Seite. Darüber hinaus gewährten und gewähren auch die Referenten für Organisation, der inzwischen verstorbene Otto Maurer sowie Rolf Speck und Sieghard Kirschner, bei Bedarf Schützenhilfe. Bedenkt man ferner, dass die baden-württembergischen Landesvorsitzenden Richard Löw und Alfred Mrass wie auch die Leiterinnen der Stuttgarter Geschäftsstelle Elsa Sill (†), Gerhild Reip und Ingrid Augustin immer wieder mitgeholfen haben und mithelfen und dass die siebenbürgischen Spezialitäten, die beim Imbiss zu Getränken gereicht werden, auch vorbereitet werden müssen, so kann man ermessen, mit welchem Aufwand die Vortragsreihe verbunden ist. Allen Mitstreitern, den Rezensenten der Veranstaltungen, wie u.a. Hans-Jürgen Albrich, Alfred Mrass, Helmut Wolff, und Helfern, die zum Gelingen der Reihe beigetragen haben, sei auch auf diesem Wege herzlich gedankt.

Zum Vorbereiten der Vortragsabende gehört freilich nicht nur das Bereitstellen von leckeren Häppchen, wobei sich früher besonders Familie Krestel aus Stuttgart, nach 1995 Hilda Miklos und Traute Habicher aus Rottweil auszeichneten, sondern primär auch das planende Gestalten, wie es sich in der Auswahl von Vortragenden konkretisiert, die man dafür zu gewinnen hat. Hierbei muss man monate- bis jahrelang vorausplanen, mögliche Referenten zeitgerecht ansprechen, angebotene Themen auf ihren Aktualitätswert oder ihre Kompatibilität mit der Reihe hin abklopfen. Denn mit dem stimmigen Konzept, vor allem aber mit dem Format der Vortragenden und Lesenden steht und fällt die Klasse einer solchen Reihe. Doch diesbezüglich gab es während der 40 Jahre keine Probleme. Neben Autoren und Autorinnen wie Wolf von Aichelburg, Hans Bergel, Dagmar Dusil Zink, Irmgard Höchsmann-Maly, Eva Lubinger, Walter Myss, Bernhard Ohsam, Georg Scherg, Hellmut Seiler, Harald Siegmund und der jungen Iris Wolff standen in Stuttgart Historiker wie Gustav und Konrad Gündisch, Horst Göbbel, Michael Kroner, Thomas Nägler, Harald Roth, Ernst Wagner oder Harald Zimmermann am Rednerpult, um hier nur die namhaftesten zu nennen.

Auch ausgewiesene Wissenschaftler anderer Sparten wie die Theologen Ludwig Binder, Hans R. Lienert und Paul Philippi oder Komponisten bzw. Musikwissenschaftler wie Heinz Acker, Horst Gehann, Karl Gorvin, Ernst Irtel und Karl Teutsch gehörten ebenso zu den Referenten wie die Volkskundlerinnen Gerda Bretz-Schwarzenbacher, Katrin Mönch und Irmgard Sedler. Der Kultur- und Kunstkenner Hans-Werner Schuster würzte seinen Vortrag über die Funktion des Witzes mit guten Witzen, der Filmproduzent Günter Czernetzky zeigte wiederholt Filmbeiträge zu aktuellen siebenbürgischen Themen, die Politologin Anneli Ute Gabanyi berichtete über den Exodus der Siebenbürger Sachsen, der Literaturwissenschaftler Stefan Sienerth über den Kronstädter Schriftstellerprozess von 1959, während Peter Motzan das Bild der Schwarzen Kirche in der siebenbürgisch-deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts aufgriff. Den Bambi-Gestalter Kurtfritz Handel konnte man in Stuttgart als einfühlsamen Hesse-Rezitator erleben. Der Pianist Peter Szaunig illustrierte mehrere Lesungen musikalisch brillant, präsentierte aber auch sein eigenes Buch. Musik aus Siebenbürgen boten außerdem das Klausenburger Barockensemble Transylvania, der Pianist Rainer Klaas, das Quartett De Lidertrun und der Liedermacher Hans Seiwerth.

Während der neunziger Jahre hielten mit Hannelore Baier, dem Kronstädter Archivar Gernot Nußbächer und dem Hermannstädter Universitätsdozenten Udo-Peter Wagner, Landsleute in Stuttgart Vorträge, die noch in der alten Heimat zu Hause sind. Mit Heinz Heltmann, Walter König, Christoph Machat, Hans Mieskes, Georg Weber oder Herta Wilk waren weitere sehr bekannte Wissenschaftler oder Publizisten in der Vortragsreihe vertreten. Nicht zuletzt war Wilhelm Bruckner – wie Heinz und Marianne Acker, Hans Bergel, Konrad Gündisch oder Irmgard Sedler – wiederholt agierender Gast im Stuttgarter Haus der Heimat.

Der Historiker Konrad Gündisch, der am 27. Februar 2015 zum Thema „Mongolensturm in Siebenbürgen“ referieren wird, sorgt auch dafür, dass die Stuttgarter Vortragsreihe einen guten Start ins Schwabenalter hat.

Siegfried Habicher

Schlagwörter: Stuttgarter Vortragsreihe, Jubiläum

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