18. April 2022

Zum 75-jährigen Gründungsjubiläum des Hilfskomitees: Beistand und Begleitung. Für unsere Landsleute

Artikel zum 75-jährigen Gründungsjubiläum des Hilfskomitees – Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, erster Teil, veröffentlicht in der Beilage „Kirche und Heimat“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 28. März 2022, Seite 14
Kultur- und Begegnungszentrum Schloss Horneck in ...
Kultur- und Begegnungszentrum Schloss Horneck in Gundelsheim mit Siebenbürgisch-Sächsischem Kulturrat, Siebenbürgischem Archiv, Siebenbürgischer Bibliothek und Siebenbürgischem Museum. Foto: Peter Schmelzle 2008 CC 2.5
Mit großer Dankbarkeit blicken wir auf das langjährige, segensreiche Wirken unserer „Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Saschen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD“, besser bekannt unter seinem ursprünglichen Namen „Hilfskomitee“, zurück.

Wie ist es entstanden und welches waren seine wichtigsten Anliegen?

Infolge der Kriegs- und Nachkriegsereignisse hatten Millionen von Deutschen Heimat, Existenzgrundlage und familiären Rückhalt verloren. Dazu zählten auch die aus Rumänien stammenden Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. Die meisten Männer in wehrfähigem Alter hatten auf Grund eines Abkommens zwischen Rumänien und dem Deutschen Reich in der Wehrmacht oder in der SS gedient. Daher verweigerte ihnen der rumänische kommunistische Staat die Rückkehr in ihr Heimatland.

Auch unsere nach Russland zur Zwangsarbeit deportierten Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, die wegen Krankheit frühzeitig nach Deutschland entlassen worden waren, durften nicht in ihre Heimat zu ihren Lieben zurückkehren; sie waren wie alle anderen in dem zerbombten und übervölkerten Deutschland hilf- und schutzlos auf sich selbst gestellt.

Es waren vor allem das Deutsche Rote Kreuz sowie das 1945 gegründete Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, die den betroffenen Menschen in ihrer Notlage Hilfestellung gaben und sie unterstützten. Innerhalb dieses Hilfswerkes, des Vorläufers des späteren Diakonischen Werkes der EKD, ist das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben hervorgegangen.

Gegründet wurde das Hilfskomitee am 6. Januar 1947 in München mit dem vormaligen Lechnitzer Pfarrer Gottfried Rottmann als Vorsitzendem, Pfarrer Elsholz als dessen Stellvertreter und Dr. Otto Apel als Geschäftsführer. Es war die erste und einzige siebenbürgisch-sächsische Organisation im Nachkriegsdeutschland. Nur als eine kirchliche Einrichtung war seine Gründung unter der alliierten Besatzungsmacht möglich geworden; die Gründung von politischen oder völkischen Einrichtungen war zunächst verboten.

In ihm schlossen sich beherzte Pfarrer, Lehrer und sonstige Landsleute zusammen, die sich für das Schicksal unserer siebenbürgisch-sächsischen Glaubens- und Volksgemeinschaft verantwortlich fühlten, zusammen. Sie engagierten sich tatkräftig für unsere schutz- und heimatlos gewordenen Landsleute bei ihrer Eingliederung in die Gesellschaft und in die Evangelische Kirche. Das Hilfskomitee wollte ihnen dazu verhelfen, hier eine neue Heimat zu finden und ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit zur siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft vermitteln, auch durch ein Wiederanknüpfen an siebenbürgische Traditionen.

Hilfskomitee und die Gründung von Verband/Landsmannschaft

In kurzer Zeit wuchs der Arbeitsumfang stark an, so dass sich eine Aufgabenteilung als notwendig erwies. Als das Grundgesetz auch die Gründung von Vereinen ermöglichte, legte die hiesige Evangelische Kirche Wert darauf, dass sich die Arbeit im Hilfskomitee auf kirchliche Bereiche beschränkte. Durch die Ausgliederung der anderen Aufgabenfelder kam es dann am 26. Juni 1949 in München zur Gründung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland; später nannte er sich für eine längere Zeit „Landsmannschaft“.

Der Verband sah zunächst keinen Grund zur Trennung von der sächsischen kirchlichen Einrichtung und wählte auf seiner Gründungsversammlung Fritz Reimesch, der das Hilfskomitee damals leitete, ebenfalls zu seinem Vorsitzenden. Gemeinsamer Geschäftsführer wurde für kurze Zeit der vormalige Bistritzer Gymnasiallehrer Hubert Groß. - 1950 erschien die erste Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung, ein Jahr später fand der erste Heimattag in Dinkelsbühl statt.

Durch den Verzicht von Fritz Reimesch auf eine weitere Kandidatur und mit der 1952 erfolgten Wahl von Heinrich Zillich zum nächsten Vorsitzenden des Verbandes kamen diese Personalunion und auch das Zusammenwirken beider Einrichtungen an ihr Ende.

Den Vorsitz im Hilfskomitee übernahm der Theologe und Kirchenhistoriker Prof. Dr. Erich Roth, konnte ihn aber nur bis 1955 versehen, da er bereits 39-jährig verstarb. Auf ihn folgte Oberstudienrat Hans Philippi, der das Amt bis 1981 innehatte. Geschäftsführer wurde Dr. Wilhelm Bruckner, der später zum Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft gewählt wurde. Seine Nachfolger waren zunächst Pfarrer Dr. Richard Alberti und dann für 25 Jahre Franz Herberth.

Tätigkeit des Hilfskomitees bis 1981

Allein in den ersten neun Jahren seit seiner Gründung hatte das Hilfskomitee unter anderem elf Rüstzeiten, neun Jugendsommerlager und einen Evangelisations- und Besuchsdienst mit Gottesdiensten, Bibelstunden, Gemeindeversammlungen und Jugendstunden durchgeführt und hatte Freizeiten sowie zwei Kirchentage zur Förderung der kirchlichen Beheimatung veranstaltet.
Von 1951-1953 veröffentlichte das Hilfskomitee in der Siebenbürgischen Zeitung die Spalte „Stimme deiner Kirche“. Ab November 1953 erschien die Beilage „Licht der Heimat“. Redigiert wurde sie bis 1978 von dem für das Hilfskomitee unermüdlich tätigen Vorsitzende Hans Philippi und dann, bis 1982, von Prof. Dr. Andreas Möckel.

Diese Tätigkeiten setzte das Hilfskomitee in den folgenden Jahren fort, weitere kamen hinzu. Es brachte das Jahrbuch, den Siebenbürgisch-sächsischen Hauskalender, sowie eine Reihe von Heimatbüchern und einige Sachbücher heraus. Aus seinen Silvestertagungen ging der „Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen“ hervor, der das „Korrespondenzblatt“ herausgab. Daraus entstand der „Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde“. Der „Jugendbrief“ erschien als Beilage zum „Licht der Heimat“ von 1956-1966.

Das Hilfskomitee begründete die „Siebenbürgische Bücherei“ zunächst in Rimsting, dann in Gundelsheim und trug zum Entstehen des Siebenbürgischen Archivs, des Kulturrates und des Museums mit bei.

In dieser ganzen Zeit stand das Hilfskomitee in Verbindung mit unserer Heimatkirche, der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR), die Hans Philippi in seinem Bericht „Rechenschaft nach 30 Jahren“ vom 8. November 1981 als „dienende Solidarität“ beschreibt; das Hilfskomitee hat „in mehr als drei Jahrzehnten die Sorgen der Kirche mitgetragen, ihre Hoffnungen geteilt und jede Möglichkeit genutzt, ihr als Helfer beizustehen.“ (Abgedruckt im Jahrbuch 1982) Freilich waren Kontakte und Unterstützungen unter dem totalitären kommunistischen Regime nur sehr eingeschränkt möglich.

Gegensätzliche Heimatpolitik

Bedauerlicherweise entfremdeten sich Verband und Hilfskomitee immer mehr voneinander bis zur richtigen, verbitterten Gegnerschaft. Der Hauptgrund war eine gegensätzliche Heimatpolitik, mit Auswirkungen auf ihre gesamte Tätigkeit. Im Grunde genommen, ging es um die hochemotional aufgeladene Thematik „Bleiben oder Gehen?“

Die Vertreter des Hilfskomitees setzten sich vehement für ein Bleiben unserer Landsleute in ihrer angestammten Heimat ein und versuchten, sie dabei zu unterstützen; Siebenbürger Sachse könne man nur in Siebenbürgen sein. Das war auch die dezidierte Haltung der beiden Bischöfe unserer Heimatkirche, D. Dr. Friedrich Müller (1945-1968) und seines Nachfolgers, D. Albert Klein (1969-1990). Die Leitung der Landsmannschaft hingegen trat für eine Auswanderung aus Rumänien und eine Zusammenführung in Deutschland ein.

Befürworter (Landsmannschaft) und Gegner der Auswanderung (Hilfskomitee) lieferten sich besonders in den 70er Jahren scharfe verbale Auseinandersetzungen, die zum Teil auch in der Siebenbürgischen Zeitung ausgetragen wurden. Diese Konflikte haben unsere Gemeinschaft hüben und drüben polarisiert und ihr schweren Schaden zugefügt. Dadurch war eine Zusammenarbeit zwischen Hilfskomitee und Landsmannschaft nicht mehr möglich.

Das sollte sich mit der Wahl eines neuen Vorstandes und eines neuen Vorsitzenden im Jahr 1981 grundlegend ändern.

Prof. Dr. Berthold Köber, Vorstandsvorsitzender

Der zweite Teil des Artikels über die 75-jährige Geschichte des Hilfskomitees erscheint in der nächsten Ausgabe der Beilage „Kirche und Heimat“, Siebenbürgische Zeitung vom 30. April 2022.

Schlagwörter: Hilfskomitee, Verband, Aussiedlung, Kirche und Heimat

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