29. November 2008

Frauen- und Kulturreferentinnen tagten in Bad Kissingen

Auf Einladung des Bundesreferates für Frauen und Familie des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland trafen sich Frauenreferentinnen sowie interessierte ehrenamtliche MitarbeiterInnen vom 17. bis 19. Oktober in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heili­genhof“ in Bad Kissingen zur Kulturtagung. Studienleiter Gustav Binder, der das Wochenende über mit Rat und Tat zur Seite stand, begrüßte die TeilnehmerInnen am Freitag zum gemeinsamen Abendessen. Bundesfrauenreferentin Enni Janesch eröffnete die Tagung, die unter dem Leitwort „Werte – Familie – Kinder – Bildung“ stand.
Nach einer Vorstellungsrunde folgte die Ein­führung in die Thematik. Das Programm war spannend und lehrreich zugleich. Dr. Karl-Eck­hardt Hahn, Presse­sprecher der CDU-Fraktion im thüringischen Landtag, referierte über „Die Zukunft der Familie in der aktuellen familienpolitischen Debatte“. Der Referent sprach über die Auswirkungen des „demographischen Lochs“ (weniger Menschen, Innovationskraft, Kaufkraft, Wirtschaftswachstum), über Interessen und Perspektiven aus politischer Sicht. Eine intensive Diskussionsrunde schloss sich an. Danach lud Herr Binder zu einem geselligen Abend in den Weinkeller ein.

Am Samstag hielt Prof. Dr. Andreas Möckel (Würzburg) den Vortrag „Die Ambivalenz von Erziehung und Werteerziehung“. Dank seines fundierten Wissens gelang es ihm, das komplexe Thema so zu gestalten, dass es für alle ein Genuss war. Menschliche Erziehung erfolgt mittels der Sprache, die eine Verbindung zwischen den Generationen herstellt. Es wurde erläutert, was Werterziehung bzw. -vermittlung sein soll, die in der Familie, im Kindergarten, der Schule usw. erfolgen. Werteerziehung sei beides, so Möckel, Erziehung zu guten Sitten und Erzie­hung zur Befolgung der Gesetze.
Die Tagungsteilnehmer vor der Tagungsstätte in ...
Die Tagungsteilnehmer vor der Tagungsstätte in Bad Kissingen.
Nach einer Diskussionsrunde folgte Waltraud Hartig-Hietschs Vortrag „Werteerziehung in der Grundschule“. Die Referentin, Grundschulrekto­rin in Drabenderhöhe, thematisierte u. a. Wer­te, Wertvorstellungen und Werteerziehung und wies auf die Wichtigkeit der persönlichen, geis­tigen, religiösen und sittlichen Werte hin vor dem Hintergrund des Wertewandels im Laufe der letzten Jahrzehnte. Die Referentin ging auf die Werteerziehung im Schulalltag ein und auf die Schwierigkeiten, mit denen Lehrkräfte konfrontiert sind. Frau Hartig-Hietsch bezog sich beispielsweise auf das Schulgesetz des Landes NRW, auf das Schulprogramm sowie die Schul- und Klassenordnung an ihrer Schule. Eine inten­siv geführte Diskussion folgte dem Vortrag.

Nach dem Mittagessen und einem Spazier­gang im Kurort referierte Ilse Philippi, die aus Hermannstadt angereist war, über „Bildung und Wertevermittlung im deutschsprachigen Schul­wesen Rumäniens“. U. a. berichtete sie über das Werte-Symposium, das im September in Schäß­burg stattgefunden hatte, und ging auf die Wer­tevermittlung in einer Minderheitensituation ein. Für die sächsisch-deutschen Schulen brach­te die 1948 erfolgte Verstaatlichung der bis dahin kirchlichen Schulen einen Anpassungszwang an die neuen Bildungsziele, der sich in den vergangenen sechzig Jahren stark zu Gunsten der landesweiten schulischen Erziehungs- und Bil­dungsziele entwickelt habe. Das Lehrbuch als wichtiger Wertevermittler würde in der heutigen Zeit immer mehr durch elektronische Kommu­ni­kationsmitteln ergänzt und zum Teil ersetzt. Die Referentin wies darauf hin, dass die Medien, neben der Familie und Schule, eine wichtige Rolle spielen und deren Einfluss auf die Kinder sehr groß sei. Im zweiten Teil ihres Vortrags stellte die Referentin das Lehrbuch „Geschichte und Tradition der deutschen Minderheiten in Rumänien“ vor. 2004 herausgegeben, 2005 und 2007 neu verlegt, nimmt es Bezug auf alle deutschen Gemeinschaften, die im Gebiet des heutigen Rumänien angesiedelt sind. Es geht nach den Worten von Frau Philippi „einen eigenen methodisch-didaktischen Weg, der untypisch für ein Schulbuch in Rumänien ist, nämlich in erster Reihe eine wissenschaftliche Informationsquel­le zu sein.“

Am Abend wurde der nach dem Roman von Eginald Schlattner entstandene Film „Der geköpfte Hahn“ gezeigt. Obschon das für die meisten ein bedrückender Streifen war, folgte ein geselliger Abend in der mährischen Weinstube des Hauses, wo wir bei Schmalzbrot mit Zwie­beln die Gemeinschaft festigten und beim Sin­gen und Erzählen viel Spaß hatten. Am Sonntagmorgen nahmen wir zusammen mit den zeitgleich vor Ort tagenden Genealogen an einer von Dr. Christian Weiss gehaltenen Mor­genandacht teil. Die Kollekte für das Schüler­wohnheim in Hermannstadt wurde Frau Philippi anvertraut. Dann referierte Bundes­frauenre­ferentin Enni Janesch über „Werteerziehung im Elternhaus – Tradition und Gegenwart“. Sie wies darauf hin, wie wichtig es sei, dass Kinder in einer intakten Familie aufwachsen, und spannte den Bogen von der modernen „Patchwork-Familie“ zurück zu Familienstrukturen vorangegangener Generationen nebst begleitenden Strukturen, wie z.B. den Nachbarschaften. Frau Janesch betonte die Bedeutung der bei den Siebenbürgern vermittelten Werte und zitierte aus dem Grußwort des Bürgermeisters der Stadt Wiehl in der Festschrift „Heimat im Wandel der Zeiten“ anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Ansiedelung der Siebenbürger Sachsen in Dra­benderhöhe: „Die zu uns gekommenen Menschen aus Siebenbürgen haben uns viele Werte wieder neu vermittelt. Fleiß, Ausdauer, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, aber auch Fröhlichkeit Geselligkeit, ja ausgelassene Heiter­keit haben sie uns ebenso näher gebracht wie Zuverlässigkeit und gelebte Gläubigkeit.“

Zum Abschluss der Kulturtagung präsentierte und kommentierte Ines Wenzel, stellvertretende Kreisgruppenvorsitzende in Heilbronn, die von Hermann Schuller realisierte DVD „Gut behaubtet, behütet und betucht“ – eine wunderbare Werteüberlieferung der Trachten und damit ver­bundenen Bräuche. Schließlich erging der Hin­weis, dass die Brauchtumsveranstaltung am Heimattag in Dinkelsbühl vom Bundesfrauenre­ferat in Zusammenarbeit mit dem HOG-Verband Ähnliches zeigen will. Die TeilnehmerInnen wur­den gebeten, dies bekannt zu machen, damit so viele Landsleute wie möglich aktiv mitwirken, und unsere wunderschönen Trachten vorstellen (Alltags- wie Sonntagstracht).

Mit dem Dank an alle, die zum Gelingen dieses Wochen­endes beigetragen hatten, und dem Lied „De Astern blähn insam äm Guerten“ von Grete Lienert-Zultner verabschiedeten sich die Teilnehmerinnen voneinander, mit der Erkenntnis: Die Tagung war für alle ein Gewinn.

Herta Speri

Schlagwörter: Frauen, Tagung, Bad Kissingen

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