23. Juni 2009

Brauchtumsveranstaltung der Schönheit und Vielfalt

Im vollbesetzten Schrannensaal fand am Pfingstsamstag beim Heimattag in Dinkelsbühl die Brauchtumsveranstaltung statt, für die der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften und das Bundesfrauenreferat des Verbandes der Siebenbürger Sachsen gemeinsam verantwortlich zeichneten. 94 verschiedene Trachten mit den dazugehörigen Kopfbedeckungen aus zehn Heimatortsgemeinschaften wurden in einer Modenschau der besonderen Art dem Publikum vorgestellt. Vom 18 Monate alten Kleinkind bis zur Urgroßmutter waren alle Altersstufen mit den dazu passenden Trachten vertreten.
Die Bundesfrauenreferentin Enni Janesch begrüßte die Gäste herzlich und wies darauf hin, dass eine ähnliche Veranstaltung schon im Juni 2008 beim Begegnungsfest auf dem Gaffenberg in Heilbronn unter der Regie der Landesfrauenreferentin von Baden-Württemberg und Kreisgruppenvorsitzenden von Heilbronn, Christa Andree, und der stellvertretenden Vorsitzenden und Kulturreferentin der Kreisgruppe Heilbronn, Ines Wenzel, stattgefunden hatte. Inspiriert hatte sie die gleichnamige Ausstellung von Marianne Möckesch und Eva Zenn in Pforzheim.
Über 90 Siebenbürger Sachsen, vom 18 Monate alten ...
Über 90 Siebenbürger Sachsen, vom 18 Monate alten Kleinkind bis zur Urgroßmutter, präsentierten die prächtigen und vielfältigen Trachten Siebenbürgens bei der Brauchtumsveranstaltung am 30. Mai und dem anschließenden Gruppenbild auf die Tribüne. Foto: Christian Melzer
In ihrer Einführung sprach die Bundesfrauenreferentin von der Bedeutung der Tracht für die Siebenbürger Sachsen. Unsere Tracht sei nicht nur ein Kleidungsstück, sie sei ein „Identifikationsmerkmal“. Durch ihr Tragen zeige man die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft, so Janesch. Festtage im Leben des Einzelnen, wie Konfirmation, Hochzeit, Taufe oder auch die Feste im Laufe eines Jahres seien ohne Trachten gar nicht denkbar und zum Kirchgang gehöre in den Dörfern bis heute für die Frauen selbstverständlich das Tragen der Festtracht. „Unsere heutige Tracht“, führte die Bundesfrauenreferentin weiter aus, „ist das Ergebnis einer Jahrhunderte langen Entwicklung. Sie vereinigt Stücke aus verschiedenen Zeiten und Gebieten und ist daher, was ihren Ursprung betrifft, nicht einheitlich. Unsere Tracht ist demnach ein lebendiges Gefüge, das sich den Gegebenheiten anpasste.“ Die Trachten gehörten auch heute noch zum kostbarsten Besitz jeder Familie. Die Trachtenlandschaft der Siebenbürger Sachsen zeichne sich durch ihre Vielfalt aus, gleichwohl könne man doch gewisse ähnliche Merkmale in den geographischen Landschaften finden, so Janesch. Volkskundler würden daher auch die Trachtenlandschaften Siebenbürgens nach den geographischen Landschaften benennen.

Die Moderatorin Ines Wenzel, selbst in der Heldsdorfer schwarzen Frauentracht mit der Spitzenhaube gekleidet, nahm das Publikum mit auf eine Reise durch die Trachtenlandschaften der Siebenbürger Sachsen, beginnend mit dem südöstlichsten Zipfel im Burzenland, über die Repser Gegend, das Harbachtal, die Hermannstädter Gegend, den Unterwald und das Weinland nach Nordsiebenbürgen ins Reener Ländchen und schließlich in den Nösnergau. Sie stellte die jeweilige Gruppe mit ihren Trachtenträgerinnen und Trachtenträger einzeln vor. Bevor die Gruppen die Bühne verließen, sagte ein/e Vertreter/in aus jeder Gruppe einen typischen Vers oder Satz in der Mundart des Dorfes. In Anbetracht der Vielzahl an Trachtenträgern und im Bezug auf das Motto „Gut behauptet, behütet und betucht“ ging Wenzel in ihren Erläuterungen hauptsächlich auf die Bedeutungen der verschiedenen Kopfbedeckungen ein, erwähnte aber auch die Besonderheiten der Trachten der einzelnen Landschaften. Die beteiligten Heimatortsgemeinschaften zeigten ihre schönsten Trachten mit den dem Alter und Stand entsprechenden Kopfbedeckungen. Verschiedenartige Bänder, rote, bunte, gewebte, auf Samt gestickte, zierten die Köpfe der jungen Mädchen. Borten, Zeichen des unverheirateten Mädchens, gab es in unterschiedlichen Formen, hohe, niedere, weite und enge, geschmückt mit Nadeln, Sträußchen, Kränzchen aus Papierblumen, Myrthenkränzchen und sogar einen bordeauxfarbenen aus Hammersdorf. Gut „betucht“ waren die Frauen mit Tüchern aus Baumwolle, Wolle und Tüll, „Knäppdich“ in verschiedenen Farben. Im Sommer trug man statt des Kopftuchs werktags den groben und sonntags den feinen Strohhut aus Michelsberg. Auch die Hauben konnten sich sehen lassen. Weiße und schwarze genetzte Hauben, schwarze Satinhauben für die älteren Frauen, die mit Gold bestickten Hauben aus dem Burzenland und die mit Blumenmotiven bunt bestickten und mit Perlen verzierten Hauben aus Nordsiebenbürgen trugen dazu bei, dass die Frauen gut „behaubtet“ waren. Auch eine mit Marderfell verbrämte Haube der Landlerin, die „Koppn“, durfte nicht fehlen.

Die jung verheirateten Frauen kamen gebockelt oder geschleiert daher. Die Bockelung und Schleierung gehören zu den schönsten Kopfbedeckungen der siebenbürgischen Festtrachten der Frauen. Jedes Dorf bzw. jede Stadt hatte ihre eigene Art der Bockelung oder Schleierung. In der Regel wurde ein weißer Tüllschleier dazu verwendet, aber auch rote, blaue, in der Trauerzeit schwarze Schleier wurden um den Kopf gelegt. In Deutsch-Weißkirch umrahmte der Schleier das Gesicht herzförmig. Wie ein Diadem wurden die Bockelnadeln ein- oder zweireihig auf einen Aufbau am Kopf gesteckt. Wie Königinnen sahen die gebockelten Frauen aus, die in Stein „Schöne Frauen“ „Hesch Fraen“ genannt werden. Nicht weniger würdig sehen die Männer aus, wenn sie gut „behütet“ sind, auch wenn ihre Kopfbedeckung nicht so eine Vielfalt aufweist wie die der Frauen. Vom einfachen städtischen Hut, über runde Filzhüte mit schmälerer oder breiter Krempe und mit bunten Bändern oder Sträußchen „Gepäschken“ geschmückt, reichten die vorgeführten Hüte. Zu den Besonderheiten zählten die Marderfellmützen aus Agnetheln und die Blumenhüte aus Frauendorf. Das Gepäschken auf dem Hut der Burschen besteht aus 400 bis 500 Papierblumen in mindestens zwanzig verschiedenen Sorten und wiegt etwa 3,5 bis 4 kg. Dieser Hut wurde anlässlich des Blumenfestes sowohl beim Aufmarsch als auch beim Tanzen getragen.

Vertreten in diesem bunten Trachtenreigen waren das Burzenland (Verantwortliche Inge Petyan, Karl-Heinz Brenndörfer und Ines Wenzel), das unter den siebenbürgisch-sächsischen Trachtenlandschaften eine Sonderstellung einnimmt. Im Gegensatz zu anderen Gebieten, wo sich die Tracht von Ort zu Ort unterscheidet, lässt sich hier eine große Einheitlichkeit feststellen. Aus diesem Grund waren einige Ortschaften des Burzenlandes zu einer Gruppe zusammengefasst worden. Es wurden Trachten aus Heldsdorf, Honigberg, Petersberg, Wolkendorf und Zeiden getragen.

Aus der Repser Gegend stellte sich die Gemeinde Stein vor (Verantwortliche Gerlinde Zekel). Hier hat die Tracht um die Wende des 20. Jahrhunderts eine große Wandlung erfahren. Alles wurde verfeinert und dem städtischen Geschmack angepasst. Trotzdem blühten auch hier Wunderwerke der sächsischen Nadelkunst, wenn sie auch oft schon in hauchdünnem, seidenem Stoff ausgeführt wurden. Obgleich nur wenige Kilometer von Stein entfernt, findet man in Deutsch-Weißkirch eine komplett andere Tracht (Verantwortliche Hildegard Frank). Aufgrund der abgeschiedeneren Lage hat sich hier die Tracht in ihrer urtümlichen Form erhalten und wurde teilweise bis Ende des vorigen Jahrhunderts auch noch werktags getragen. Weiter ging es ins Harbachtal, nach Agnetheln (Verantwortliche Christa Andree und Brigitte Mraas). Die Agnethler Bürgertracht stellt in ihrer Gesamtheit eine Besonderheit in der siebenbürgischen Trachtenlandschaft dar. In der Hermannstädter Gegend, hier Hammersdorf (Verantwortliche Susanna Look und Astrid Göddert), hat sich die alte Tracht mehr als in jeder anderen Trachtenlandschaft erhalten. Die am Zibin gelegene Gemeinde Großau (Verantwortliche Maria Schenker und Anke Wiserner) stellte die größte Gruppe mit neunzehn sowohl sächsischen als auch landlerischen Trachten. Weiter ging es in den Unterwald in die Gemeinde Reußmarkt (Verantwortliche Erika Spielhaupter und Simon Schenker), aus der eine stattliche Gruppe mit vierzehn verschiedenen Trachten präsentiert wurden. Hier hat sich die wunderschöne alte Tracht erhalten. Im Weinland liegt die Gemeinde Frauendorf (Verantwortliche Ingwelde Juchum und Hans-Georg Schuster). Das Blumenfest, bei dem der Blumenhut getragen wurde, wurde jährlich Ende Februar zum Zeichen des herannahenden Frühjahrs gefeiert.

Weiter ging es nach Nordsiebenbürgen, ins Reener Land nach Botsch (Verantwortliche Waltraud Hartig-Hietsch). Vier Generationen einer Familie stellten die Trachten ihrer Gemeinde vor. Geschichtliche Ereignisse haben hier, ähnlich wie im Nösnerland, im Laufe der Jahrhunderte zu einer besonderen Trachtenentwicklung beigetragen. Hier kam es viel früher als in anderen Gebieten Siebenbürgens zur Aufnahme einiger Zierelemente und -techniken, hauptsächlich aus der ungarischen Volkstracht, die in das eigene, noch aus dem Mittelalter überlieferte Trachtengut harmonisch eingegliedert wurden.

Die letzte Gruppe präsentierte Trachten des Nösnerlandes mit der weißen Jaader Sommertracht und der farbenfrohen Bistritzer Wintertracht (Verantwortliche Inge Alzner und Stephanie Kepp).

Es war eine prächtige und würdige Trachtenschau. Die stellvertretende Bundesvorsitzende Karin Servatius-Speck dankte allen, die zu dieser sehenswerten Vorstellung beigetragen hatten. Das Publikum dankte mit langem Applaus. Ein herzlicher Dank geht an die beteiligten Heimatortsgemeinschaften sowie an die Verantwortlichen, die sicher einige Mühe hatten, die Gruppe zusammenzustellen. Beim gemeinsamen Gruppenbild draußen auf der Tribüne konnte noch einmal die Schönheit und Vielfalt unserer Trachten bewundert werden. Zahlreiche Fotografen nahmen die Gelegenheit wahr, dieses Bild festzuhalten.

Enni Janesch

Schlagwörter: Heimattag 2009, HOG-Verband, Brauchtumspflege, Trachten

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