19. Dezember 2015

Die deutschen Wurzeln Bukarests

Bukarest – „Im Bukarest der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeiteten unzählige walachische Meister, Tischler und Maurer, doch für das Pflastern der Straßen wurden fremde Fachleute angeheuert“, zitiert Dossier Nr. 1189 des Rumänischen Nationalarchivs (ANR) den Architekten Petre Tabai. Auch für die ersten Pläne der Hauptstadt und die Gestaltung der Anwesen der Bojaren Alexandru Ghica, Gheorghe Bibescu und Barbu Stirbey wurden Experten für Wege- und Brückenbau, Ingenieure und Architekten aus dem Ausland engagiert, erklärt er weiter und führt dies auf die „mangelnde Erfahrung der Walachen in der praktischen Umsetzung von Kunst“ zurück. Tatsächlich geht ein großer Teil der Architektur Bukarests auf deutsche, armenische, kroatische, italienische, tschechische, polnische und jüdische Baumeister zurück, wie das Projekt Architekturarchiv in den kürzlich erschienenen Broschüren „Stadtführer Bukarest: Häuser der Architekten“ und „Multikulturelles Bukarest: 10 architektonische Stadttouren“, Band 1 und 2, ans Licht bringt.
Die Herausgeberin und Koordinatorin des Projekts, Oana Marinache, stellte diese am 5. November im Kulturhaus Friedrich Schiller vor. Zwölf Namen muss man sich danach bei der Erkundung der deutschen Wurzeln Bukarests merken: Josef Hartl, auch als Harten, Hartin oder Hart bekannt (geb. um 1780), Joseph Weltz (geb. 1784), Ioan Sperl (geb. 1814), Carl Friedrich Wilhelm Meyer (1817-1852), Alexander von Montbach (1821-1855), Rudolph von Borroczyn (?-1859), Frederich Scheller (1821-1883), Oskar Maugsch (1857-?), Johann Storck (1866-?), Maximilian Tonolla, Vater und Sohn, sowie Karl Weyrach (1813-?). Schicksal und Lebenswerk dieser zwölf Männer, fast alle aus dem deutschsprachigen Ausland zugewandert, beschreibt Band 1 der Broschüre „Multikulturelles Bukarest“.

Oana Marinache stellt die Tour um die Gebäude von Scheller, Maugsch und Storck in den Mittelpunkt: Sie führt vom Theodor Amman Haus in der Strada Rosetti Nr. 8, realisiert von Frederich Scheller nach den Ideen des Malers, zu den Bauwerken von Oskar Maugsch: die Banca de Credit Român (Str. Stavropoleos 6-8), die Banca de Scont (Ecke Str. Lipscani mit E. Carada), das BCR-Gebäude (Universitätsplatz), Casa Elena G. Cantacuzino (Str. Polonă 7), das Haus der Direktorin der Școala Centrală de Fete (Ecke Str. Polonă mit Icoanei), Casa Olănescu (Boulevard Dacia 77), Casa Sabba Ștefănescu (Piața. Romană 8) und sein eigenes Wohnhaus in der Str. Schitu Măgureanu Nr. 47. Die Bauwerke von Johann Storck hingegen liegen in der Str. Vasile Alecsandri, wo er das Haus seines berühmteren Bruders, des Bildhauers Frederick (Fritz) Storck – heute ein Museum, das dessen Werke beinhaltet – umbaute. Von ihm stammen auch Casa Zehender, Str. Mântuleasa 46, ein Gewölbekeller im Haus von Dr. G. Gerota am Boulevard Ferdinand Nr.48 und die Erweiterung des Hauses von Oskar Mueller in der Calea Victoriei Nr. 91.

Über Frederich (Fritz) Scheller weiß man nur, dass er aus Deutschland zugewandert ist und mit der in Bukarest wohnhaften Carolina Kelner verheiratet war. Maugsch hingegen entstammt einer deutschen evangelischen Familie aus Jassy und hatte in Dresden Architektur studiert. 1879 suchte er um die rumänische Staatsbürgerschaft an, erhielt diese jedoch erst 1894, wie ein von König Karl I. unterzeichnetes Dokument beweist. Johann Storck entstammt ebenfalls einer deutschen evangelischen Familie und stand zeitlebens im Schatten seiner berühmteren Bildhauer-Brüder Karl und Frederick. In Bukarest wohnte er in der Str. Matei Voievod Nr. 12. 1898 erhielt auch Storck die rumänische Einbürgerungsurkunde, unterzeichnet von König Karl I.

Das Architekturarchiv (www.arhivadearhitectura.ro) wurde 2013 vom Verein und Verlag für Kunstgeschichte (Asociația și Editura Istoria Artei) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Dokumente, Pläne und Skizzen aus den Anfängen der Hauptstadt aufzubereiten und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Nina May

Schlagwörter: Bukarest, Architektur

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