30. März 2006

Der erste Zoo in Rumänien: Eine Marketingidee der Siebenbürger Sachsen

Der erste Zoo in Rumänien entstand anno 1929 in Hermannstadt und war eine Marketingidee der Siebenbürger Sachsen, um der Straßenbahn mehr Fahrgäste zu bescheren. Die Straßenbahn gehörte dem Elektrizitätswerk an, das unter sächsischer Leitung war, und fuhr anfangs nur durchs Stadtzentrum. Schritt für Schritt wurde das Netz bis in den Jungen Wald erweitert, wo der Zoo als neues Ausflugsziel eingerichtet wurde. Der Tiergarten wurde zum Vorreiter in Rumänien, fristet seit 1990 aber ein trauriges Dasein.
Beton, verrostete Gitter, aufgeregte Tiere, die auf wenigen Quadratmetern überleben müssen, Löwen und ein Jaguar, die im Winter kaum Sonnenlicht bekommen - der Hermannstädter Zoo ist eine Zumutung für Tiere und Besucher. Als er 1929 eröffnet wurde, waren die Hauptattraktion zwei Bären in kleinen Käfigen, dazu einige Wölfe und Füchse. Vor rund 80 Jahren befanden sich die Bärenkäfige an derselben Stelle wie jetzt, sie waren nur etwas kleiner. Am 25. Januar 1929 wurde in einer Sitzung des Stadtrates beschlossen, dass das "Elektrizitätswerk AG" Grund und Seen im Jungen Wald, die im Besitz der Stadt waren, nutzen dürfe, um hier einen zoologischen Garten zu gründen, so die Zeitung Foaia poporului vom 3. Februar 1929. Der Tiergarten in Hermannstadt ist heute einer der vier größten im Land. "Wenn wir ähnliche Bedingungen wie im Zoo in Neumarkt am Mieresch schaffen könnten", meint Zoodirektor Constantin Bebeºelea, "wären wir zufrieden. Dort gab es eine Zusammenarbeit mit einem Zoo aus dem Ausland. Die Entwicklung dort war wirklich ausgezeichnet."
Bären streifen in der freien Wildbahn in Revieren umher, die zwischen 25 und 1000 Quadratkilometer umfassen - hier teilen sich fünf Bären 24 Quadratmeter, was an Tierquälerei grenzt. Jetzt soll der Zoo erweitert werden, eine Auflage der Europäischen Union. In Rumänien scheint sich niemand gegen solche Missstände einzusetzen. Die Affen leben im Winter in geschlossenen Räumen, sie brauchen Bedingungen, die denen des Menschen ähneln. Im Affenhaus ist es zwar warm, aber dunkel und stickig. Die verschmutzten Fensterscheiben, durch die kein Licht mehr eindringen kann, und der Gestank stören keinen. Im Sommer können die Affen von den Menschen immerhin lernen, eine Zigarettenkippe im Mund zu halten, denn der Umgang der Besucher mit den Tieren ist leider nicht immer vorschriftsmäßig. "Die meisten Unfälle hatten wir mit Besuchern, die nicht aus Hermannstadt stammen", erklärt Bebeºelea. Trotz der Warnungen wollte ein junger Mann im Vorjahr die Bären streicheln und sich ganz nahe fotografieren lassen. Dabei wurde er angegriffen, kam aber noch heil davon.
Der Löwe Bruno fordert vom Zoodirektor seine Streicheleinheiten. Der mächtige König ist nur noch eine traurige Katze. Die Löwin hat nur einen müden Blick für den Besucher übrig. Der älteste Bär des Zoos leckt zwischen den Gitterstäben hindurch am Schnee. Die weißen Wölfe drehen in ihrem Käfig enge Kreise, von Laufen kann keine Rede sein. "Größere Winterbehausungen bringen auch höhere Kosten mit sich, und das können wir uns nicht leisten. Man macht, was man kann", sagt Direktor Constantin Bebeºelea. "Die Tiere haben zu wenig Platz, werden aber ordentlich gefüttert." Tatsächlich werden die Löwen mit ausreichend Geflügel versorgt, sie zeigen jedoch kein Interesse an dem Futter.
Auch wenn der Tiergarten im Laufe der Jahre erweitert wurde (im Vorjahr kamen z. B. zehn Hektar hinzu), ist die einstige Idee des Elektrizitätswerk fast unverändert geblieben, wenn die Instandhaltung auch zu wünschen übrig lässt. Seit März 2005 ist der Hermannstädter Zoo direkt dem Stadtrat unterstellt. Dieses Jahr werden entsprechende Investitionen getätigt, verspricht Bebeselea. 1,4 Millionen neue Lei (RON), umgerechnet etwa 400 000 Euro, braucht der Zoo dieses Jahr, davon 580 000 Lei für Investitionen. Zunächst muss der Deich für etwa 400 000 Lei erneuert werden. Weitere 100 000 Lei soll das Bärengehege kosten. Derzeit leben die fünf Bären auf 24 Quadratmeter Beton, das natürliche Gehege soll 900 Quadratmeter groß sein. Der Jaguar lebt zurzeit auf 20 Quadratmetern. Sein Gehege soll 40 Mal größer werden. Im Frühherbst sollen die Wölfe von 30 Quadratmetern auf 1 000 umziehen. Allerdings wird es noch dauern, bis alle 135 Tiere und Vögel einigermaßen artgerecht untergebracht sein werden. "Bis nicht alle Tiere größere Käfige haben, werden wir keine neuen Tiere anschaffen", verspricht Bebeºelea. Und wenn neue Tiere dazu kommen, sollen es hauptsächlich Pflanzenfresser sein, deren Unterhaltskosten weitaus niedriger sind als die der Raubtiere.
Nach 1990 verfiel die Anlage zusehends. Nun lässt der Stadtrat wieder Hoffnung aufkommen, allerdings hat bisher noch keine Tierschutzorganisation Hilfe angeboten, und nur wenige Einrichtungen haben dem Zoo Futter für die Tiere zur Verfügung gestellt, wahrscheinlich auch, weil das rumänische Gesetz die Vernichtung unverkäuflicher Früchte vorsieht. Daher können solche Waren nur in den Zoo gelangen, wenn dabei Gesetze übertreten werden. Die Unternehmen, die hie und da etwas schenken, möchten dementsprechend anonym bleiben. Der Beitritt zur Europäischen Union lässt hoffen, dass bald legal Bananen mit braunen Flecken an den Zoo geliefert werden dürfen, denn "so schmecken sie den Affen am besten". Es fließen auch private Spenden, z.B. gingen kürzlich aus München 3 000 Euro für das Gehege der Bären ein. Vielleicht bietet ihnen der nächste Winter mehr als nur Schneelecken durch verrostete Gitter.

Ruxandra Stănescu

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