7. Mai 2017

Landler-Ausstellung im Siebenbürgischen Museum: "Das Wort sie sollen lassen stahn …"

Im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar wurde in den beiden Räumen für Wechselausstellungen am 21. April dieses Jahres eine Präsentation zum Thema Deportation evangelischer Christen aus den Erblanden der Habsburger unter Kaiser Karl VI. und seiner Tochter Maria Theresia nach Siebenbürgen eröffnet. Das Jahr und der Inhalt der Ausstellung stehen in enger Beziehung zum Lutherjahr 2017, und der Titel der Ausstellung, „Das Wort sie sollen lassen stahn …“, ist ein Vers aus dem bekannten Lied des Reformators Martin Luther „Ein feste Burg ist unser Gott“. Zugleich bringt die Ausstellung auch das Thema der Migration aus historischer Sicht ins Gespräch, indem die Lebensdramatik aber auch der Neuanfang in der Fremde anhand von Gruppen- und Menschenschicksalen aus vergangenen Zeiten den heutigen Besuchern ins Bewusstsein gebracht wird.
Über die Minderheit der siebenbürgischen Landler innerhalb einer anderen Minderheit, der der Siebenbürger Sachsen, in Rumänien ist in den letzten dreißig Jahren relativ viel publiziert worden. Sprachwissenschaftler, Historiker, Volkskundler und Theologen nahmen sich des Themas Landler an, trotzdem ist dieses im Bewusstsein vieler Siebenbürgen Sachsen und den anderen Völkern Siebenbürgens kaum bekannt.

Dr. Irmgard Sedler, die Kuratorin dieser Ausstellung, beschäftigte sich seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem Thema Landler in Siebenbürgen. Dabei forschte sie nicht nur in den Archiven in Wien, Augsburg, Budapest, Klausenburg und Hermannstadt, sondern erarbeitete sich in jahrelanger Feldforschung in den drei Landlerorten Neppendorf, Großau und Großpold ein umfangreiches Wissen über die Lebenswelt der Landler immer im Vergleich zu der sächsischen Bevölkerung der drei Orte. Die Sichtweise war interdisziplinär, erforscht wurden Eigenheiten des religiösen Lebens, der Einstellung zur Arbeit, die Besonderheiten der Kleidung und letztendlich des sozialen Zusammenhalts und der Abgrenzung.
Nachfahren der Großpolder Groß- und ...
Nachfahren der Großpolder Groß- und Unternehmerfamilie Rieger mit den zwei Kuratoren der Ausstellung Dr. Irmgard Sedler und Dr. Markus Lörz (beide rechts). Im Hintergrund die Porträts des Firmengründers Andreas Rieger und jenes seines Sohnes Richard. Foto: Werner Sedler
Dr. Markus Lörz, wissenschaftlicher Leiter des Siebenbürgischen Museums, stellte in seinen Ansprache diese Ausstellung als einen besonderen Beitrag des Siebenbürgischen Museums innerhalb der großangelegten, länderübergreifenden Veranstaltungsreihe im Kontext des europäisch gefeierten Lutherjahres 2017 dar. Er verwies auch darauf, wie wichtig es dem Museum sei, in seinen im eigenen Hause erarbeiteten Ausstellungen, dem Besucher immer wieder neue Erkenntnisse und Aspekte der jeweils präsentierten Thematik anzubieten.

Der Bundestagsabgeordnete der Sozialdemokratische Partei Deutschlands für den Landkreis Heilbronn Josip Juratovic erklärte in seine Ansprache, die Vertreibung der evangelische Christen aus den österreichische Erblanden nach Siebenbürgen sei zwar ein historisches Fakt, aber heute noch sei die Vertreibung von Andersdenkenden eine Realität, die nicht nur Europa, sondern auch die ganze Welt vor nicht leicht zu bewältigende Probleme stelle. Damit sei das Schicksal der Landler auch heute noch aktuell.

Speziell zur Vernissage war auch eine Delegation Landler aus Neppendorf nach Gundelsheim gereist. In seinem Grußwort erinnerte Dechant Dietrich Galter an die Standfestigkeit der Landlergemeinden im Glauben, der Schicksal und Haltung bestimmenden Größe einer Gemeinschaft, die auf siebenbürgischem Boden eine eigene Kultur entwickelt hat, die es auch nach dem Exodus 1990 sinnstiftend für die heutige Zeit auch vor Ort zu bewahren galt.

Die Ausstellung selbst geht auf ihrem Parcours auf mehrere wichtige Themen der über 275-jährigen Landlergeschichte in Siebenbürgen ein, greift anhand von Texten, Bildern und Originalexponaten zeitlich sogar bis ins Reformationszeitalter zurück. Überhaupt zeigt sie Exponate, die zum Großteil aus privaten Leihgaben bestehen und bis dato noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt wurden. Auch formuliert sie neue Erkenntnisse, die das Thema im Allgemeinen bereichern.

Sie setzt chronologisch bei den Auswirkungen für die Kronländer der Habsburger durch die Reformation und die Gegenreformation in Österreich an, erläutert das Phänomen des Geheimprotestantismus nach der Vertreibung der evangelischen Lehrer und Prädikanten während des 17. Jahrhunderts und die Ausweisung der Salzburger („Exulanten“) unter Erzbischof Firmian ab 1731 in die deutschen Lande. Am Beispiel der von der Obrigkeit unter Index gestellten evangelischen Bücher – einzige geistige Nahrung und religiöse Autorität für die Geheim- oder Untergrundprotestantern – thematisiert die Präsentation das Spezifische der Glaubensvorstellungen bei den späteren „Transmigranten“. Am Anfang der Schau sind u. a. Bücher zu sehen, die direkt aus Landlerbesitz stammen; so ein Johannes Arnd „Paradiesgärtlein …“ aus dem 17. Jahrhundert im ehemaligen Besitz einer Neppendorfer Landlerfamilie, welches laut Überlieferung „ins Brot eingebacken“ die Deportation nach Siebenbürgen mitgemacht hatte.
Vernissage der Landlerausstellung (von links): ...
Vernissage der Landlerausstellung (von links): Renate Köber, Pfarramtssekretärin in Neppendorf, Dr. Irmgard Sedler, Dechant und Neppendorfer Pfarrer Dietrich Galter, Historiker Dr. Mathias Beer, Hans Gromer, Vorsitzender der HOG Neppendorf, und Dr. Markus Lörz. Foto: Werner Sedler
Ein zweiter Themenabschnitt verweilt beim Wesen und dem Verlauf der „Transmigration“, einem Staatsprojekt der Habsburger im Zeichen der konfessionellen „Säuberung“ der Erblande von Protestanten. Unter diesem, die Deportationsumstände verschleiernden, offiziellen Begriff vollzogen sich zwischen 1734 und 1776 die Zwangsverschickungen der Geheimprotestanten nach Siebenbürgen. Als Nebeneffekt zur „Säuberung“ im Zeichen der Konfession beabsichtigte das Kaiserhaus (Karl VI. und Maria Theresia), das zum Habsburgerreich gehörige, infolge der Pest bevölkerungsarme Siebenbürgen mit Kolonisten zu „stabilisieren“. Die Verschickungen auf dem Wasser- und dem Landweg brachten Menschen aus dem Salzkammergut, aus Kärnten und der Steiermark in drei Schüben nachweisbar etwa 4 000 Menschen nach Siebenbürgen. Auf der Bildebene veranschaulicht die Gundelsheimer Ausstellung diesen unter den Umständen militärischer Eskortierung vollzogenen Exodus von Kärntner Transmigranten anhand einer Offenen Ordre des Kaiserlichen Kriegsrats sowie einer Originalkiste, die den Transmigranten aus dem Salzkammergut 1734 mitzunehmen gestattet war. Landkartenmaterial, das die Deportationswege veranschaulicht, ergänzt dieses Kapitel.

Die Ankunft in Siebenbürgen und die gelungene Ansiedlung in den drei späteren „Landlerdörfern“ Neppendorf, Großau und Großpold mit der Etablierung einer eigenen Landlerkultur stehen im Mittelpunkt der Schau. Zahlreiche Originalfotos, Archivalien (Hausbrief), Haustextilien und Kleidungsstücke einer 150 Jahre umfassenden Zeitspanne belegen die Eigenart dieser kulturellen Äußerungen im Unterschied zu dem Sächsischen. Sie werfen Streiflichter auf eine vielgeschichtete ländliche Lebenswelt im historischen Südsiebenbürgen. Da geht es um die verinnerlichte, alle Lebensäußerungen hinterfangene Frömmigkeit, wie sie die Ziertextilien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts fürs Hohe Bett der Guten Stube über die gestickten Sprüche vermitteln; um die unverwechselbaren Elemente der Landlertracht – Kirchenkappe, Visierhaube, Blaudrucktücher – und ihre symbolische Bedeutung im Identitätskonstrukt der altösterreichischen Landler; um die Rituale der Nachbarschaft (Weinkanne und Statuten) und der Bruderschaft (Rekrutenbräuche), um hochzeitliches (Kränzchengabe der Braut und Verlobungszeremoniell) und kirchliches Brauchtum (Christleuchter) sowie um die Bewältigung des Alltags (Markttag in Großpold, Viehhaltung in Neppendorf). Anschließend kommen auch die Mechanismen der privaten wie kollektiven Selbstversicherung sächsisch-landlerischer Eigenart und die Sinnkrise im Kontext der kommunistischen Politik der Verdrängung der Minderheiten aus dem öffentlichen Leben im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zur Sprache.

In einem abschließenden Thema widmet sich die Ausstellung dem Werdegang des Großpolder Landlers Andreas Rieger vom Bauernsohn zum Industriepionier und der Entwicklung der Ersten Hermannstädter Eisengießerei und landwirtschaftlichen Maschinenfabrik AG zu einem der wichtigsten wirtschaftlichen Unternehmen Siebenbürgens bis zum 2. Weltkrieg und darüber hinaus. Produktkataloge und hohe wirtschaftliche Auszeichnungen, Archivalien und Privatdokumente beleuchten einen bis dato zu Unrecht vernachlässigten Aspekt siebenbürgischer Geschichte, hier mit Bezug zum Landlerischen.

Werner Sedler


Die Ausstellung „ Das Wort sie sollen lassen stahn …“ im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim ist bis zum 24. September 2017 von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11-17 Uhr geöffnet.

Schlagwörter: Landler, Siebenbürgisches Museum, Schloss Horneck, Gundelsheim

Bewerten:

19 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.