30. August 2025

Ein Wochenende voller Heimat, Kultur und Gemeinschaft in Youngstown, Ohio

Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Nordamerika bot ein Wochenende voller Heimat, Kultur und Gemeinschaft mit Kulturgruppen und Besuchern aus den USA, Kanada und Europa. Diethild und Georg Tontsch aus Böblingen waren vom 11.-13. Juli in Youngstown, Ohio ebenfalls dabei und berichten im Folgenden von ihren Erlebnissen.
Hinweisschild zum Saxon Club in Austintown ...
Hinweisschild zum Saxon Club in Austintown
Den langjährigen Wunsch, am Heimattag der Siebenbürger Sachsen in den USA oder Kanada teilzunehmen, haben mein Mann und ich in diesem Jahr in die Tat umgesetzt. Dank der freundlichen Zusage von Denise Aeling Crawford, Präsidentin der Alliance of Transylvanian Saxons (ATS), die uns das Anmeldeformular und die nötigen Informationen samt herzlichem Willkommensgruß zukommen ließ, war der erste Schritt getan.

Anreise und Hintergrundinformationen

Am 8. Juli ging unser Flug von Stuttgart – Wien – Newark, New Jersey und von dort weiter mit einem Mietwagen nach Youngstown, Ohio, wo vom 11. bis 13. Juli der Heimattag der „Transylvanian Saxons“ stattfinden sollte. Die Vorfreude auf dieses Ereignis war riesig, denn es war eine besondere Gelegenheit, Landsleute aus den USA, Kanada und Europa zu treffen, die gemeinsam Traditionen pflegen, Erinnerungen austauschen und neue Verbindungen knüpfen. Organisiert von der ATS-Ortsgruppe (Branch) Youngstown in Kooperation mit dem Cultural Committee (Kulturreferat) der ATS, bot das Wochenende ein buntes Programm aus Kultur, Musik, Glaube und Gemeinschaftssinn.

Die Alliance of Transylvanian Saxons (ATS) ist der Bund der Siebenbürger Sachsen in den USA. Er wurde 1902 gegründet und ist als brüderlicher Wohltätigkeitsverein organisiert. Seine Mitglieder setzen sich für die Bewahrung der sächsischen Kultur und Traditionen ein. Durch den Verkauf von Lebensversicherungen und Renten bietet die Organisation ihren Mitgliedern finanzielle Sicherheit und gleichzeitig brüderliche Gemeinschaft durch soziale und kulturelle Veranstaltungen und abwechslungsreiche Aktivitäten wie Gesangsvereine, sächsische Volkstanzgruppen, Blaskapellen, Bowlingvereine, Jugendaustauschprogramme, Stipendien, Kindersommerlager und andere sportliche und kulturelle Aktivitäten für Jugendliche und Familien. Ihre offizielle Publikation ist das The Saxon News Volksblatt. Es bringt allgemeine Nachrichten über die Aktivitäten der nationalen und lokalen Organisationen und interessante Artikel über sächsische Aktivitäten in Europa.

Schon der erste Anblick des Youngstown Saxon Club – wir würden es Vereinsheim nennen – beeindruckte uns mit dem Hinweisschild an der Straße, seinem großen Gebäude und dem weitläufigen, gepflegten Grundstück. 1907 an anderer Stelle in Youngstown als Teil der ATS gegründet, befindet sich der Club seit 1941 in der Meridian Rd. in Austintown und hat sich zu einem wichtigen kulturellen Zentrum entwickelt.
Georg und Diethild Tontsch überreichten Denise A. ...
Georg und Diethild Tontsch überreichten Denise A. Crawford, Präsidentin der ATS (Mitte), das Tartlauer Heimatbuch und die Herta-Wilk-Mappe mit Leinenstickereien.

Der Auftakt

Der Freitagabend, 11. Juli, stand unter dem Motto „Back to the 70s“ und war ein humorvoller und nostalgischer Einstieg ins Wochenende in stimmungsvollem Ambiente. Als wir den Partyraum betraten, erhielten wir das rot-goldene Abzeichen und die Gutscheine für die Mahlzeiten. Alles war bestens organisiert. Wir wurden von Erna Weber und anderen herzlich auf Deutsch und Englisch willkommen geheißen. Danach nahm uns Denise in Empfang, machte uns mit ihrer Familie bekannt und lud uns ein, bei ihnen am Tisch Platz zu nehmen. Damit löste sich für uns die Spannung, wir fühlten uns wohl und konnten uns mit dem zweiten Ehepaar aus Deutschland auf Sächsisch unterhalten, denn noch waren die Hemmungen für englische Konversation nicht abgelegt. Wir lernten zum ersten Mal „Sachsen“ kennen, die schon in dritter, vierter und sogar fünfter Generation in den USA leben. Manche sprechen noch fließend Sächsisch, andere ein paar Worte oder gar nicht, doch ihr Herz scheint immer noch siebenbürgisch zu schlagen. So haben wir es empfunden.

Viele Gäste trugen passende Kleidung wie Schlaghosen, Plateauschuhe oder Flowerpower-Outfits. DJ Heidi Weber sorgte für großartige Stimmung. Diskokugeln, bunte Dekoration, traditionelles Essen und gute Laune begleiteten das Wiedersehen der Gäste. Man konnte spüren, wie stark die Verbindung zwischen den Generationen noch immer ist und wie sich alle freuten, sich nach längerer Zeit wieder zu sehen. Den Abend ließen wir mit angeregten Gesprächen trotz hoher Temperaturen draußen im Freien ausklingen, begleitet von unzähligen Glühwürmchen, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Es schien ein gutes Omen für das bevorstehende Ereignis zu sein und weckte großartige Gefühle.

Der Heimattag

Festabzeichen Heimattag 2025 ...
Festabzeichen Heimattag 2025
Der Samstag begann mit einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem sich Gäste aus allen ATS-Ortsgruppen begegneten. Der feierliche Gottesdienst mit Pfarrer Joseph Rudjak von der Holy Apostles Parish-Kirche in Youngstown sowie die musikalische Begleitung der Youngstown Saxon Culture Group und des New Castle Männerchors beeindruckte uns sehr, ebenso die Kollekte, die dem Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland zugutekommen sollte und von grenzüberschreitender Solidarität zeugt. Es war alles so, wie wir es von unseren Heimattagen in Deutschland und Siebenbürgen kennen, nur in englischer Sprache, die wir glücklicherweise auch verstehen.

Der kulturelle Nachmittag bot eine beeindruckende Vielfalt an Programmpunkten. Besonders bewegend war der Aufmarsch der Trachtenträger, der von der Cleveland Saxon Dance Group organisiert wurde. Für uns war das der Höhepunkt des Tages, denn wir hatten unsere Tracht mitgebracht und durften mitmachen. Ich war die einzige Teilnehmerin in Burzenländer Tracht, mit Spangengürtel und Schürze mit Tambour-Stickerei. Es war ein überwältigendes, berauschendes, einmaliges Erlebnis. Das Publikum war großartig und die Resonanz unbeschreiblich emotional. Das gemeinsame Singen der amerikanischen und kanadischen Nationalhymnen sowie des Siebenbürgenlieds, Hymne der Siebenbürger Sachsen, verlieh den Feierlichkeiten zusätzliche Würde und ein Gefühl von Zugehörigkeit, das über Landesgrenzen hinausgeht. Angesichts dieser bewegenden Momente konnte ich Tränen der Dankbarkeit und Freude kaum unterdrücken.

Anlässlich des 800-jährigen Jubiläums des Andreanum, des „Goldenen Freibriefs“ (1224-2024), mit dem die Siebenbürger Sachsen Rechte und Freiheiten zugesichert bekamen, folgte ein Vortrag, den Denise Crawford vertretungsweise für den verhinderten Gastreferenten aus Siebenbürgen, Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär im Departement für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens, hielt. Die Bedeutung dieses Dokuments für die Identität unserer Gemeinschaft wird zurzeit bei unzähligen kulturellen Veranstaltungen hervorgehoben und gewürdigt.

Die Kulturgruppen New Castle Kinderchor und New Castle Männerchor beeindruckten mit ihren traditionellen Liedern. Die Cleveland Saxon Dance Group und die Kitchener Transylvania Club Dancers legten unglaublich schwungvolle Tänze aufs Parkett und verbreiteten ausgelassene Stimmung. Die Zuschauer waren begeistert. Weil wir das schon ahnten, hatten wir Flyer und Prospekte unserer Kulturgruppen aus Böblingen mitgebracht und verteilt, um einen eventuellen Kulturaustausch anzuregen. Eine Zusammenkunft vor allem der Jugendtanzgruppen aus Deutschland, USA und Kanada wäre eine Riesenchance für alle, um sich kennenzulernen und gegenseitig zu beflügeln. Ich hoffe, wir hören voneinander.

Bei Denise haben wir uns zum Abschluss des kulturellen Programms persönlich für die herzliche Aufnahme bedankt. Wir haben ihr ein Exemplar unseres Tartlauer Heimatbuchs überreicht, zu deren Autoren wir beide zählen, und hoffen, dass es die Aufmerksamkeit vieler ihrer Vereinsmitglieder weckt. Des Weiteren überreichten wir die Mappe „Siebenbürgisch-sächsische Leinenstickereien aus Tartlau“ der Tartlauer Lehrerin und Volkskunstsammlerin Herta Wilk. Vielleicht werden die alten Kreuzstichmuster, fernab ihres siebenbürgischen Ursprungs, in den Vereinigten Staaten zu neuem Leben erweckt.

Während der einstündigen Pause nach dem kulturellen Teil des Festes wurden die Trachten gegen leichte Sommerkleidung getauscht. Der gemütliche Teil des Abends begann mit einem Drink an der Bar in der Lounge. Diese beeindruckte uns mit vielen siebenbürgischen Handarbeiten und Bildern. Die Bedienungen trugen T-Shirts, die mit siebenbürgischem Wappen und Sprüchen bedruckt waren. Natürlich haben wir ein solches auch gekauft. Selbst die rot-blauen Bierdosen waren mit sieben Burgen bedruckt und mit „Saxon Lager (Bier)“ beschriftet – sehr originell.

Die Atmosphäre war, wie schon der ganze Tag, bezaubernd. Wir lernten noch mehr nette Leute kennen und kamen ins Gespräch. Dabei stellten wir fest, dass bei manchen der Verlust der siebenbürgischen Heimat noch sehr tief sitzt, doch die Erinnerungen daran lebendig und liebevoll sind. Die Sprachenvielfalt von Englisch, Deutsch, Sächsisch und etwas Rumänisch war nicht zu überhören, als wir uns austauschten.

Große Bewunderung erweckte bei uns die Heimatstube mit vielen Trachten, Urkunden, Bildern von Persönlichkeiten des Vereins, Handarbeiten, alten Haushaltsutensilien und vielem mehr. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass das hier alles so reichlich vorhanden ist und so liebevoll präsentiert wird. Wir konnten uns kaum sattsehen.

Dann folgte das Abendessen im schön hergerichteten Festsaal. Innerhalb einer Stunde hatten die fleißigen Helfer die großen runden Tische gedeckt und mit rot-blauen Stoffservietten dekoriert. An jedem Platz lag ein kleines Organza-Säckchen mit Süßigkeiten und einem Erinnerungsspruch – eine sehr nette Geste der Gastgeber. Wir hatten auch neue Tischnachbarn, denn die meisten hatten sich umgesetzt, um mit möglichst vielen ins Gespräch zu kommen. Es duftete nach leckerem Abendessen, und wir waren gespannt auf das Büfett. Und tatsächlich – das Essen war ganz im Sinne der Siebenbürger Sachsen: Schnitzel, Bratwurst, Kartoffelpüree, Sauerkraut, grüne Bohnen und Salate. Das ist traditionell und schmeckt jedem. Die Köchinnen und Köche sowie die Bedienungen bekamen großes Lob.
Kultureller Nachmittag mit Musik und Tanz ...
Kultureller Nachmittag mit Musik und Tanz
Die Grußworte von Denise A. Crawford (USA) und Krista Hesch (Kanada) würdigten Mitglieder, Anwesende und Helfer, die sich unermüdlich engagieren und sich stark machen für den Fortbestand der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft, die ihre Ahnen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet hatten. Grüße und Briefe aus anderen Ländern waren anlässlich des Heimattags eingegangen und wurden zitiert. Auch wir beide wurden als Gäste aus Deutschland vorgestellt und man wusste zu schätzen, dass wir diese lange Reise mitsamt der Tracht angetreten hatten. Darüber haben wir uns sehr gefreut.

Am Abend spielte das Orchester „Fred Ziwich & Friends“ zum Tanz auf. Gemütlichkeit und gute Laune rundeten diesen wunderbaren Tag ab und lockerten die Stimmung. Bis spät wurde getanzt, gelacht und gesungen. Erschöpft, doch sehr zufrieden kehrten wir in unser Hotel zurück, denn schon am nächsten Tag sollte unsere Reise weitergehen entlang des Erie-Sees über Cleveland, zu den Niagara-Fällen, den Finger Lakes, nach Harrisburg, Pittsburgh, Gettysburg, Columbus und Chicago. Am 30. Juli waren wir wieder zu Hause in Deutschland.

Wie haben wir den Heimattag in Youngstown erlebt?

Von jung bis alt waren alle mit Herz und Seele dabei. Aus allen Himmelsrichtungen, von nah und fern waren Menschen gekommen, die etwas verbindet. Der Heimattag wurde zu einem echten Miteinander und hat großen Spaß gemacht. Es war nicht nur eine Rückbesinnung auf unsere Herkunft, sondern auch ein kraftvolles Zeichen, dass unsere Kultur lebt – in Traditionen, im Tanz, in der Sprache, in Musik und Gesang und vor allem in der Gemeinschaft. Die Vorfreude auf den Heimattag 2026 in Aylmer, Kanada war bei vielen schon zu spüren. 2027 soll der Heimattag in den USA zusammen mit dem 125. Jubiläum der ATS gefeiert werden.

Wir beide haben den Heimattag sehr genossen und uns sehr verbunden gefühlt. Er wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Vielen Dank, dass wir dabei sein durften.

Diethild und Georg Tontsch

Schlagwörter: USA, Heimattag, Reise, Föderation

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