29. März 2017

Melitta Müller-Hansen: "Reformation – eine europäische Bewegung auch in Siebenbürgen"

Die Kirchenrätin und Pfarrerin Melitta Müller-Hansen hielt am 5. März in Ingolstadt einen hervorragenden Vortrag über die europäische Reformation vor 500 Jahren.
Sehr viele Interessenten fanden sich am 5. März im Vereinsheim der Siebenbürger Sachsen in Ingolstadt ein. Schon eine halbe Stunde vor Beginn des Vortrages waren alle Plätze belegt, ein Beweis dafür, dass dieses Thema bei den Siebenbürger Sachsen von großer Bedeutung ist. Manfred Binder, Vorsitzender der Kreisgruppe Ingolstadt, begrüßte die Referentin und stellte sie kurz vor. Aus Großscheuern stammend und im Alter von 17 Jahren ausgesiedelt, studierte Melitta Müller-Hansen Theologie in Erlangen und Heidelberg. Erste Berufserfahrungen sammelte sie als Gemeindepfarrerin in München und dem dortigen Umland. Seit 2014 ist sie Beauftragte der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Bayern und verantwortet neben anderen Tätigkeiten Live-Gottesdienste für Hörfunk und Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk (siehe Interview in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 20. April 2015).
Die Pfarrerin und Kirchenrätin Melitta Müller ...
Die Pfarrerin und Kirchenrätin Melitta Müller-Hansen hielt in Ingolstadt einen Vortrag über „500 Jahre Reformation – eine europäische Bewegung auch in Siebenbürgen“, Manfred Binder dankte ihr mit einem Blumenstrauß. Foto: Wilhelm Theil
Melitta Müller-Hansen stellte die Reformation als eine Bewegung dar, die Teil einer noch größeren Weltveränderung war. Ein neues Medienzeitalter war angebrochen durch den Buchdruck, die Welt war größer geworden durch die Entdeckung Amerikas. Durch Johanes Keplers Berechnung der Planetenbahnen rückte die Erde aus dem Zentrum und schrumpfte auf die Größe eines Planeten, der um die Sonne kreist. Und dann kam mit der Reformation die Infragestellung der kirchlichen Autoritäten. Zwischen Gott und Mensch sollte es keine Mittler geben, Priester Papst und Konzilien könnten irren. Luther stellte das Priestertum aller Gläubigen in den Mittelpunkt und entwickelte die Idee vom mündigen Christen, der die ins Deutsche übersetzte Schrift von nun an selbst lesen können sollte. So wurde die Reformation am Ende auch ein großes Bildungsprogramm. Sie erfasste und veränderte im 16. Jahrhundert ganz Europa und hatte viel mehr Akteure, als die großen drei: Martin Luther, Huldreych Zwingli und Johannes Calvin. Jede große Stadt und jede Gegend brachte ihre eigenen Reformatoren hervor. So auch Siebenbürgen mit Johannes Honterus.

Nach diesen einführenden Worten ging Müller-Hansen im ersten Teil ihres Vortrages auf die Person, das Leben und das Wirken des großen Reformators Dr. Martin Luther ein. 1483 in Eisleben geboren, wurde er Augustinermönch mit dem heißen Verlangen, ein gottgerechtes Leben zu führen. Aus der Erfahrung, dass das menschenunmöglich ist, wuchs die große Sehnsucht nach einem gnädigen Gott in ihm heran. Mittlerweile Doktor der Theologie und Universitätsprofessor in Wittenberg, veröffentlichte er am 31. Oktober 1517, dem heutigen Reformationstag, seine 95 Thesen wider den Ablassmissbrauch und setzte auf diese Weise die Reformation in Gang. Allein die Gnade, allein die Schrift, allein der Glaube und allein Christus sind entscheidend für das Verhältnis Gottes und der Menschen. Kein Geldgeschäft und kein Handel mit Gott hat in dieser Beziehung etwas zu suchen. Seine Gedanken und Lehren verbreiteten sich wie ein Lauffeuer von Wittenberg aus über Deutschland in die ganze Welt. So manches Feuer, das er entfachte, schlug auch in Gewalt und kriegerische Auseinandersetzung um. Der Teufelsglaube und die Verwerfung Andersdenkender machen Martin Luther zum Kind seiner Zeit, der nicht zum „Heiligen“ taugt und es auch nie sein wollte. Er hat das evangelische Pfarrhaus begründet, als er 1524 die Mönchkutte ablegte und 1525 die ehemalige Nonne Katharina von Bora heiratete. Er hat die evangelische Kirche begründet, als schließlich 1530 die Confessio Augustana vor dem Reichstag in Augsburg präsentiert und vom Kaiser anerkannt wurde. 1534 erfolgte die Herausgabe der Biblia in Deutsch. Luther war damit der Erste, der dem einfachen Volk die biblischen Texte zugänglich machte. Seine Sprache war kräftig, bildreich, volkstümlich und allgemein verständlich. Und das ist wohl eine der nachhaltigsten Hinterlassenschaften des Reformators.

Wie kam es zur Reformation in Siebenbürgen? Bereits sehr früh und begünstigt durch die Erfindung der Buchdruckerkunst verbreiteten sich die Schriften und Flugblätter des Reformators Martin Luther in ganz Europa bis hin nach Siebenbürgen. Kaufleute und Studenten brachten die Schriften schon 1519 von ihren Reisen mit nach Hermannstadt und sie stießen hier auf großes Interesse. Ein reger Briefwechsel zwischen Ost und West entwickelte sich, in Hermannstadt und Kronstadt wurden in kleinen Hausgemeinden Gottesdienste in deutscher Sprache und mit dem Abendmahl in Brot und Wein gefeiert. Wegbereiter der Reformation in ganz Siebenbürgen aber war Johannes Honterus, geboren 1498 in Kronstadt. Er war einer der Universalgelehrten seiner Zeit, hatte ab 1520 an der Universität in Wien studiert und ging von dort nach Regensburg, Krakau, Nürnberg und Basel. Kontakte zu humanistischen Kreisen und vielleicht auch intensivere Begegnungen mit reformatorischen Gedanken sind hier zu vermuten. 1533 nach Kronstadt zurückgekehrt, richtete er eine Druckerei ein, um seinen eigenen Werken (Grammatiken, Sternkarten, erste Karte Siebenbürgens etc.) die Verbreitung zu ermöglichen. Zuerst ordnete er das Schulwesen neu durch die erste siebenbürgische Schulordnung, die er 1543 verfasste. Zeitgleich erschien sein Reformationsbüchlein über die Durchführung der Reformation in Siebenbürgen, das mit einem Vorwort von Philipp Melanchthon, einem Weggefährten Luthers, im gleichen Jahr in Wittenberg nachgedruckt wurde. Und schließlich erschien 1547 seine Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen, die das ganze kirchliche Leben in Siebenbürgen über die Jahrhunderte geprägt hat. Nach dem Vorbild Kronstadts wurde die Reformation in Hermannstadt und schließlich auf dem ganzen Gebiet der Sächsischen Nationsuniversität durchgeführt (bis 1550). Der erste Bischof aber der Siebenbürger Sachsen wird Paul Wiener, ein Geistlicher aus Laibach (Ljubljana), der vom König in Wien zur Umsiedlung nach Siebenbürgen genötigt worden war. Auch das war ein Zeugnis der Verwobenheit Siebenbürgens mit Europa in Ost und West.

Melitta Müller-Hansen hat all das in ihrem Vortrag mit großer Kompetenz, sehr anschaulich und für jedermann verständlich geschildert. Im Anschluss nahm sie sich viel Zeit für Fragen und Gespräche. Der Nachmittag klang gemütlich bei Kaffee und Kuchen aus. Der Kreisgruppenvorsitzende bedankte sich bei Frau Müller-Hansen im Namen der Kreisgruppe mit einem Blumenstrauß für diesen besonderen Vortrag, der mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Marianne Theil

Schlagwörter: Reformationsjubiläum, Reformation, Honterus, Luther, Müller-Hansen

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  • 29.03.2017, 22:30 Uhr von Johann: "Allein die Gnade, allein die Schrift, allein der Glaube und allein Christus sind entscheidend für ... [weiter]

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