6. September 2020

Leserecho: „Wusch“ in Ceaușescu-Ära „strategisches Objekt“

Der Artikel hat bei mir Erinnerungen an die Korrespondenzzeit in der Ceaușescu-Ära geweckt. 1978 war es mir ein Anliegen, mit dem Klischeethema „Draculas Heimat“ Siebenbürgen unseren Zuschauern näher zu bringen. Ein britischer Verein der „Vampirfreunde“ wurde in Rumänien mit Nationalheld Vlad Țepes konfrontiert. Nach Stokers Roman schien mir die „Wusch“ mit ihrer Dampflok geeignet, Land und Leute romantisch zu präsentieren. In den Waggons saßen Siebenbürger Sachsen mit Kirchenpelz etc. Die Dreharbeiten an einem Bahnübergang auf der Strecke Hermannstadt-Agnetheln verliefen anfangs ohne Probleme, bis die Polizei auftauchte. Obgleich die ARD ja akkreditiert war, wurde eine spezielle Genehmigung für Aufnahmen von „strategischen Objekten“ verlangt.
Original-Personenwagen der "Wusch". Foto: APM ...
Original-Personenwagen der "Wusch". Foto: APM
Was dann geschah, war allerdings skurril und kabarettreif. Erst nach drei Monaten kam die Zustimmung vom Verkehrsministerium in Bukarest. Vor Ort stießen wir dann auf wütende Bauern, weil auf Tiefladern eine große Lok antransportiert worden war, die zudem für die Schmalspur einen neuen technischen Unterbau bekam. Dieses völlig unpassende Bahn-Ungetüm hatte unterwegs massenhaft Obstbäume beschädigt. Aber wir waren ebenso betroffen, weil diese Lok gar nicht zur „Wusch“ und unserem Wunschbild passte. Wie mir später gestanden wurde, sollten Bilder von einer rumänischen Eisenbahn im Westen „Fortschritt“ dokumentieren. Nach langem Disput gelang die Einigung: Die Diesellok wurde vorgespannt, schleuderte die drei Waggons hinterher. Als zweiter Kompromiss schob diese Lok die „Wusch“ vor sich her. Und als die Aufpasser zufrieden abzogen, konnten wir dann die geplanten Bilder mit dem Originalzug machen. Die Aufnahmen zuvor hatte der Kameramann weisungsgemäß mit „Kaiserfilm“ gedreht, also ohne den Zelluloidstreifen zu belichten.

Peter Miroschnikoff, München

Schlagwörter: Wusch, Siebenbürgen, Eisenbahn, Ceausescu, Miroschnikoff, ARD, Agnetheln, Hermannstadt

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