2. Januar 2020

Stiftung Siebenbürgische Bibliothek: Ein Beispiel für die innige Bindung von Freiheit und Verantwortung

Freiheit und Verantwortung sind unzertrennlich miteinander verknüpft. Dieser Zusammenhang ist ein bestimmender Faktor unserer Geschichte. Ein Sklave erhält das Brot von seinem Herrn, ein freier Mensch ist selbst verantwortlich für seinen Lebensunterhalt. Nach Siebenbürgen zogen unsere Vorfahren vor allem, um der Leibeigenschaft und dem Frondienst zu entkommen.
Diese Freiheiten konnten nur durch die gleichzeitige Annahme von Verantwortung für ihren Erhalt zukunftsfähig sein. Demensprechend entschlossen sich im Lauf der Jahrhunderte unzählige Landsleute, das Leben in den Dörfern und Städten in diesem Sinne zu organisieren. Sie schufen Behörden, Vereine, Nachbarschaften etc., um die Eigenständigkeit zu festigen und zu verteidigen. Angriffe darauf gab es zur Genüge. Tatsächlich wurde die Freiheit der Siebenbürger Sachsen durch Budapest, Wien und Bukarest immer mehr eingeschränkt, was letztendlich zur massiven Rücksiedlung nach Deutschland und Österreich führte, wo freiheitliche und rechtstaatliche Verhältnisse herrschten.
Wir, die wir jetzt im „Westen“ leben, haben zwar kein eigenes Gebiet und auch keine eigene Rechtsprechung, dafür aber eine Staats- und Rechtsordnung, die unsere individuelle Freiheit und die unserer Organisationen garantiert. Wollen wir diese Freiheit nutzen und unsere Werte, Bräuche und unseren Zusammenhalt erhalten und weiterentwickeln, sind wir selbst dafür verantwortlich. Niemand nimmt uns diese Verantwortung ab. Kirchenburgen, Schulen und Behörden müssen wir keine mehr bauen, unsere eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Einrichtungen jedoch sehr wohl, wenn wir als eigenständige Gemeinschaft bestehen wollen.

Für die Aufrechterhaltung der Funktion aller unserer Einrichtungen sind wir als Gemeinschaft verantwortlich, also auch jeder Einzelne, der sich zur Gemeinschaft bekennt. Drei Bereiche dieser Verantwortung stechen hervor: Es werden Funktionsträger für die Organisation und die Weiterentwicklung der Tätigkeiten der Institutionen benötigt, die Übergabe der Verantwortung an die nachfolgenden Generationen muss geplant werden und die finanzielle Basis der Aktivitäten muss sichergestellt werden.

Für die Mehrheit unserer Gemeinschaft besteht die Verantwortung darin, Mitglied in einer Ortsgruppe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen zu sein. Der Verband vertritt die Interessen aller Gemeinschaftsmitglieder. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, auch Mitglied in mindestens einem anderen unserer vielen Vereine zu sein. Mit der Bereitschaft, mitzumachen, sich als Funktionsträger zu engagieren, die Mitglieder zu motivieren, neue Mitglieder anzuwerben und mit dem Mitgliedsbeitrag verbessert man nicht nur das Lebensgefühl der Vereinsmitglieder, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl insgesamt. Für unsere Gemeinschaft als Ganzes, unabhängig von Mitgliedschaften, gilt im Rahmen des gesellschaftlichen Zusammenhalts noch eine andere Verantwortung: Die Bereitstellung von Hilfe in besonderen Situationen, auch in finanziellen Notlagen.

Bei allen unseren Institutionen gibt es immer wieder Situationen, die zusätzliche finanzielle Unterstützung benötigen. Handelt es sich dabei um gut dokumentierte und übersichtliche Projekte, kann bei staatlichen und privaten Stellen Förderung beantragt werden. Das geschieht auch sehr oft mit Erfolg. Sehr schwer ist es jedoch, Förderbeträge zu erhalten, für Ausgaben, wie Personal-, Miet- und Nebenkosten, die dauerhaft anfallen. In diesen Fällen sind wir auf die Verantwortung der Solidargemeinschaft angewiesen. In einer solchen Lage befindet sich die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, die dem Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek und Archiv helfen will, genau diese Kosten abzudecken. Da vermutlich kein Mitglied unserer Gemeinschaft die Zeugnisse unserer Geschichte und Kultur zugrunde gehen lassen will, handelt es sich bei deren Aufbewahrung und Pflege um eine Aufgabe auf unbestimmte Zeit. Dafür benötigt die Stiftung noch einige Zeit lang die Hilfe der Gemeinschaft, um genügend stark für die Erfüllung ihrer Aufgabe zu sein. Die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek unterscheidet sich von den meisten anderen Stiftungen, die Einzelprojekte je nach Kassenlage bezuschussen. Es ist unrealistisch, die Siebenbürgische Bibliothek z. B. für ein Jahr zu schließen und das Personal zu entlassen, um vielleicht im nächsten Jahr die Mietschulden und die Nebenkosten zu begleichen und im darauffolgenden Jahr jemanden zu finden, der die Arbeit weiterführt. Hier ist Kontinuität nötig wegen der Fülle von Nachlässen und anderen Dokumenten, die jährlich der Bibliothek zur Aufbewahrung übergeben werden und wegen der Vielzahl von Nutzern, die die Dienste des Bibliothekpersonals in Anspruch nehmen.

Beirat und Vorstand der Stiftung sehen sich in der Verantwortung bei der Lösung dieser schwierigen Aufgabe. Im Namen der guten Sache bedanken sie sich ganz herzlich bei allen, die sich am Aufbau des Stiftungsvermögens bisher beteiligt haben. Wir appellieren zusätzlich aber auch immer wieder an das Verantwortungsbewusstsein aller Siebenbürger Sachsen, sich an diesem Gemeinschaftsprojekt zu beteiligen. Jedes Mitglied kann im Rahmen seiner Möglichkeiten mitmachen!

Unsere Bankverbindung: IBAN: DE75 3846 2135 0211 0290 13; BIC: GENODED1WIL;

Hatto Scheiner

Schlagwörter: Siebenbürgische Bibliothek, Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, Gundelsheim, Schloss Horneck

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Neueste Kommentare

  • 02.01.2020, 10:10 Uhr von gogesch: Herr Scheiner, wenn Sie diese Einstellungen vor mehr als 10 Jahren schon gehabt hätten, würde heute ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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