30. Juni 2023

Ein jüngst aufgetauchtes Foto zeigt Joana M. Gorvin als elfjährige Ballettschülerin

Nachdem mein Artikel über die Berichtigung des Geburtsjahres der großen Schauspielerin Joana Maria Gorvin (1918-1993) erschienen war (Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 22. Mai 2023, S. 10, siehe auch SbZ Online vom 25. Mai 2023), wurde ich von Prof. Heinz Acker auf ein höchst „glamouröses“ Foto im Familienarchiv des heute in Freiburg lebenden Geschichtslehrers Manfred Huber hingewiesen, das zu den frühesten Bildzeugnissen des künstlerischen Werdegangs der gebürtigen Hermannstädterin gehört.
Gerda Maria Glückselig, später Joana Maria Gorvin ...
Gerda Maria Glückselig, später Joana Maria Gorvin (Mitte), als Mitglied einer choreographischen Gruppe der Hermannstädter Tanzlehrerin Liesl Fritsch, aufgenommen 1929 (Fotopostkarte). Rechts von ihr Viola-Flora Kapp, später verheiratete Huber, Mädchen links unbekannt. Samml. Manfred Huber, Freiburg
Das Foto wurde 1929 aufgenommen, höchstwahrscheinlich anlässlich einer Aufführung der Tanzschule von Liesl Fritsch (1893-1979). Im gleichen Jahr jedenfalls besprach Dr. R. B. – hinter dem Kürzel verbirgt sich der Musikkritiker Ranko Burmaz – im Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt (SDT) einen Tanzabend mit Fritsch im ausverkauften Stadttheater, an dem sie selbst mit fünf Solonummern auftrat, danach aber auch „eine Anzahl reizender junger Damen“ mit verschiedenen Gruppentänzen (SDT v. 26.11.1929, S. 4). Gleich eingangs erwähnt Burmaz, dass Fritsch jüngst „eine Menge Anregungen und technische Vervollkommnung“ aus Wien mitgebracht habe, so dass sie damals mit ihrer Kunst sicher auf der Höhe der Zeit war (Fritsch hatte bereits in ihrer Jugend eine dementsprechende Ausbildung in Wien genossen – Anmerkung des Verfassers).

In auffallender Spannung dazu stehen die Erinnerungen der Kulturjournalistin Elisabeth Axmann, die sich allerdings auf Fritschs Tanzstunden in den Jahren um 1942 beziehen: „Das war nicht Ballett, was man da lernte, sondern Ausdruckstanz. Die ältliche Dame und ihre Schwester Paula, die Klavierspielerin, das waren Relikte vom Beginn des Jahrhunderts, ihre Kunstbegeisterung war pathetisch und sie wirkten in der ‚neuen Zeit‘ wie verloren. Sie hatte es übrigens auch materiell schwer, denn die meisten jungen Mädchen in Hermannstadt, die sich nicht von vornherein lieber dem Leistungssport widmeten, gingen zu Mercedes Goritz-Pavelic, der Frau des kroatischen Nationalisten Ante Pavelic, Begründer der Ustascha-Bewegung, die damals in Hermannstadt (...) ein modern eingerichtetes Tanzstudio unterhielt.“ (E. Axmann, Wege, Städte. Erinnerungen, Rimbaud 2005, S. 145). Das mag alles stimmen, denn zehn Jahre später war in der Tat eine „neue Zeit“ angebrochen. Was aber mit Sicherheit nicht stimmt, ist, dass der berüchtigte Ante Pavelic der Mann von Goritz-Pavelic gewesen sei.

Das harte Urteil von Axmann wirkt umso überraschender, als noch wenige Jahre zuvor der bekannte Theaterkritiker des Tageblattes Dr. Ernst Jekelius d.Ä. schwer ins Schwärmen geriet, als er einen Tanzabend von Fritsch besprach: „Was der Liesl Fritsch bei der Lehrtätigkeit und der Eigenleistung so sehr zustatten kommt, ist die angeborene, durch sorgfältiges Studium gesteigerte Musikalität, die nicht duldet, dass das, was zu den Tänzen am Klavier gespielt wird, nur illustrierende Begleitung sei, sondern verlangt, dass sie mit ihrem Inhalt organisch verschmelze. Dazu kommt die elfenhafte Gestalt, das pikante Profil, der Glanz der dunkeln (sic) Augen, das rassige Geblüt (au weia), die tänzerische Geschmeidigkeit. Und wenn man sie tanzen sieht, kann man kaum glauben, dass sie am Zibin geboren ist.“ (SDT v. 24. 11. 1936, S. 6). Und sogar mit Zibinswasser getauft, wie Hermannstädter augenzwinkernd hinzufügen würden.

Konrad Klein

Schlagwörter: Gorvin, Schauspielerin, Hermannstadt

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