20. Oktober 2022

Drei Siebenbürger im Brennpunkt der KünstlerGilde Esslingen: Dusil, Acker und Lucas

Gleich drei Siebenbürger standen bei der festlichen „Begegnung“ vom 17. September im Brennpunkt der Esslinger KünstlerGilde: Dagmar Dusil empfing im Alten Rathaus der Stadt den Literaturpreis 2022 der KünstlerGilde, Tim Lucas den Johann-Wenzel-Stamitz-Förderpreis für Musik 2022 und der Stamitzpeisträger von 2020, Prof. Heinz Acker, band die beiden Preisträger mit drei Uraufführungen in das Festprogramm ein. Unter dem Titel „Begegnung mit Kunst, Literatur und Musik“ berichtete Rainer Kellmayer in der Eßlinger Zeitung vom 20. September ausführlich darüber.
Die Preisträgerin Dagmar Dusil bei ihrer Lesung ...
Die Preisträgerin Dagmar Dusil bei ihrer Lesung in Esslingen. Foto: Heinz Acker
Die Esslinger KünstlerGilde wurde 1948 als Selbsthilfegruppe für heimatvertriebene Künstler aus den Ostgebieten gegründet. Mittlerweile hat sich die Aufgabenstellung der Gilde gewandelt. Sie gilt als wichtiger kultureller Brückenbauer zu den östlichen Nachbarstaaten. Die jährlichen „Begegnungen“ stellen dies unter Beweis mit Preisverleihungen und Darbietungen in allen drei Sparten Literatur, Musik und bildende Kunst.

Im Zentrum stand zunächst die Verleihung des angesehenen Nikolaus-Lenau-Literaturpreises an den bereits vielfach ausgezeichneten Nestor der deutschen Lyrik Reiner Kunze (*1933). Seine Verdienste um die deutsche Poesie und Völkerverständigung wurden in der Laudatio von Vorstandsmitglied Rainer Goldhahn sichtbar. Der nahezu 90-jährige Preisträger war aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend.

Ein weiterer Preis, der Literaturpreis der Gilde, wurde anschließend an die aus Bamberg angereiste Schriftstellerin Dagmar Dusil vergeben. Nach Überreichung der Urkunde durch den Bundesvorsitzenden Martin Kirchhoff konnte die Autorin mit einer Lesung von Texten aus den prämierten Werken überzeugen: „Czernowitzer Schatten“, eine poetischer Erinnerung an Paul Celan, und u.a. „Kalte Tage“, ein aufrüttelnder Text, der einem Flüchtlingskind in den Mund gelegt wird und an das Drama in der Ukraine gemahnt.
Der Bariton Tim Lucas bei der Uraufführung von ...
Der Bariton Tim Lucas bei der Uraufführung von Liedern von Heinz Acker (am Klavier) im alten Rathaus von Esslingen. Foto: Rainer Kellmayer
Passend dazu hatte Heinz Acker ein Gedicht von Dagmar Dusil, „Siebenbürgische Landschaft“, vertont. Das Gedicht fängt Eindrücke ein, die ihr die siebenbürgische Landschaft vermittelte, als sie 2017 in Katzendorf als Dorfschreiber-Preisträgerin weilte. Acker nennt seine Vertonung des Gedichtes für Klavier und Gesang „Träume“. Er versteht es, die zarten Naturbilder der Landschaft, aber auch die schmerzlichen Narben einer bröckelnden alten Kultur musikalisch bildhaft umzusetzen. Einen guten Gesangspartner hatte der Pianist Acker in Tim Lucas, einem jungen Sänger, der sich hier stimmlich bestens präsentierte und anschließend den Johann Wenzel-Stamitz-Förderpreis für Musik entgegennehmen durfte. Heinz Acker, der als sein Entdecker und Förderer gilt, hielt dann auch die Laudatio auf den jungen Sänger, den er launisch als „Rheinländer Schwaben aus dem Morgenland mit siebenbürgischen Wurzeln“ vorstellte.

Tim Lucas ist das Kind einer siebenbürgischen Mutter und eines Rheinländers, der in Saudi Arabien arbeitete, wo dann auch Tim Lucas zur Welt kam. Die Schulzeit mit gesanglicher Grundausbildung verbrachte er allerdings im bayerisch-schwäbisch Senden bei Ulm. Heute steht er im vierten Studienjahr im Fach Gesang am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. Sein wohlklingender Bariton lässt bei mehrfachen Auftritten eine geradlinige Entwicklung erkennen, die vielversprechend scheint. In dem Programm des Duos Acker-Lucas fanden sich noch zwei weitere Uraufführung aus der Feder Ackers. Zunächst eine Vertonung eines Gedichtes von Frieder Schuller, auch er Mitglied der Künstlergilde. In seinem Gedicht „Wir kannten dich – Siebenbürgen“ greift Schuller die resignative Stimmung auf, die 1989 durch den Exodus der Siebenbürger Sachsen um sich griff, und verknüpft die eigenen Gedanken mit dem alten Volkslied „Ech gon af de Bräck und kun nemi zeräck“ (Ich geh‘ auf die Brück‘ und komm nimmer zurück), was wiederum von dem Komponisten Acker und dem Sänger Lucas eindrucksvoll umgesetzt wurde. Ebenso eindrücklich dann auch die dritte Uraufführung, eine Vertonung eines Gedichtes von Rose Ausländer, das mit seinem Warnruf „Vergiss es nicht, wir sind Brüder“ einen brandaktuellen Bezug zum Bruderkrieg in der Ukraine herstellte.

Im folgenden Programmverlauf gab es einen weiteren Bezug zum Zeitgeschehen in der Ukraine. Mit dem Melodram „Die blinden Sänger von Kiew“ hatte Dr. Dietmar Gräf, der Sprecher der Fachgruppe Musik, das Drama um die Ermordung von 100 blinden Sängern auf Geheiß des Diktators Stalin (1935) zu einem beeindruckenden Tongemälde geformt, in dem Tim Lukas den erzählenden Gesangspart übernahm.

Die Liedfolge des Duos Acker-Lucas hatte bereits zwei Wochen vorher im Rahmen des Hermannstädter Treffens großen Anklang gefunden als Rahmenprogramm zu der Präsentation des von Dagmar Dusil herausgegebenen Hermannstadt-Buches „Mit Erinnerungen gepflastert“.

m.a.

Schlagwörter: KünstlerGilde, Heinz Acker, Dagmar Dusil

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