12. Oktober 2009

Zum Erntedankfest: Erinnerung an das Brauchtum in Siebenbürgen

Bei dem traditionell am ersten Sonntag im Oktober gefeierten Erntedankfest wird Gott für die Gaben der Ernte gedankt. Die Feier findet oft in einer Kirche statt, wo Feldfrüchte und Getreide dekorativ präsentiert werden. Vielerorts wird auch in einer Prozession eine aus Getreide oder Weinreben geflochtene „Erntekrone“ durch das Gemeindegebiet getragen. An in Siebenbürgen zur Erntezeit gepflegtes Brauchtum erinnert im Folgenden Rose Schmidt. Die 87-Jährige ist in Schweischer geboren und lebt heute in Althütte im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg.
Unser tägliches Brot, das wichtigste Nahrungs­mittel, hat im Leben der Siebenbürger Sachsen einen hohen, unbezahlbaren Wert. So wird Brot bis zum Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus noch in vielen siebenbürgisch-sächsischen Haus­halten fast zu jeder Mahlzeit gereicht. Es wurde von den meisten Bauern im Schweiße ihres An­gesichts erzeugt. In Dörfern mit Flurzwang (vor allem bei Dreifelderwirtschaft) wird das Säen des Weizens sowie das Schneiden desselben mit der Sichel noch von Hand ausgeführt. Die festgebundenen Korngarben türmt man in Kreuz­form zu Haufen von sechzehn oder mehr Gar­ben auf und lässt sie im Feld stehen, bis der Kornschnitt beendet ist und die Erlaubnis zur Einfuhr bekannt gegeben wird. Dann fahren die hochbeladenen Leiterwagen in langen Reihen in die Scheunen, zum Dreschen (siehe Bild unten).
Erntewagen in Schweischer, 1937. Foto: Senta ...
Erntewagen in Schweischer, 1937. Foto: Senta Kellner
Mit dampfbetriebener Dreschmaschine betätigt, rinnen die reifen Körner in die vorbereiteten Säcke. In Kornkasten und -truhen bewahrt man den „Aaren“, den Weizen, an luftigem Ort auf. Vor dem Mahlen der Körner klopft der Mül­ler erneut die Rillen der Mühlsteine, damit das Mehl beim Mahlen feiner wird. Das Brot bäckt man auf dem Land noch im Holzbackofen. Das Aufbewahren des frisch gebackenen Brotes für längere Zeit (ein bis zwei Wochen) ist im Som­mer notwendig. Meist ist der dunkle, kühle Keller der richtige Ort dafür. Für den Tagesbe­darf ist die Brotlade, der Brotkorb oder das Brotschaf (letzteres Repser Gegend) ein geeignetes Behältnis (siehe Bild unten).
Brotschaf aus Mee­burg. Foto: W. Föderreuther ...
Brotschaf aus Mee­burg. Foto: W. Föderreuther
Der in der Erntezeit gefertigte Weizenstrauß, -kranz oder „Kornbaum“ (letzterer in Arkeden, Deutsch-Weißkirch, Maldorf, Zied nachweisbar) sind Symbole der Freude, des Ährensegens. Sie bekunden die Dankbarkeit der Gemeinschaft und des Einzelnen gegenüber Gott und den Men­schen. Sie werden vor allem am Erntefest, dem Erntedankfest, im Gotteshaus auf und vor dem Altar angeordnet.

Brauchhandlungen begleiten die Arbeiten vom Säen bis zum Brotbacken und -essen. Auch Rede­wendungen, Sagen und Märchen sind ortsweise über das Brot und seine Erzeugungsweise be­kannt. Keine andere Frucht ist in den siebenbür­gisch-sächsischen Überlieferungen so verwurzelt wie das Handeln und Wirken um das Korn und Brot; vor allem in der Erntezeit. Brot wird oft auch als Dank, Schenkung und Aner­ken­nungsmittel angesehen. Brot bedeutet Leben.

Rose Schmidt

Schlagwörter: Erntedank, Brauchtum, Siebenbürgen

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