30. Juli 2022

Denkmal-Ambulanz um Eugen Vaida unternahm Notsicherungen an der Abtsdorfer Kirche

Das Gebäude der evangelischen Kirche ist in erbärmlichem Zustand. Steigt man die Treppen zur Kirchenburg in dem an der Großen Kokel gelegenen Abtsdorf hinauf, deuten bereits die mit Vegetation bewachsenen Mauern darauf hin, dass die Anlage vernachlässigt ist.
Der Südwestpfeiler der Abtsdorfer Kirche war ...
Der Südwestpfeiler der Abtsdorfer Kirche war zusammengerumpelt und wurde nun renoviert. Foto: HOG Abtsdorf
Diese Vermutung bestätigt sich beim Schreiten durch den weiß getünchten Torturm: Von den Mauern der Kirche ist die Tünche herabgefallen, die Feuchtigkeit kriecht die Wände hoch, die stellenweise einzubrechen drohen, ein Außenpfeiler ist eingefallen. Das Heulen muss jeden überkommen, der ein klein wenig Respekt und Verständnis hat für Gotteshäuser: Aus dem Altar wurden Bilder gestohlen, ebenso ein Teil der Orgelpfeifen. Dass alles verstaubt ist, liegt nicht so sehr an der derzeitigen Baustelle im Hof, sondern an der Tatsache, dass 2018 hier zum letzten Mal ein Gottesdienst stattgefunden hat – nach über 20 Jahren Pause! – anlässlich eines Heimattreffens in der Heimatgemeinde. Seither bröckelt und verstaubt die Kirche. Die Abtsdorfer evangelische Gemeinschaft hat noch ein Mitglied.

Die Evangelische Landeskirche hat weder die Mittel noch die Kraft, um alle Baudenkmäler der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft vor dem Verfall zu retten. Die Abtsdorfer Kirche sollte, Meldungen in rumänischen Medien zufolge, 2017 verkauft werden. Obwohl es sich um eine aus dem 15. Jahrhundert stammende Saalkirche mit spätgotischen Stilformen handelt, in deren Torturm eine Glocke aus dem Jahr 1623 hängt. Das Ruder ihres Schicksals riss eine beherzte Rede von Katharina Stefani (HOG Abtsdorf) um. Die Rede hielt sie in Bad Kissingen bei einer Versammlung der HOG-Vertreter. Daraufhin bot der Historiker Martin Rill Hilfe an, sprach mit den Leuten des HOG-Vorstands und überzeugte sie, den Versuch zu unternehmen, die Kirchenburg zu retten. Er leitete die Vermittlung zum Mediascher Bezirkskonsistorium ein und es kam zur Unterzeichnung eines Konzessionsvertrags für die Dauer von zehn Jahren.

Zeitgleich nahmen Vertreter der HOG Kontakt auf zu der bekannten „Denkmal-Ambulanz“ (Ambulanţa pentru Monumente), der von Eugen Vaida geleiteten (mehrfach auch international preisgekrönten) Organisation für Notmaßnahmen und Sicherungsarbeiten an gefährdeten Baudenkmälern. In mühevoller Kleinarbeit wurde die Dokumentation zusammengetragen, um von der Kreisdirektion Hermannstadt die Genehmigung für die Notsicherungsmaßnahmen zu erhalten. Am 8. Juni rückte der Ambulanz-Trupp in Abtsdorf an und begann die Gerüste aufzubauen. Zuvor war Timotei Păcurariu, der Bürgermeister von Feigendorf/Micăsasa (dem Abtsdorf verwaltungsmäßig zugehört), mit Traktor und Motorsense vorgefahren und stutzte die Sträucher. Vizebürgermeister Adrian Suciu ebnete mit einem Planierschild den Weg, damit die notwendigen Baumaterialien zur Burg gebracht werden können.
Gruppenfoto nach dem Befestigen eines der fünf ...
Gruppenfoto nach dem Befestigen eines der fünf Stützbalken: Bürgermeister Timotei Păcurar (2. v.r.), daneben Stefan und Eugen Vaida, HOG-Vertreter Horst Ungar (2. v.l.) mit Volontären
Bis zum 3. Juli dauerte das Workcamp, das im Beisein von zwei Vertretern der HOG – Katharina Stefani und Horst Ungar – unter der strengen Anleitung und mit unermüdlichem Einsatz der Brüder Eugen und Stefan Vaida durchgeführt wurde. Ihnen zur Seite standen der Steinrestaurator Ionuț Dobra sowie der französische Steinmetz Elois Thiollier, die Freiwilligen, hauptsächlich Studenten, kamen aus allen Teilen des Landes. Sie haben den Dachstuhl gesichert, die Südseite des Kirchendaches sowie das Dach der Eingangshalle neu gedeckt und den Südwest-Stützpfeiler komplett neu aufgebaut. Noch ungeklärt war die Finanzierung, doch wurden auch Regenrinnen angebracht, um das vom Regen ausgewaschene Mauerwerk zu schützen.

Berechtigt ist die Frage, was nach der Notsicherung mit der Kirchenburg geschieht. Einmal jährlich bei einem Heimattreffen einen Gottesdienst zu feiern, würde die Renovierungs- und nachher Instandhaltungskosten nicht rechtfertigen. Vorausgesetzt, man findet die Mittel dafür. Die HOG Abtsdorf hatte 2010 die Renovierung des Torturms gesichert, für jene der Kirche und Burg kann sie allein keineswegs aufkommen. Nachgedacht wird über eine kulturelle Nutzung, und zwar auch beim Bürgermeisteramt in Feigendorf. Die beiden jungen Bürgermeister wissen, dass eine Kirchenburg Touristen anlockt – zumal es eine auch im Nebenort Kleinschelken gibt – und ein geschicktes Vermarkten, eventuell zusammen mit dem Brukenthal-Palais in Feigendorf, der Gemeinde zu Gute kommen kann. Auf diese Weise könnte noch ein Stein des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes gerettet werden.

Hannelore Baier

Schlagwörter: Abtsdorf, Kirche, Renovierung, HOG

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