18. März 2021

Anthologie fränkischer Autoren: "Corona-Befindlichkeiten"

30 fränkische Autoren, darunter auch die siebenbürgische Autorin Malwine Markel, schreiben über ihre ersten Erfahrungen mit der Corona-Situation im Jahre 2020. Der erste Lockdown! Ein unverständliches Wort. Was bedeutet es im übertragenen Sinne? Und was im eigentlichen Sinne? Wie geht man damit um? Mit dem Lockdown? Alles Fragen, die in dieser Anthologie versucht werden, literarisch zu beantworten, zu deuten, zu schildern. Emotional, ehrlich, philosophisch angehaucht, unzensiert, poetisch. Ob in Mundart oder in hochdeutscher Sprache, jeder Beitrag ist ein Unikat.
Wie kam es überhaupt dazu, eine Anthologie über Corona-Erlebtes herauszugeben? Seit 2017 gibt es die Autorengruppe „Wortkünstler Mittelfranken“ unter der Leitung von Helmut Herrmann. Er organisierte regelmäßig die Treffen dieser Autorengruppe. Nun blieben sie auf einmal aus. Das war zuerst ein Schock, denn diese Treffen waren für die Autoren ein regelrechtes Eldorado, weil man neue Impulse bekam, konstruktive Kritik zum eigenen vorgelesenen Text erhielt, und natürlich das Miteinander der Autoren. Dies fehlte nun sehr. Nach dem ersten Schock die erste freudige Hoffnung. Die Idee des Organisationsteams der „Wortkünstler Mittefranken“: unsere Befindlichkeiten in dieser Zeit aufschreiben und uns zumailen. Nicht nur einfache E-Mails ab und zu versenden. Zögernd sprang man auf diesen Zug auf. Erst als einige Haikus (eine traditionelle japanische Gedichtform, sehr kurzes Gedicht; die Redaktion) auch mit dabei waren, kam Leben in diese besondere E-Mail, genannt „Corona-Befindlichkeiten“. Auf einmal sprudelte man nur so vor Ideen, man fühlte sich gut aufgehoben in der Gruppe.

Immer mehr fränkische Autoren machten mit. Es bildete sich ein wunderbarer Kreis Literaturschaffender im Nürnberger Land. Und das in Corona-Zeiten, wo es quasi einen Stillstand gab. Man hatte nun Zeit zu schreiben, vielleicht der ein oder andere mehr als zuvor. Und die täglichen Nachrichten über das Coronavirus hatten ihre unterschiedlichen Wirkungen. Unsicherheit, Angst, Wut oder auch ein klein wenig Humor und Querdenken. In den Medien hörte man viel darüber und langsam befasste man sich auch als Autor und Schriftsteller mit diesem Thema. Plötzlich gab es literarische Wettbewerbe über dieses Thema. Und warum nicht eine eigene Anthologie herausbringen, zumal der Herausgeber, Dr. Norbert Autenrieth, auf diesem Gebiet ein alter Hase ist.

Das Cover dieser Anthologie ist genial gemacht. Zwei Masken im Gesicht, oben und unten, und nur die Augen sichtbar. Wie bei der Krimiserie Tatort. Die Augen sehen, der Feind ist Corona. Humoristisch gedacht. Und auf der Rückseite das Bild mit den beiden Hasen, am Tisch sitzend, mit Abstand, wohlgemerkt. Dazu das passende Gedicht.

Im ersten Lockdown hatte man noch die Hoffnung, Ostern wäre wieder alles in Ordnung. Eine Vorfreude auf das Fest, auf das Miteinander, auf die „Normalität“. Nur im Text „Vergessene Erinnerung“ von Michael Lösl finden wir das Gegenteil von dem Erhofften. Er schreibt über eine Erinnerung im Winter, „der erste Winter meiner ersten Liebe“, über eine „heilige Stille“ aus seiner Kindheit und über die Stille jetzt in der Corona-Zeit: „es war eine noch nie gehörte ungewohnte Stille.“ Dieser Satz verrät so viel! Er enthält so viel Traurigkeit und doch hört man ein leises Hoffen heraus. Oder wenn das fränkische Urgestein, Kabarettist, auch Frankenbarde genannt, Jürgen Leuchauer die Corona-Lage beschreibt, natürlich in fränkischer Mundart, dann hört sich das richtig lustig an, aber auch ein wenig sarkastisch. Etwa als gerade in der Quarantänezeit seine Festplatte den Geist aufgibt. Was macht man da? Und wenn das Internet ausfällt? Jetzt hat man Zeit, sich seine komplette Familie mal genau anzuschauen, und stellt fest, dass es ja ganz nette Leute sind, scheinbar. Das sind Gedanken, Augenblicke, Erlebnisse eines vielbeschäftigten Kabarettisten.

Themen wie Chorsingen, Fußball spielen oder Kindergeburtstage feiern finden auch ihren Platz hier. So schreibt der Autor Manfred Seifert einen Text mit dem Titel „Kindergeburtstag ohne Kinder“. Darin geht es unter anderem darum, wie es ist, wenn Opa und Oma nicht dabei sein können, und was sich Eltern jetzt alles so einfallen lassen müssen. Sehr emotional geschrieben, und jedes Kind, das in dieser Zeit Geburtstag hatte, kann dies nachempfinden. Die Autorin Margit Heumann schreibt in ihrem Text „Der Konjunktiv in Corona-Zeiten“ über die Klagen und Sorgen in dieser Zeit, und über die kleine Hoffnung, wieder Hände schütteln zu dürfen. Die Autorin Jutta Dörnhöfer-Schneider hat ein sehr aussagekräftiges kurzes Gedicht geschrieben über das Coronavirus. Manche E-Mails klingen wie ganz normale Briefe. Was Corona nicht alles mit uns macht. Jetzt wird Briefschreiben wieder aktuell. Auch davon zeugt diese Anthologie, ein Zeitzeugenbuch der ersten Stunde.

Malwine Markel

Dr. Norbert Autenrieth (Hrsg.): „Corona-Befindlichkeiten“. Ein poetisches Tagebuch. Iatros Verlag, www.iatros-verlag.de, 270 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-86963-295-7, erhältlich auch im Buchhandel und bei Malwine Markel unter: malwebinder [ät] yahoo.de.

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