4. August 2022

Bedeutender siebenbürgisch-sächsischer Historiker: Dr. Michael Kroner gestorben

Am 26. Juli 2022 endete im 88. Lebensjahr das irdische Dasein von Dr. Michael Kroner in Oberasbach. Sein besonderer Beitrag zur Bewahrung und Förderung siebenbürgisch-sächsischer Identität bleibt unserer Gemeinschaft in vielfältiger Form über seinen Tod hinaus erhalten. Wenn wir Siebenbürger Sachsen als recht geschichtsbewusst gelten, ist dies auch ein besonderes Verdienst des promovierten Geschichtswissenschaftlers und regsamen Publizisten Dr. Michael Kroner, der sich mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen vielfach Wertschätzung erworben hat als fundierter Kenner und Deuter historischer Ereignisse und Entwicklungen vor allem in seinem siebenbürgischen Herkunftsland, aber auch in der Geschichte Südosteuropas und nicht zuletzt auch in seiner mittelfränkischen Wahlheimat.
Der Historiker Dr. Michael Kroner, 2008. Foto: ...
Der Historiker Dr. Michael Kroner, 2008. Foto: Lukas Geddert
Am 13. Juni 2006 wurde ihm in Dinkelsbühl die höchste Auszeichnung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis, feierlich überreicht „in Würdigung seiner Verdienste um ein Geschichtsbild, das Identität stiften sowie aus Vergangenem Gegenwärtiges und Zukünftiges erkennen und bewältigen helfen kann“ (Urkunde). Wie ein Leitmotiv zieht sich durch sein Leben und sein Werk dieser identitätsstiftende Impuls, durch wissenschaftlich fundierte, lesenswerte und leicht lesbare historische Abhandlungen der breiten Masse seiner Landsleute das Vermächtnis unserer Geschichte weiter zu reichen und damit unsere siebenbürgisch-sächsische Identität zu bewahren, zu fördern, zu stärken.

Geboren wurde Michael Kroner am 22. Dezember 1934 in Weißkirch bei Schäßburg. Seine Eltern mussten ab Januar 1945 jahrelang das Elend der Deportation in die Sowjetunion erleiden. Er studierte nach Abschluss der Pädagogischen Mittelschule (Lehrerbildungsanstalt) in Schäßburg (1954) bis 1958 Geschichte an der Universität in Klausenburg und war anschließend von 1958 bis 1968 (auch mein) Geschichtslehrer und Direktor der deutschen Abteilung des Lyzeums von Bistritz. 1968 ging er zur Kronstädter Wochenzeitung Karpatenrundschau, wo er bis 1978 als Redakteur für Geschichte, Volks- und Heimatkunde tätig war. Während dieses Jahrzehnts hat er in einem Arbeitsaufwand, der seinesgleichen sucht, im Blatt über 750 einschlägige Beiträge verfasst, wobei es ihm, wie er im Rückblick erklärt, zunächst „darum ging, die Geschichte der Rumäniendeutschen von dem Ruch des Reaktionären und der Faschismusnähe, der ihr in den ersten Nachkriegsjahren von den kommunistischen Machthaben angeheftet worden war, zu befreien und ihr in der Öffentlichkeit wieder Akzeptanz zu verschaffen“. In dieser Lebensphase promovierte er 1972 zum Dr. phil. an der Universität Bukarest mit der Dissertation „Stephan Ludwig Roth. Ein Leben für Fortschritt und Völkerverständigung“, veröffentlicht in Klausenburg 1974 in rumänischer und 1977 in deutscher Sprache. Weil er seine Ausreise nach Deutschland suchte, wurde er als Redakteur entlassen und war 1978-1979 Museologe am Kreismuseum Kronstadt.

1979 folgte die Aussiedlung in die Bundesrepublik; 1980-1982 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg; 1983-1995 Forschungsbeauftragter und hauptamtlicher Archivpfleger im fränkischen Landkreis Fürth; seit 1995 im aktiven Ruhestand und ehrenamtlicher Archivpfleger an gleicher Stelle.

Michael Kroner heiratete 1960 die Bistritzer Gymnasiallehrerin Edith Rösler. Sie haben zwei Söhne, Uwe und Volker, und zwei Enkel. Seit Mitte der 1980er Jahre brachte sich Kroner sehr aktiv ein als Stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Nürnberg unseres Verbandes, wobei sein besonderes Augenmerk der Unterstützung der Jugend und – seine alte Liebe – dem Erarbeiten von Schriften zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen galt. Damit hat er sich als Wissenschaftler und schreibfreudiger Publizist mit seinen überaus zahlreichen Publikationen in breiten Kreisen hohe Wertschätzung erworben.

Dr. Michael Kroner war außergewöhnlich produktiv: Er hat etwa 1900 publizistische Beiträge und Rezensionen veröffentlicht (sehr viele in der Siebenbürgischen Zeitung), mehr als 100 wissenschaftliche Aufsätze, ca. 30 Bücher und ebenso viele Broschüren, vorwiegend zu den Themen Geschichte der Siebenbürger Sachsen und Rumäniens, Nationalitätenproblem in Südosteuropa, Beziehungen der Siebenbürger Sachsen zu ihrem Mutterland Deutschland, Geschichte Mittelfrankens. Es erschienen beispielsweise: 1996 „Stephan Ludwig Roth. Aus Anlass des 200. Geburtstages von Stephan Ludwig Roth“, 1997 „Weißkirch. Eine Siebenbürgische Gemeinde an der Großen Kokel“ (mit Rosemarie Ludwig), zwischen 1997 und 2002 zwölf Hefte der Schriftenreihe „Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen“ in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband Nürnberg bzw. im Verlag Haus der Heimat, die in mehreren Tausend Exemplaren „unters Volk“ gelangten. 2004 gab er den vielbeachteten Band „Die Hohenzollern als Könige von Rumänien: Lebensbilder von vier Monarchen 1866-2004“ heraus, 2005 das fundierte Buch „Dracula: Wahrheit, Mythos und Vampirgeschäft“. Anschließend die zweibändige „Geschichte der Siebenbürger Sachsen“, Nürnberg, 2007, 2008; „Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen“, Nürnberg 2009, „Mutterland und Vaterland im Verständnis der Siebenbürger Sachsen – Jahrhundertealte Verbindungen einer auslandsdeutschen Minderheit mit dem deutschen Sprach- und Kulturraum“, Nürnberg, 2013, und umfassende Beiträge in „Wir Nösner“ in den Ausgaben 2010, 2013, 2014, 2015. Zudem hielt Kroner ungezählte Vorträge, leitete von 1993 bis 2005 jährliche Studienreisen nach Rumänien mit dem Schwerpunkt Siebenbürgen, bei denen zahlreiche Nicht-Siebenbürger Gelegenheit hatten, die europäische Kulturlandschaft Siebenbürgen und Rumänien kennenzulernen. In Deutschland hat Kroner gleichzeitig die Verbindung zu unseren siebenbürgischen Landsleuten aufrechterhalten und im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sowie im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde aktiv mitgearbeitet.

Ausgeprägtes Traditionsbewusstsein, stete Pflichterfüllung, markanter Arbeitswille, ungebrochener Gemeinsinn zeichneten den Historiker, den Menschen, den Siebenbürger Sachsen Michael Kroner aus. Sein erzieherischer Antrieb blieb ihm auch über seine Zeit als junger Lehrer hinaus erhalten, auch als er als Publizist und Historiker wirkte. Dass im kommunistischen Rumänien auch seinen Schriften eine „zeitbedingte ideologische Schlagseite anhaftete“ und er in jenen Jahren „zu Kompromissen mit der herrschenden Lehrmeinung des dialektischen und historischen Materialismus gezwungen“ war, ist gut nachvollziehbar. Entscheidend ist in diesem Prozess jedoch die Tatsache, dass er diese Kompromisse einging, „um unter dem Deckmantel der Konformität geschichtliche Wahrheiten aufscheinen zu lassen“ (Hannes Schuster). Wir, seine Schüler, wir, seine Leser, wussten, was er uns mitteilte. Zwischen den Zeilen lesen, das konnte man auch in der Diktatur Ceaușescus bestens. Dr. Michael Kroner, dieser rastlose Schreiber und Mahner, hat zahlreichen Menschen die Bedeutung historischen Wissens, historischen Denkens als wesentlichen Impuls für die Bewältigung des Alltags und die Gestaltung der Zukunft auf profunder Basis vermittelt. All diese hochwertigen Aktivitäten und Schriften förderten bei seinen siebenbürgischen Lesern das Bewusstsein bzw. „zumindest die Ahnung ihrer Zugehörigkeit“ (Hannes Schuster), sie sind Basis eines identitätsstiftenden Geschichtsbildes. Dass der Wissenschaftler Michael Kroner lange vor seiner Aussiedlung große Achtung auch über den Kreis seiner Landsleute hinausgefunden hatte, ist somit ein Faktum. Danach konnte er beharrlich und mit neuem Schwung seine Wirksamkeit als Identitätsstifter und -bewahrer fortsetzen, sein Schaffen ausweiten und es durch geschichtliche Forschungen über seine neue Heimat in Mittelfranken ergänzen. Die Herausgabe von fünf umfangreichen fränkischen Ortsmonographien (Veitsbronn, Großhabersdorf, Langenzenn, Ammerndorf und Cadolzburg) dokumentiert auch Michael Kroners gewachsene Verbundenheit mit seiner mittelfränkischen Wahlheimat.

Am 13. Dezember 2010 wurde Dr. Michael Kroner während einer großen Feierstunde vor dem versammelten Kreistag des Landkreises Fürth von Landrat Matthias Dießl die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, eine der höchsten Auszeichnungen, die der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland vergibt, überreicht. In der Verleihungsurkunde heißt es: „In Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste verleihe ich Herrn Dr. Michael Kroner, Oberasbach, die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Berlin, den 20. September 2010 – Der Bundespräsident.“ – „Sie haben mit ihrer Tätigkeit sowohl die Kultur als auch den Geist unserer Region geprägt und gefördert“, sagte Dießl, als er die Auszeichnung im Namen des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff überreichte. Die Verdienstmedaille empfand der Geehrte als Krönung seines gemeinnützigen Wirkens und dankte bei der Verleihungsfeier mit bewegenden Worten. Diese brachten eindringlich nicht nur das Selbstverständnis eines aufrechten, klugen, dem Gemeinsinn der Siebenbürger Sachsen verpflichteten Mannes zum Ausdruck, sondern – hier an seinem Beispiel – auch die eindeutig gelungene Integration unserer Landsleute in die hiesige deutsche Gesellschaft. „Das aufnahmefreudige und hilfsbereite Mutterland ist für uns zum Vaterland geworden, dem wir uns als dankbare Bürger verbunden fühlen“, fasste er zusammen.

Dr. Michael Kroner hat sich durch sein vielfältiges greifbares Lebenswerk verdient gemacht.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Porträt, Nachruf, Historiker, Weißkirch, Franken

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