5. März 2019

Siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe verantwortungsvoll erhalten: Zur Restaurierung der Hermannstädter Stadtpfarrkirche

Am 31. Januar hat der Chefplaner der zurzeit laufenden Restaurierungsarbeiten an der Hermannstädter Stadtpfarrkirche, Architekt Mihai Țucă, für die Teilnehmer einer Tagung der Architekten der Kreise Hermannstadt und Vâlcea eine Führung auf der Baustelle gemacht. Eingangs berichtete er über die archäologischen Grabungen, die unter der Leitung der Kronstädter Archäologin Daniela Marcu-Istrate im vergangenen Jahr durchgeführt wurden. Er erwähnte, dass verschiedene Fußbodenplatten auf der Rückseite Reliefs aufwiesen, dass ein besonderer Fund der Grabstein des Bürgermeisters Armbruster war.
Bei den Grabungen sind zwei frühere Fußbodenhöhen zum Vorschein gekommen, 26 cm bzw. 40 cm unter dem heutigen Niveau. Man hat sich entschieden, für den neuen Fußboden die Höhe von 26 cm zu berücksichtigen. Die Grabungen haben unter anderem auch Gewissheit über den romanischen Vorgängerbau gebracht: Es konnten sowohl die Grundmauern der halbkreisförmigen Apsis als auch beide Apsidiolen identifiziert werden. Noch nicht geklärt ist der westliche Abschluss der romanischen Kirche. Was die statischen Konsolidierungsarbeiten betrifft: Es ist vorgesehen, in einigen Wänden der Kirche vertikale und horizontale Bohrungen durchzuführen und darin Stahlarmierungen einzubringen.

Architekt Țucă erwähnte, dass ein ursprüngliches Projekt ein Gesamtvolumen von 12,6 Millionen Euro hatte, das gegenwärtige Vorhaben aber nur noch mit 5 Millionen Euro finanziert werde. Diese Reduzierung würde sich negativ auf die Außenarbeiten an der Kirche auswirken, die nur in geringem Maß durchgeführt werden könnten. (Zu den im großen Projekt geplanten Arbeiten habe ich in einem Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung vom 5. Mai 2014, S. 5, Stellung genommen.)

Auf die Heizung der Kirche angesprochen, sagte er, dass eine Warmwasserbodenheizung vorgesehen sei. Sein Kommentar dazu: Früher hätten sich die Leute warm angezogen, heute sei man eben verwöhnter. Den Ausführungen war zu entnehmen, dass diese Heizung ein Wunsch der Bauherrschaft sei, den er in das Projekt aufgenommen habe, deren Notwendigkeit er aber nicht zur Gänze teile.
Blick von Westen in das Mittelschiff der Kirche ...
Blick von Westen in das Mittelschiff der Kirche während der archäologischen Grabungen, 9. Juni 2018. Fotos: Hermann Fabini
Tatsächlich bedeutet diese Art von Heizung einen neuen Fußboden aus dünnen Steinplatten in der ganzen Kirche. Angesichts der Tatsache, dass keine großen Temperaturschwankungen erlaubt sind, muss praktisch das halbe Jahr kontinuierlich geheizt werden, was Erdgaskosten in der Größe von ca. 7000-10000 Euro bedeutet. Für die Aufbewahrung wertvoller Kunstobjekte wie Altäre, Orgeln, Epitaphien und dergleichen ist das Heizen der Räume problematisch. Besonders die Bildung von Kondenswasser kann sich negativ auf deren Erhaltungszustand auswirken. Hier ist zu erwähnen, dass die Aufbewahrung der beiden vorreformatorischen Altäre aus Radeln und Schweischer in der Johanniskirche nicht als optimal angesehen werden kann und es sinnvoll wäre, diesbezüglich Überlegungen mit der Restaurierung der Stadtpfarrkirche zu verbinden. Im Zusammenhang mit dem neuen Fußboden stellt sich auch die Frage, was mit den wertvollen Steinplatten, meist Grabplatten, des alten Fußbodens, die zur Zeit im Hof gelagert sind, geschehen soll; werden sie unter dem neuen Boden verlegt oder wie Müll entsorgt? Dass die Kirchenheizung auch mit wesentlich geringeren Eingriffen in die historische Substanz erfolgen kann, ist im romanischen Dom in Karlsburg (Alba Iulia) zu sehen, wo auf die historischen Kirchenbänke elektrisch geheizte Sitzkissen gelegt wurden.

Während seiner Ausführungen erwähnte Architekt Țucă, es sei vorgesehen, den vorreformatorischen Altar (siehe ADZ vom 3. Dezember 2013, S. 3), der in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts restauriert worden ist, zusammen mit der Orgel aus einer Dorfkirche in der Ferula aufzustellen. Angesichts der Tatsache, dass das Restaurierungsprojekt vorsieht, den Zugang der Touristen durch das Südportal der Ferula zu lenken und zu diesem Zweck ein durch Glaswände abgeteilter Verkaufsstand und Sanitäranlagen eingebaut werden sollen, drängt sich die Frage auf, ob dieser Eingangsbereich der richtige Ort für den wertvollen Altar ist, der ursprünglich im 16. Jahrhundert für den Hauptraum der Kirche erstellt worden war, wie das eine Studie des Klausenburger Forschers Ciprian Firea überzeugend nachweist (The Great Altarpiece of the Passion from Sibiu and its Painters, Acta Musei Brukenthal VII. 2. Sibiu 2012, S. 229-246). Selbst diese Entscheidung, die man auf das Fehlen eines klaren, denkmalgerechten und glaubensmäßig schlüssigen Konzeptes für die Gestaltung der Innenräume des Baudenkmals zurückführen kann, ist im Vergleich zu der Erstellung einer Bodenheizung weniger problematisch, weil diese Situation zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert werden kann, während beim Ersetzen des Fußbodens der Kirche unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden.
Ansicht aus der Burgruine in Richtung der ...
Ansicht aus der Burgruine in Richtung der Marienburger Kirche, 13. Mai 2005.
Nun kann man argumentieren, dass das Restaurierungsprojekt der Stadtpfarrkirche die Genehmigungsverfahren der staatlichen Denkmalpflege durchlaufen hat, dass somit eine gewisse Garantie für das Einhalten der spezifischen Erfordernisse einer denkmalgerechten Restaurierung gegeben ist. Man berücksichtigte also Kriterien, wie sie etwa in den 16 Artikeln der Charta von Venedig definiert sind (Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles, Venedig 1964). Leider zeigt die Erfahrung der letzten Jahrzehnte, dass diese Garantie hierzulande nicht vorausgesetzt werden kann. Nehmen wir z.B. die Arbeiten – von Restaurierung kann dort nicht die Rede sein – an der Burgruine in Marienburg, wo auf die historischen Mauern willkürlich Häuschen aufgesetzt und eine Phantasieeinfahrt gebaut wurde. Dieser Umgang mit der „Seele Siebenbürgens“ sollte bei denjenigen, die noch eine Spur von Verantwortung für das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe empfinden, die Alarmglocken läuten lassen. Es handelt sich dabei nicht um einen Einzelfall, wenn wir an Baumaßnahmen an den Burgen in Reps und Deva oder an jene auf der Burg in Schäßburg denken. Vergleiche mit der Zeit vor 1989 zeigen, dass der damalige Mangel an finanziellen Mitteln unseren Baudenkmälern, aus heutiger Sicht, gar nicht so schlecht bekommen ist.
Heutige Ansicht der Marienburger Kirchenburg etwa ...
Heutige Ansicht der Marienburger Kirchenburg etwa aus dem gleichen Blickwinkel gesehen, 5. Oktober 2017.
Bei einem verantwortungsvollen und kompetenten Management, unter Einbeziehung der Landeskommission für Denkmalpflege, könnte, angesichts der Erkenntnisse der archäologischen Grabungen, der Herabsetzung des Fußbodens und mit Hinweis auf den wertvollen alten Fußboden, auf die Warmwasserheizung der Kirche auch zum heutigen Zeitpunkt noch verzichtet werden, besonders auch mit dem Hinweis, dass die dadurch freiwerdenden Mittel für dringend notwendige denkmalpflegerische Maßnahmen an den Fassaden der Kirche eingesetzt werden könnten.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn unsere siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft, auf den verschiedenen Ebenen ihrer Organisationen und ihren Vertretern im In- und Ausland, sich zu einer solchen Initiative motivieren ließe. Natürlich bedeutet das schwierige Auseinandersetzungen, Einsatz auf hoher Ebene und letztendlich den Kampf um die Einhaltung der in Europa anerkannten Maßstäbe und Werte.

Gerade die Hochhaltung und Umsetzung dieser Werte im Karpatenraum hat die Geschichte der Siebenbürger Sachsen über die Jahrhunderte ihrer Existenz bestimmt. Sich davon zu verabschieden, bedeutet mehr oder weniger unsere Existenzberechtigung in diesem Umfeld in Frage zu stellen. Natürlich kann man die Dinge weiterhin so laufen lassen, wie sie eben laufen. Dabei ist jedoch zu befürchten, dass das Beispiel Schule macht und auch andern Orts ähnlich unverantwortlich mit sächsischen Baudenkmälern umgegangen wird. Machen wir uns nichts vor: Die Verantwortung für unser kulturelles Erbe in Siebenbürgen kann und soll in der heutigen Lage nicht an andere Institutionen und Organisationen delegiert werden, sie bleibt bei uns, und dementsprechend wird von unserer heutigen Saat die Ernte ausfallen.

Dr. Hermann Fabini

Dieser Artikel ist in einer längeren Fassung in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 16. Februar 2019 erschienen.

Schlagwörter: Denkmalpflege, Kulturerbe, Kirche, Hermannstadt, Stadtpfarrkirche, Fabini

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