27. März 2006

Ehrenamt und Ehrungen: Landsmannschaft führt "Pro Meritis" ein

Seit ihrer Gründung am 26. Juni 1949 hat die Landsmannschaft durch ihr beharrliches Bemühen die politische und rechtliche Gleichstellung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland mit allen Bürgern der Bundesrepublik erreicht: Rund 250 000 Siebenbürger Sachsen und deren Nachkommen sind heute deutsche Staatsangehörige mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Zudem setzt sich der Verband für die Pflege und Förderung des kulturellen Erbes, der Wissenschaft und Kunst der Siebenbürger Sachsen ein, versucht siebenbürgisch-sächsisches Bewusstsein bei möglichst vielen Landsleuten wachzuhalten und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Dies alles wäre ohne herausragende Persönlichkeiten in Wissenschaft, Technik und Kultur, aber auch ohne ehrenamtliches Wirken Tausender Landsleute nicht möglich. Zur Anerkennung dieses vielseitigen Engagements hat die Landsmannschaft schon seit ihrer Gründung Ehrungen vorgenommen und Mitte der achtziger Jahre in einer einheitlichen Ehrenordnung, den "Richtlinien für Ehrungen", zusammengefasst und seither mehrmals verändert wurden. Im November 2005 hat der Bundesvorstand der Landsmannschaft das Siebenbürgisch-Sächsische Verdienstabzeichen "Pro Meritis" eingeführt, das in einer Feierstunde am 18. März 2006 in München erstmals verliehen wurde, und zwar an den Musikpädagogen und Dirigenten Paul Staedel (Waldkraiburg).
"Bei allem Engagement und zeitlicher Belastung dürfen wir die schönen Seiten des Ehrenamtes nicht vergessen: Spaß, Freude und Hingabe, persönliche Erfüllung, viele Kontakte mit Mitmenschen und gemeinsame Gestaltung unserer Lebensverhältnisse können eine Zugabe zu Hinwendung, Unterstützung der Menschen, der Tiere und Natur in Not sein", schreibt der Sozialpädagoge Thomas Olk. Das bürgerschaftliche Engagement eröffnet also jedem Einzelnen die Chance, sinnvolle Vorhaben zu verwirklichen, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und wichtige Erfahrungen zu machen. In gesellschaftlicher Hinsicht sei das Ehrenamt so etwas wie der "soziale Kitt", der den sozialen und politischen Zusammenhalt sichert und in der bundesdeutschen Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ein wichtiger Baustein sei dabei die "Etablierung einer ‚Anerkennungskultur'", die mit Hilfe einer breit angelegten Palette von Maßnahmen und Instrumenten zu einer nachhaltigen Würdigung, Anerkennung und Ermutigung bürgerschaftlichen Engagements beitragen würde. Eigentlicher Sinn der anerkennenden Maßnahmen sei es, den "potentiell engagementbereiten Bürgerinnen und Bürgern glaubhaft deutlich machen, dass es wirklich auf sie ankommt und dass ihr Beitrag zur Gesamtleistung einer Organisation oder zum Erfolg eines Vorhabens bedeutsam ist", so Thomas Olk.

Paul Staedel (Mitte) wurde vom Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Dr. Bernd Fabritius (links), mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Verdienstabzeichen „Pro Meritis“ geehrt. Foto: Doris Roth
Paul Staedel (Mitte) wurde vom Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Dr. Bernd Fabritius (links), mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Verdienstabzeichen "Pro Meritis" geehrt. Foto: Doris Roth

Eine derartige "Anerkennungskultur" praktiziert die Landsmannschaft seit langem durch die Verleihung mehrerer gut aufeinander abgestimmten Auszeichnungen. Geehrt werden Persönlichkeiten, die sich Verdienste im Rahmen der Landsmannschaft oder anderer siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen durch Einsatz für die Siebenbürger Sachsen außerhalb siebenbürgisch-sächsischer Einrichtungen erworben haben. Zudem werden Persönlichkeiten gewürdigt, die sich als Siebenbürger Sachsen in der deutschen oder internationalen Öffentlichkeit Ansehen und Verdienste erworben haben, z. B. auf wirtschaftlichem, politischem, kulturellem oder sportlichem Gebiet.

Die Bandbreite der landsmannschaftlichen Ehrungen beginnt mit den Anerkennungsurkunden und "Silbernen Ehrenwappen" und reicht über das "Goldene Ehrenwappen", das "Große Ehrenwappen" und die "Ehrenmitgliedschaft" bis hin zur "Carl-Wolff-Medaille" (mit der vorwiegend Politiker, Journalisten und Wirtschaftsfachleute gewürdigt werden) und "Stephan-Ludwig-Roth-Medaille", die seit 1999 für Verdienste um den Erhalt siebenbürgisch-sächsischen Volkstums innerhalb oder außerhalb Siebenbürgens verliehen wird. Alljährlich seit 1968 vergeben die Landmannschaften der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Österreich den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis an Persönlichkeiten, die sich durch ihr Lebenswerk als Siebenbürger Sachsen oder aber um die Belange der Siebenbürger Sachsen verdient gemacht haben. Die "Richtlinien für Ehrungen" sind übrigens im Wortlaut auf der Homepage der Landsmannschaft einzusehen.

Das neu eingeführte Siebenbürgisch-Sächsische Verdienstabzeichen "Pro Meritis" wird in Form einer Plakette und eines Revers-Ansteckers mit Urkunde verliehen. Damit sollen Frauen und Männer geehrt werden, die sich in besonderer Weise um die Belange unserer Gemeinschaft verdient gemacht haben und deren Wirken nicht in die Verleihungsbestimmungen der Carl-Wolff-Medaille, der Stefan-Ludwig-Roth-Medaille oder des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises einzuordnen ist. Vorschlagsberechtigt ist jedes Mitglied der Landsmannschaft, antragsberechtigt sind die Vorsitzenden der Landesgruppe, in welcher die zu ehrende Person gewirkt hat. Aufgrund eines Beschlusses des jeweiligen Landesvorstandes wird das Verdienstabzeichen in festlichem Rahmen vom Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft verliehen.

Lob und Anerkennung motivieren bekanntlich zu Gemeinsinn und stets besseren Leistungen. Einfach mal "Danke" oder ein "Gut gemacht" zu sagen, erfordert keinerlei Budget und keinen großen Zeitaufwand. Damit Gemeinschaft weiterbestehen kann, ist es für die Beteiligten unerlässlich, Zuneigung und Verständnis zu zeigen, in aller Offenheit Gedanken und Gefühle auszutauschen. Ohne Lob zu erwarten, sollte jeder Einzelne jedoch von Liebe zu den Menschen und zur gemeinsamen Sache beflügelt sein. Der griechische Philosoph Epiktet (50-138) sagt das wie folgt: "Wenn die Sonne nicht auf Lob und Bitten wartet, um aufzugehen, sondern eben leuchtet und von der ganzen Welt begrüßt wird, so darfst auch du weder Schmeichelei noch Beifall brauchen, um Gutes zu tun. Aus dir selbst heraus musst du es tun: Dann wirst du wie die Sonne geliebt werden."

"Pro Meritis" für Paul Staedel

Unerwartet kam für Paul Staedel die Siebenbürgisch-Sächsische Verdienstmedaille, die ihm im Rahmen des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturwochenendes des Landesverbandes Bayern und der Kreisgruppe München am 18. März in München überreicht wurde. Die Laudatio sprach der Stellvertretende Bundesvorsitzende und bayerische Landesvorsitzende der siebenbürgischen Landsmannschaft, Dr. Bernd Farbritius.

"Als Chorleiter in Reußmarkt, als Gründer und Dirigent des Chores der Kreisgruppe Waldkraiburg und des Reußmarkter Chores in München, aber auch als Pädagoge hat Paul Staedel über die Musik zum Erhalt und zum Fortbestand siebenbürgisch-säschischer Kultur und Traditionen erfolgreich beigetragen", heißt es in der Verleihungsurkunde. Durch seine Chorarbeit und Auftritte in vielen siebenbürgischen Ortschaften konnte Staedel unter den schwierigen Bedingungen des kommunistischen Umfeldes ein tragendes Bewusstsein der Zusammengehörigkeit unserer Gemeinschaft vermitteln. Als Chorleiter sei ihm das auch in Deutschland gelungen, wo er zudem als langjähriger Vorsitzender der Kreisgruppe Waldkraiburg das gesellschaftliche und kulturelle Leben nicht nur in der Kreisgruppe, sondern auch in der gesamten Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft geprägt habe.

Paul Staedel wurde am 3. April 1931 in Großpold im Unterwald geboren. Er wirkte als Lehrer in Lenauheim im Banat, in Scharosch bei Reps und in Reußmarkt, das ihm für 18 Jahre zur Heimat wurde. Nach dem Musikstudium in Klausenburg bestimmte dieses Fach sein weiteres berufliches und gesellschaftliches Engagement, in dessen Mittelpunkt das Siebenbürgisch-Sächsische stand. Förderung und Erhaltung des siebenbürgisch-sächsischen Volkstums sei auch nach Staedels Ausreise nach Deutschland im Jahr 1974 ständiges und beharrlich verfolgtes Anliegen gewesen, betonte Fabritius. Beruflich wirkte er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1991 als Lehrer der Rudolf-Diesel-Schule in Waldkraiburg.

"Die Waldkraiburger Nachbarschaften wurden durch ihn gegründet, vorbildliche und herzliche Beziehungen zu den anderen landsmannschaftlichen Verbänden waren für Staedel selbstverständlich", führte Fabritius aus. Die Auftritte des Chores der HOG Reußmarkt, den Staedel seit seiner Gründung 1979 leitet, gemeinsamen mit choralen Klangkörpern landsmannschaftlicher Kreisgruppen gerade bei Veranstaltungen unserer Gemeinschaft führten zu einem strukturenübergreifenden Zusammengehörigkeitsgefühl. (Ein Bericht über das Kulturwochenende in München folgt in der nächsten Ausgabe diese Zeitung.)

Dem Jubilar, der in wenigen Tagen sein 75. Lebensjahr erfüllt, wünschen wir auch von dieser Stelle aus alles Gute und vor allem Gesundheit.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Folge 5 vom 31. März 2006, Leitartikel)

Schlagwörter: Ehrungen

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.