6. Juni 2006

Volker Dürr: "Integration der Siebenbürger Sachsen ist eine Erfolgsgeschichte"

Ein vielseitiges und reichhaltiges Programm hat der 56. Heimattag der Siebenbürger Sachsen vom 2. bis 5. Juni in Dinkelsbühl geboten. Rund 12 000 Besucher kamen trotz ungewöhnlich kalten Wetters zum Fest der Begegung in der ehemals freien Reichsstadt zusammen. Ausgehend vom Leitwort des diesjährigen Heimattages, "Zukunft braucht Hoffnung", würdigten die Festredner die kulturellen Leistungen, die gelungene Eingliederung der Siebenbürger Sachsen in ihre neuen Heimat und ihre Rolle als europäische Brückenbauer zwischen Ost und West. Dipl.-Ing. Arch. Volker Eduard Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, bezeichnete die Integration seiner inzwischen mehrheitlich in Deutschland lebenden Landsleute als "eine Erfolgsgeschichte". Für eine "gute gemeinsame Zukunft" sei es nötig, die Integrationshilfen zu verstärken, eine Gleichbehandlung im Rentenwesen zu erreichen, die kulturelle Breitenarbeit der Siebenbürger Sachsen zu fördern und deren Kulturzentrum in Gundelsheim am Neckar zu sichern. Die Begrüßungsansprache des Bundesvorsitzenden auf der Festkundgebung am 4. Juni wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, sehr geehrter Herr Staatsminister Eberhard Sinner, meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren,liebe Landsleute,
wir alle hier danken Ihnen, Herr Dekan i.R. Hermann Schuller, geschäftsführender Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und der evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, dafür, dass Sie die schon zur Tradition unserer Heimattage gehörende Pfingstandacht mit uns gemeinsam gestaltet haben. Mit besonderer Freude erfüllen uns die von Ihnen überbrachten Grüße unserer Heimatkirche und wir bitten Sie, im Gegenzug die Botschaft dieses Heimattages "Zukunft braucht Hoffnung" nach Siebenbürgen zu tragen und sie unseren dort lebenden Schwestern und Brüdern verbunden mit den besten Grüßen und Wünschen zu übermitteln.

Bundesvorsitzender Volker Dürr während seiner Ansprache vor der Schranne. Foto: Josef Balazs
Bundesvorsitzender Volker Dürr während seiner Ansprache vor der Schranne. Foto: Josef Balazs
Im Namen aller meiner hier versammelten Landsleute, besonders aber auch namens des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, des Landesverbandes Bayern und der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, den beiden Mitausrichtern des diesjährigen Heimattages, darf ich als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger der Großen Kreisstadt und ehemals freien Reichsstadt Dinkelsbühl sehr herzlich begrüßen, unter ihnen besonders:

Herrn Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer, Frau Bürgermeisterin Hildegard Beck, Herrn Altbürgermeister Prof. Dr. Jürgen Walchshöfer und alle hier vertretenen Mitglieder des Rates unserer langjährigen Partnerstadt Dinkelsbühl. Wir alle hier sind froh und stolz darauf, dass aus dieser erfolgreichen Partnerschaft eine weitere Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg begründet werden konnte, die im Herbst dieses Jahres hier in Dinkelsbühl in einem gemeinsamen Festakt ihre feierliche Bestätigung finden wird. Damit verbinden wir auch die Hoffnung, dass durch die im April letzten Jahres erfolgte Weichenstellung des Europäischen Parlaments der Aufnahme Rumäniens als Mitglied in die Europäische Union, bei Erfüllung der Beitrittskriterien, in hoffentlich naher Zukunft nichts mehr im Wege stehen dürfte, so dass unsere in Siebenbürgen lebenden Landsleute und alle Mitbürger-/innen Rumäniens bald in der erweiterten europäischen Völkergemeinschaft Heimat finden werden.

Es ist der Aufnahmebereitschaft der in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger zu verdanken, dass annähernd 250.000 Siebenbürger Sachsen im Laufe der vergangenen 60 Jahre nach Kriegsende hier neue Heimat fanden.

Mit dem diesjährigen Motto "Zukunft braucht Hoffnung" wollen wir den Auftrag, der uns aus unserer Geschichte und unserem Schicksal erwachsen ist, nämlich uns in ein in Frieden und Freiheit zusammenwachsendes Europa einzugliedern und zugleich als Brückenbauer zwischen Ost und West zu wirken, fortsetzen und uns für eine gemeinsame Zukunft überall dort, wo Siebenbürger Sachsen leben, engagieren.

Deshalb ist es uns eine große Freude, heute den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, und den Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Staatsminister Eberhard Sinner, herzlich willkommen zu heißen. Wir Siebenbürger Sachsen sind Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Bergner und sehr geehrter Herr Sinner, sehr dankbar dafür, dass Sie unserer Einladung, als Ehrengäste und Redner am diesjährigen Heimattag teilzunehmen, gefolgt sind. Ich hoffe, dass Sie uns Siebenbürger Sachsen nicht nur in unserer Funktion als Brückenbauer in einem zusammenwachsenden Europa, sondern auch als aktive Partner im Wiederaufbau des Nachkriegsdeutschlands und Europas weiterhin unterstützen. Denn rückblickend erkennen und wissen wir heute, dass die Integration unserer inzwischen mehrheitlich in Deutschland lebenden Landsleute eine Erfolgsgeschichte war. Von den vielzitierten "Wundern", die es schon Ende der 50er Jahre in der Bundesrepublik zu vermelden gab, wird das "Wirtschaftswunder" stets an erster Stelle genannt. Quasi aus dem Nichts, aus dem Zustand völliger wirtschaftlicher und moralischer Zerstörtheit vollzog sich nach Kriegsende in der Bundesrepublik Deutschland der wirtschaftliche Wiederaufbau so rasant und kraftvoll, dass es wie ein Wunder wirkte. Aber damals wie heute gilt: Von nichts kommt nichts, und so war das Wirtschaftswunder tatsächlich das Resultat harter Arbeit, von Fleiß und Verzicht auf vieles, was uns heute lieb und teuer ist und unverzichtbar erscheint. Zwischen dem eben beschriebenen Wirtschaftswunder und einem weiteren Wunder der bundesrepublikanischen Geschichte, dem Wunder der Integration - Sie erinnern sich an die "Erfolgsgeschichte" - besteht ein enger ursächlicher Zusammenhang. Es ist leicht, im Nachhinein Erfolgsgeschichten zu feiern. Ebenso leicht ist es, zu vergessen, wie schwer um diese Erfolge gerungen wurde. Kein Zweifel, die Integration von fast 8 Millionen Flüchtlingen und inzwischen 4 Millionen Aussiedlern allein im Westen war ein Teil des sogenannten Wirtschaftswunders, und ohne dieses Wunder wäre jenes ausgeblieben. Hier dürfen aber auch die besonderen Leistungen, die die ostdeutsche Bevölkerung in der ehemaligen DDR bei der Integration von 4 Millionen Vertriebenen erbracht hat, nicht vergessen werden. Die Chancen, die sich auch für uns Siebenbürger auftaten, haben wir ergriffen, haben die Herausforderungen, die sich uns stellten, gemeistert, getragen von den Erfahrungen des Zusammenhalts und der Unterstützung wie auch von den vielseitigen Hilfestellungen, derer wir teilhaftig wurden. Das "unsichtbare Fluchtgepäck" der Vertriebenen, ihr technisches, handwerkliches oder akademisches Know-how, ihre zweihundertfünfzig-, sieben- bzw. achthundertjährige kulturelle Erfahrung im Neben- und Miteinander mit ihren slawischen, magyarischen, baltischen oder rumänischen Nachbarn hat Deutschland nachhaltig geprägt. Es sind Erfahrungen, die in Verbindung mit vielfacher Mehrsprachigkeit in keinem anderen westlichen Industriestaat so verdichtet sind wie in Deutschland. Die Heimatvertriebenen haben interkulturelle Kompetenz mitgebracht, und sie haben als unsichtbares Fluchtgepäck ihre kulturelle Identität eingebracht. Der Gewinn, den die Gesellschaft - trotz aller Spannungen - durch die Neuankömmlinge verbuchen konnte, ließ sich mit der Zeit nicht ignorieren und leugnen. Der Umstand, dass in Bayern die Sudetendeutschen längst als vierten Stamm gesehen und gelegentlich gefeiert werden, ist nicht nur ein Indiz dafür, sondern auch ein Ansporn für uns Siebenbürger Sachsen, vielleicht einmal als fünfter Stamm in Bayern anerkannt zu werden. Wir alle müssen dafür Sorge tragen, dass unsere Hoffnungen auf eine Verstärkung der Integrationshilfen, auf eine Gleichbehandlung im Rentenwesen, auf die Förderung unserer kulturellen Breitenarbeit und die Sicherung der Einrichtungen unseres Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturzentrums nicht enttäuscht werden, um uns und unseren Kindern auch weiterhin eine gute gemeinsame Zukunft zu ermöglichen, in der Integration und kulturelle Identität keine Fremdwörter sind.

Ein Beleg unserer bisher erfolgreich ausgeübten Brückenfunktion ist die seit Jahrzehnten betriebene grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf sozialem und kulturellem Gebiet. Damit diese Aktivitäten auch in die Zukunft hineingetragen und fortgeführt werden können, ist die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland mit ihrer Jugendorganisation darum bemüht, das Netzwerk der Partnerschaften, das wir mit unseren Landsleuten in Kanada, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Österreich und Siebenbürgen geschaffen haben, innerhalb der bereits 1983 gegründeten Föderation der Siebenbürger Sachsen weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir den Vorsitzenden des Demokratischen Forums in Siebenbürgen, Herrn Dr. Jürgen Porr, und weiter Herrn Magister Wilgerdt Nagy als Vertreter des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und - last but not least - Herrn Peter Karsti als Vertreter der Alliance of Transsylvanian Saxons. Im vorhin genannten Sinne werden wir uns in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den anderen rumäniendeutschen Landsmannschaften und unseren Heimatortsgemeinschaften, deren Vorsitzenden Herrn Michael Konnerth ich hiermit ebenfalls ganz herzlich willkommen heißen möchte, auch weiterhin für den Ausbau bereits bestehender Städtepartnerschaften wie z.B. jener zwischen Landshut und Hermannstadt und für die Gründung zukünftiger Städtepartnerschaften wie Dinkelsbühl und Schäßburg, aktiv einsetzen.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen und danken unserem Landesverband Bayern, der sich mit Brauchtums- und Kulturgruppen als Mitausrichter unseres diesjährigen Heimattages hier in Dinkelsbühl vorbildlich beteiligt. Mit dabei sind natürlich auch die Mitglieder unserer landsmannschaftlichen Gliederungen aus anderen Landesgruppen und aus Organisationen wie z.B. den Heimatortsgemeinschaften, für deren vielfältiges Engagement ich an dieser Stelle besonders herzlich danke. Mein partnerschaftlicher Gruß gilt dem Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, das stets an unseren Heimattagen engagiert mitwirkt. Ich grüße unsere Ehrenvorsitzenden, Herrn Dr. Wolfgang Bonfert, meine Stellvertreter Frau Servatius-Speck, Frau Hutter, Herrn Dr. Fabritius und Herrn Lehni, die Vorsitzenden der Landesgruppen und danke ihnen und allen aktiven Teilnehmern, die unter der verantwortlichen Leitung von Frau Hannelore Scheiber, Herrn Thorsten Schuller und Herrn Rainer Lehni und vielen anderen zum Gelingen dieses herrlichen, bunten Trachtenzuges beigetragen haben. Und auch unserer Siebenbürger Blaskapelle Landshut unter der Leitung von Herrn Erwin Arz möchte ich ein herzliches "Dankeschön" für ihren musikalischen Beitrag zu unserer Festveranstaltung sagen.

Welche Resonanz unsere heutige Veranstaltung, aber auch unser stetiges landsmannschaftliches Engagement mit dem Ziel der Integration und des Brückenbaus in Politik und Gesellschaft hat, geht aus den zahlreich eingegangenen Grußbotschaften zu unserem diesjährigen Heimattag hervor:

In seinem Grußwort schreibt uns der Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen und Staatssekretär für Kultur, Hans Heinrich Grosse-Brockhoff "Sie können stolz sein auf ein gelebtes Beispiel gelungener Integration in Nordrhein-Westfalen.... Aus meiner Sicht ist es ein äußerst moderner und fortschrittlicher Ansatz, wenn wir die Kultur der Vertriebenen Fördern und weitergeben an unsere Kinder und Enkelkinder, so wie Sie es schon seit 40Jahren in Drabenderhöhe vorbildlich machen."

Der Landesbeauftragter der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Herr Rudolf Friedrich übermittelt uns die herzlichen Grüße der Hessischen Landesregierung, insbesondere von Herrn Ministerpräsident Roland Koch und stellt fest: "Das großartige Engagement der Siebenbürger Sachsen für die Völkerverständigung, ihre Funktion als ‚Brückenbauer' zwischen Ost und West, wird auch in Zukunft gebraucht, um das zusammenwachsende Europa - unsere Heimat - mit Leben zu erfüllen".

In herzlicher Verbundenheit schreibt uns die Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, Frau Käthe Paulini: "Zukunft braucht Hoffnung! Dieses Motto gilt auch für uns im fernen Kanada. Leider können wir heuer nicht in Dinkelsbühl dabei sein, fühlen uns aber im Geiste verbunden und grüßen alle Teilnehmer und wünschen ein gutes Gelingen, gute Zusammenarbeit und harmonische Gespräche."

Schlagwörter: Heimattag, Dinkelsbühl, Volker Dürr

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