1. Juni 2018

"Siebenbürgisches Pfingstwunder": Die Gemeinschaft ist zusammengewachsen

Den Pfingstgruß seitens der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien übermittelte Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă bei der Festkundgebung des Heimattages am Pfingstsonntag, dem 20. Mai, in Dinkelsbühl. Das große Sachsentreffen in Hermannstadt, die vielen Heimattreffen und der Kirchentag in Kronstadt im letzten Jahr hätten die siebenbürgische Welt grundlegend verändert. Ein „Pfingstwunder“ sei geschehen. Die Gemeinschaft sei nach vielen Jahren, in denen sie auseinandergedriftet sei, wieder zusammengewachsen, sagte Cosoroabă. So wie Petrus der in Jerusalem versammelten Festgemeinde verkünden konnte, dass sich die Hoffnung auf den Geist Gottes erfüllt habe, so sei auch der Wunsch der Siebenbürger Sachsen zusammenzufinden in Erfüllung gegangen. Der Pfingstgruß wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Liebe Schwestern und liebe Brüder!
Am heutigen Pfingsttage bringe ich Euch einen Gruß von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mit. Doch ich bringe nicht nur einen Gruß, sondern auch Motivation, das verregnete Wetter auszuhalten. Denn ich erinnere an das Sachsentreffen im Sommer 2017, als die Sonne unbarmherzig brannte und wir uns alle Regen gewünscht haben. Nun heute ist er gekommen. Gott erfüllt alle unsere Bitten, selbst wenn er es nicht sofort tut!

Ein Pfingstwort der Heimatkirche an der Schranne in Dinkelsbühl hat Tradition. Viele haben es schon vor mir getan. Aber nie, nie in all den Jahren war es leichter, hier zu sprechen, als für mich heute! Denn das diesjährige Pfingstwort kommt nach den Ereignissen des Jahres 2017, nach dem großen Sachsentreffen in Hermannstadt, den vielen, vielen Heimattreffen rundherum und nach dem Kirchentag in Kronstadt. Diese Ereignisse haben unsere siebenbürgische Welt verändert. Sie haben gezeigt, dass die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen über die Grenzen hinweg schon zusammengewachsen ist und zusammen lebt.
Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă verkündete die ...
Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă verkündete die Erfüllung eines "Pfingstwunders": Die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft sei zusammengewachsen. Foto: Petra Reiner
Meine jährlichen Vorredner mussten sich von der Resignation zur Hoffnung durcharbeiten – und haben es auch gut getan. Sie haben begonnen mit Reden, die die Trennung zwischen hüben und drüben bedauerten und als Schicksal annahmen. Es blieb die gemeinsame Geschichte. Danach kamen Reden, die erstmalig von der Hoffnung sprachen, die Gräben zwischen uns zuzuschütten. Und danach kam die Vision, dass man im gemeinsamen Europa – in Zukunft – vielleicht wieder zusammenwachsen könnte und sollte.

Aber heute ist nicht nur die Resignation zurückgeblieben. Auch die Hoffnung braucht es nicht mehr. Denn die Hoffnung ist von der Erfüllung ersetzt worden! Nach dem Sommer 2017 müssen wir nicht mehr darüber reden, ob oder wann die Gemeinschaft wieder zusammenfindet. Es ist schon geschehen. In eindrücklicher Weise haben wir es selber erlebt. Somit kann ich euch heute die Erfüllung verkündigen.

Liebe Schwestern und Brüder!
Ich verrate Euch heute ein Berufsgeheimnis! Wir Pfarrer sprechen sehr ungerne von „Wunder“. Wir haben insgeheim die Befürchtung, als rückständig empfunden zu werden. Und trotzdem muss ich an dieser Stelle von „Wunder“ sprechen. Wer von uns hätte sich so einen Sommer 2017 erträumen können, damals … Damals als wir Euch in der Nacht auf dem Perron des Mediascher Bahnhofs verabschiedet haben, damals als ihr in den Zug nach Wien stiegt. In der Hand hattet ihr nur zwei Koffer. Ihr habt die Brotkartelle zurückgelassen, aber damit auch das ganze Elternhaus. Ihr habt den „Neuen Weg“ mit seinen Propagandaartikeln zurückgelassen, aber damit auch Eure Freunde, Familie und Gräber. Wer hätte sich in jener Nacht vorstellen können, was alles noch werden wird! Es ist geradezu ein „siebenbürgisches Pfingstwunder“.

Wir sind damit auf der Linie dessen, was auch Petrus zu Pfingsten in Jerusalem erlebte. Er kann der dort – aus aller Welt – versammelten Festgemeinde ebenfalls Erfüllung verkünden. Es ging nicht mehr nur um die Hoffnung auf den Geist Gottes. Hoffnung, die die Propheten des Alten Testamentes wachhielten. Sondern mit Pfingsten war die Erfüllung der Hoffnung eingetreten. Gott hatte direkt in die Geschichte eingegriffen und brachte zerstreute Menschen wieder zusammen. Neue Fakten wurden geschaffen – es entstand die Kirche.

Auch die Siebenbürger Sachsen haben sich im letzten Jahrhundert zerstreut. Und sie sind nicht nur räumlich auseinandergedriftet. Sie haben auch jeweils andere Entwicklungen durchmachen müssen, in den alten und neuen Bundesländern, in Österreich und der Schweiz, in den USA und Kanada und nicht zuletzt in Rumänien. Und das prägt. Aber trotz den Distanzen und neuen Prägungen und vielleicht auch trotz neuer Sprachen – hat die Gemeinschaft zusammengefunden. So wie die erste christliche Gemeinde ab Pfingsten. Es ist klar nicht mehr die alte Nachbarschaft innerhalb des gleichen Dorfes, die uns zusammenhält. Es ist das Netzwerk der Gleichgesinnten, das uns verbindet: von Kitchener nach Drabenderhöhe, von Wels nach Alzen, von Dinkelsbühl nach Schäßburg. Es ist aber auch ein Netzwerk, in welchem viele andere, außersiebenbürgische Menschen, neue Verwandte und Freunde, Kollegen und Förderer mit eingebunden sind.

Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien freut sich sehr, Teil dieses Netzwerkes zu sein; mit ihren 12.000 Gemeindegliedern, ihren Pfarrämtern, Werken und Vereinen. Und jeder bringt das ein, was ihn repräsentiert und was er kann; auch in Sachen „Kultur“, von der wir heute bekennen, dass sie „Heimat und Zukunft“ schafft. Nur eines will ich hier – stellvertretend für alles andere – nennen, was wir von Siebenbürgen her in das große Netzwerk einbringen können. Es ist zugleich eine Einladung, die ich als Angehöriger der Lucian-Blaga-Universität ausspreche. Wir haben zu Hause eine ganze Reihe universitärer Ausbildung in deutscher Sprache: in Klausenburg, in Hermannstadt, in Kronstadt. Ich lade Euch junge, trachtentragende Studierenden ein, diese Chance zu nutzen und ein Semester in Siebenbürgen zu studieren. Unsere Universitäten sind durch Erasmusprogramme und Partnerschaften gut vernetzt. Zugang ist möglich. Und jenseits des Fachstudiums bietet dann so ein Semester die Gelegenheit, Land und die Leute kennen zu lernen; so wie sie wirklich sind. Es ist die Gelegenheit, das Leben nicht nur aus den Erzählungen der Großeltern oder aus dem kurzen Sommerurlaub kennen zu lernen, sondern so wie es ist: mit seinen guten, schweren und banalen Seiten.

Ja, die Hoffnung des Zusammenwachsens hat sich erfüllt. Damit hat natürlich nicht schon das Paradies begonnen. Weder für die junge, christliche Kirche zu Pfingsten noch für die neu gewonnene Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen. Es sind damit nicht alle Probleme verschwunden. Von der jungen Kirche wissen wir es aus der Geschichte, dass Verfolgung und Ermüdung eintreten sollte. Für uns sehen wir, dass die Herausforderungen in der Welt täglich größer werden. Die Globalen mag ich heute nicht benennen. Aber unsere Speziellen schon: Wir werden weiterhin Kirchenburgen verlieren, Dorfgemeinden werden überaltern, neue Verantwortungsträger werden fehlen. Und mehr …

Aber über das eine muss nicht mehr gesprochen werden: Gott hat uns eine Zukunft als Gemeinschaft geschenkt in der und mit der wir leben können. Wenn heute nun auf allen Kanzeln von der Ausgießung des Heiligen Geistes gepredigt wird, dann können wir nur nicken und sagen: Das habe ich selber erlebt.

Die Heimatkirche grüßt alle! Großer Gott wir loben Dich!

Schlagwörter: Heimattag 2018, EKR, Föderation

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