1. Mai 2006

Ioan C. Toma inszeniert Goethes "Faust" als Kollateralschaden

Johann Wolfgang von Goethes "Faust" erfüllt zweifelsfrei auch im dritten Jahrtausend noch die Funktion eines Perpetuum mobile. Vor 130 Jahren wurden in Weimar erstmals Faust I und II zusammen aufgeführt. An dem tragischen Stoff haben sich seither Theatermacher allerorten versucht. Im Theater Phönix in Linz stellt Ioan C. Toma demnächst seinen Interpretationsansatz vor. Premiere von "Faust - Collateral Damage" ist am 4. Mai.
Das Theaterplakat zeigt ein unmittelbar unter der Wasseroberfläche tauchendes Ensemble. Und in der Tat wird die Linzer Inszenierung dem Wasser besonderes Gewicht beimessen. Dies bestätigte der gebürtige Kronstädter Toma im Gespräch gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung. Schließlich sei das Wasser der Keim allen Lebens; im Wasser fänden Gretchens Kind (in Faust I) als auch Helenas Euphorion (Faust II) ihr Ende. Ins Dasein geworfen, aus demselben gerissen. Nicht zuletzt gilt es im zweiten Teil der Tragödie dem herrischen Meer Land abzuringen.

Geht es nach dem Regisseur, soll das Linzer Publikum den "Faust" "in einem Sog erleben". Dazu hat Toma Goethes Werk bearbeitet, komprimiert. Es wird konsequent in zwei Teilen aufgeführt (geplante Spieldauer: gut zwei Stunden). "Beide Teile", erklärt der Regisseur, "laufen strukturell ähnlich ab. Sie beginnen jeweils mit einer Wette und enden mit der Auflösung. Auf dem Weg des strebsamen Gelehrten, des irrend-suchenden Faust passieren wiederholt Kollateralschäden, das heißt, es kommt zu nicht eingeplanten - oder billigend in Kauf genommenen - Opfern: tragische Beispiele sind etwa Gretchen, ihr Kind, im zweiten Teil Philemon und Baucis. Faust verdrängt die Verantwortung für diese Opfer."

Mit dem Begriff "Kollateralschaden" assoziierbare Bezüge zur Zeitgeschichte sind durchaus beabsichtigt. Manipulation und Betrug, Verdrängen und Selbstbetrug: Hiervon finden sich genügend klassische Fallbeispiele in diesem Stück Weltliteratur. Ioan Toma antwortet auf die Frage nach der Quintessenz des "Faust", also "des Pudels Kern": "Goethe stellt uns Menschen als manipulierbar dar. In unserer Verführbarkeit besteht die Gefahr und damit verknüpft sich die politische Relevanz dieser Tragödie." Goethe selbst sei zeitlebens ähnlichen Konflikten ausgesetzt gewesen und habe Wesenszüge seiner faustischen Existenz auf seinen Protagonisten übertragen. In "Dichtung und Wahrheit" bekennt Goethe: "Auch ich hatte mich in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit desselben hingewiesen worden. Ich hatte es auch im Leben auf allerlei Weise versucht, und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen."

In einer Presseaussendung des Theater Phoenix steht zu lesen: "In seiner Bearbeitung filtert Ioan C. Toma das fatale Zusammenwirken von maßlosem Ehrgeiz und Verdrängung der Konsequenzen des eigenen Handelns heraus und gibt somit auch den Blick auf Fausts Opfer frei." Man darf gespannt sein auf die Bühnenumsetzung. Das "siebenbürgische Element" von "Faust - Collateral Damage" ist nicht unerheblich, denn abgesehen vom Kronstädter Toma zeichnet die Schäßburgerin Bonnie Tillemann für die Kostüme verantwortlich. In den Hauptrollen wirken mit: Andreas Puehringer (Faust), Matthias Hack (Mephisto), Margot Binder (Gretchen, Helena).

Bis Mitte Juni sind im Theater Phoenix (Wiener Straße 25, 4020 Linz) 33 Aufführungen jeweils um 19.30 Uhr angesetzt: am 4., 6., 7., 10., 11., 12., 13., 14., 16., 17., 18., 19., 20., 21., 24., 25., 26., 27., 28., 30. und 31. Mai sowie am 1., 2., 3., 4., 7., 8., 9., 10., 11., 13., 14. und 15. Juni. Kartenreservierungen unter Telefon: (00 43) / (0) 7 32 / 66 65 00, per E-Mail: tickets@theater-phoenix.at.

CS

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2006, Seite 6)


Schlagwörter: Theater

Bewerten:

3 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.