10. Dezember 2012

Christa Wandschneider hielt eine bewegende Ansprache in Dinkelsbühl

Das Jahresende kündigt sich im Herbst nicht nur durch Nebel und Kälte an, es ist auch Zeit des Gedenkens an Toten wie Allerseelen, Allerheiligen, Totensonntag und seit 1952 auch Volkstrauertag. Der Volkstrauertag wurde am 18. November in Dinkelsbühl mit einem Gottesdienst, Gedenkreden und Kranzniederlegungen in würdigem Rahmen begangen. Nach dem Gottesdienst in der St.-Pauls-Kirche bildete sich ein Gedenkzug und begab sich unter den Klängen der Stadtkapelle zur Gedächtsniskapelle, wo Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer an die in den beiden Kriegen gefallenen Soldaten erinnerte. Der Volkstrauertag sei Mahnung an die Schrecken der Kriege und Gewaltherrschaft, dürfe aber auch den Gedanken der Versöhnung nicht außer Acht lassen.
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarte ich, was kommen mag“ – mit diesem Lied von Dietrich Bonhoeffer gedachte der Concordia-Männerchor Dinkelsbühl der Verstorbenen. An der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen legten die Kreisgruppe Dinkelsbühl-Feuchtwangen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen zusammen mit dem Oberbürgermeister und den Stadträten Dinkelsbühls Kränze nieder. Die Bundesfrauenreferentin des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Christa Wandschneider, hielt eine bewegende Ansprache, die im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben wird.

Der Volkstrauertag ist ein Tag des stillen Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewalt und zugleich ein Tag des Nachdenkens darüber, wie wir heute mit Not und Leid umgehen, und was wir, jeder Einzelne von uns, für Freiheit und Menschlichkeit in der Welt tun können.

Hier an der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen haben wir uns eingefunden, um neben allen Opfern der beiden Weltkriege weltweit auch unserer siebenbürgischen Toten zu gedenken. Wir leben heute in einem Europa, in welchem der Frieden dauerhaft gesichert ist, doch wir leben auch in einer Zeit, in der ein Gewaltakt in einem fernen Winkel der Welt unmittelbaren Einfluss auf unser Leben hier in Deutschland hat. Auch 2012 gibt es noch unzählige Kriege und auch in diesem Jahr befinden sich wieder oder immer noch deutsche Soldaten in krisengeschüttelten Gebieten, wo sie für Frieden und Freiheit kämpfen oder sogar ihr Leben lassen müssen.

Heinrich Heine, unser großer deutscher Dichter, er lebte von 1797 bis 1856, also lange vor den beiden Weltkriegen, schrieb einmal: „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“ Dies trifft auf jene Menschen zu, die nach einem erfüllten und ereignisreichen Leben gestorben sind. Heute gedenken wir aber auch jener Menschen und schließen sie in unsere Gebete ein, die ihr Leben nicht zu Ende leben konnten. Unter ihrem Grabstein – so sie denn einen haben – befinden sich ungelebte Träume, Wünsche und Hoffnungen. Ihr Lebensweg wurde abrupt beendet, viele wurden durch Gewalt und Terror mitten aus dem Leben gerissen. Unter ihrem Grabstein liegt ein Stück Geschichte aus jener Welt, in der es noch nicht gelungen ist, Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen zu gewährleisten.

Als mahnende Erinnerung an die Vergangenheit und die Erneuerung des Gedankens der Versöhnung stehen wir heute vor diesem Mahnmal mit der Inschrift: Sie ließen ihr Leben „in den zwei Weltkriegen und schweren Nachkriegsjahren. Im Norden, Osten, Süden, Westen. Hinter Stacheldraht. Auf der Flucht. In der Heimat“. An diesem Tag gedenken wir nicht nur der in Russland gefallenen Soldaten, sondern auch der vielen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und auf dem Weg in die Fremde den Tod fanden.

Die Siebenbürger Sachsen haben in Dinkelsbühl nicht nur eine Partnerstadt, eine Heimat und einen Ort der Begegnung gefunden, sondern sie durften hier auch eine Gedenkstätte und ein Mahnmal für ihre Verstorbenen errichten. Für dieses Zueinanderstehen in Freud und Leid danke ich Ihnen, den Vertretern und Bürgern der Stadt Dinkelsbühl, im Namen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.

Am heutigen Volkstrauertag wollen wir uns auf das Ideal der Menschlichkeit besinnen und uns der besonderen Verantwortung bewusst werden, die wir alle für unsere Mitmenschen tragen. Jeder unserer Gedanken und jede unserer Handlungen sind Teil der Menschheit. Seien wir alle beseelt von Liebe, Frieden und Wahrhaftigkeit! Dann helfen wir mit, dass Hass und Gewalt überwunden werden und eine bessere, friedvollere und gerechtere Welt Wirklichkeit wird!

Christa Wandschneider

Schlagwörter: Volkstrauertag, Dinkelsbühl, Gedenkstätte

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